Zwischen Himmel und Hölle

Sakral und säkular in Quito/Ecuador
Foto: pixelio/Dietmar Meinert

Ankunft in Quito. Ein unglaublich klares, helles Licht spiegelt sich in den weißen Häusern der Altstadt, Sonne und ein blitzeblauer Himmel vertreiben sogar die Nebelwolken von den nahen Vulkanen - man befindet sich auf 2850 Meter Höhe. "Wir leben direkt zwischen Himmel und Hölle", erzählt Miguel, der Fremdenführer. "Quito ist die am höchsten gelegene Hauptstadt der Welt, umgeben von vierzehn zum Teil aktiven Vulkanen. Vor ihnen haben höchstens die Touristen Angst, wir leben damit seit Jahrhunderten, und es beschützen uns mehr als hundert Kirchen und 55 Klöster, hier wird häufiger gebetet als im ganzen übrigen Ecuador." Den letzten Ascheregen gab es 2014. Die Einwohner bleiben trotzdem relativ gelassen, hält doch die Heilige Jungfrau, die Lilie von Quito, auf dem kleinen Hügel Panecillo (das heißt "kleines Brot") schützend ihre Hände über die Stadt.

Die Kirchen bestehen aus einer Mischung einheimischer und europäischer Kultur. In der Iglesia de San Francisco schwebt die weltweit einzige Marienfigur mit Flügeln. Engel mit Gesichtern in Form kleiner Sonnen finden sich an der Decke, um die indianische Bevölkerung, die an den Sonnengott glaubte, anzulocken. Stilrichtungen der Renaissance, des Barock und des Klassizismus mischen sich mit dem "Mudejar"-Stil, einer Verschmelzung maurischer und gotischer Elemente. Architektur aus vorkolumbianischer Zeit gibt es nicht - bei der Eroberung durch die Spanier verbrannten die Inka die Stadt. Mit einer romantischen Geschichte, die durchaus mit der Arche Noah standhalten kann, wartet der Stadtführer auf: "Als einzige überlebten der auserwählte Häuptling Quitumbe und seine Gefährtin Llira eine Sintflut, und eine sinkende Feder wies ihnen dieses Stück Land zu. Nach dem Zurückgehen der Wasser wurden sie Stammvater und -mutter der Quitu, woher die Stadt ihren Namen hat." Der Schritt zurück ins trocken Weltliche ist schnell getan, vor jeder Kirche findet sich eine Plaza und überall herrscht reges Treiben. "Man nennt unsere Innenstadt auch das Kloster Amerikas", meldet sich Miguel wieder zu Wort, "denn alle großen Orden haben hier ihre Spuren hinterlassen, Franziskaner, Dominikaner, Augustiner und Jesuiten." Dabei organisiert er ganz gewandt seinen Gästen einen kleinen Stehimbiss. Köstlich gefüllte Teigtaschen, Empanadas, dazu ein Tee aus Cocablättern, der höhenluftbedingten Kopfschmerzen vorbeugen soll und sehr süß ist. "Coca, Coca", rufen die fliegenden Händler und bieten Bonbons, Limonaden und Plätzchen an. Die Empanadas seien cocafrei, wird versichert.

Überall begegnet man Klerikalem. Acht Klöster sind noch aktiv, die Nonnen offensichtlich auch, man sieht sie beim Shopping, untergehakt flanierend, mit eiligem Schritt oder wartend vor den Beichtstühlen, schwatzend auf der Plaza, das Smartphone in der Hand. Das spirituelle Zentrum Ecuadors weiß sich zu vermarkten. Karmeliterinnen verkaufen in einem düsteren Raum hinter einer Glastheke Fläschchen, Döschen, Beutel mit Hostien. Der Hit ist vergorener Traubenwein, ökologisch und alkoholfrei, versteht sich. Andere Nonnen bieten selbstgemachtes Rosenwasser in kleinen Flakons oder Heilmittel und -kräuter an. In den hellen Straßen drapieren indianische Frauen mit ihren langen schwarzen Zöpfen, Hüten und weiten Röcken den Touristen leichte gewebte bunte Tücher über die Schulter. Lamawolle, wer kann da widerstehen?

Fremdenführer Miguel verabschiedet sich. Morgen ist der weltliche Teil an der Reihe, mit Museen, dem omnipräsenten Simon Bolivar und Manuela Saenz aus Quito, die nicht nur seine Geliebte war, sondern eine emanzipierte Freiheitskämpferin. Doch das ist eine andere Geschichte. Müde und etwas benommen geht es ins Hotel. Weihrauch, Cocatee und Höhenluft haben ihr Werk getan.

Angelika Hornig

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