Eingebrochen

Auferstehung neu buchstabiert
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Alles oder vieles kommt vor, es ist zu spüren, dass der Autor neben viel theologischer Weisheit auch Seelsorgeerfahrung und schlichte Liebe zum Menschen einbringt.

Der Theologe und Religionsphilosoph Ernst Troeltsch (1865–1923) wird häufig mit dem Satz zitiert, „Ein moderner Theologe sagt, das eschatologische Bureau sei heutzutage meist geschlossen“. Das stimmt, wenn man das Reden über die letzten Dinge, die Eschata, als fröhliche Spekulation über Zukünftiges versteht, insbesondere über Zukünftiges jenseits der Grenzen des irdischen Lebens und der bekannten irdischen Welt. Das traditionelle Reden über die letzten Dinge habe, so Troeltsch, keinen Sinn mehr, „weil die Gedanken, die es begründeten, die Wurzel verloren haben“.

In den hundert Jahren Theologiegeschichte danach eröffnete das eschatologische Büro andere Abteilungen und bezog Etagen, in denen der Gedanke leitend war, dass der letzte Sinn des Lebens und der Geschichte eben nicht mehr „von oben“ zu erwarten, sondern als geschichtlich vor uns liegend identifiziert sei – in welcher Richtung, das blieb der jeweiligen weltanschaulichen Vorliebe anheimgestellt, sei sie marxistisch oder anders hegelianisch angehaucht in dem Sinne, dass die Weltgeschichte ein Prozess auf irgendeine künftige Entwicklung hin sei.

Insofern gibt es heutzutage kaum noch theologische Entwürfe, die an die alte, traditionelle Eschatologie anknüpfen. Der katholische Theologe Gerhard Lohfink hat nun ein Werk zum Thema Auferstehung und Eschatologie vorgelegt, das wieder einen Akzent in diese Richtung setzt.

Lohfink war von 1976 bis 1987 Professor für Neues Testament an der katholischen Fakultät in Tübingen, dann schied er freiwillig aus dem akademischen Dienst aus, um fortan in der Katholisch Integrierten Gemeinde zu wirken, einer von Rom anerkannten „Apostolischen Gemeinschaft“ in der katholischen Kirche, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden war. Außerdem nutzte er die Zeit, um zahlreiche Bücher zu schreiben, Bücher, die von Theologen wie Nichttheologen mit Gewinn zu lesen sind.

In seinem neuesten Werk setzt Lohfink ganz am Anfang beim Menschen an, bei seinen Vorstellungen und Spekulationen über den Tod, und darüber hinaus. Als nächstes bietet er einen Durchgang durch die Religionsgeschichte Israels, dann thematisiert er Jesus Christus unter der Fragestellung „Was mit Jesus in die Welt kam“. Dabei blickt er immer wieder zur Seite, thematisiert dies und das. Seine Kunst ist es, die menschlichen Grundfragen, das Ende betreffend, umfassend zu traktieren, nicht nur auf einer Ebene, sei sie rein theoretisch oder rein lebenspraktisch.

Aber alles oder vieles kommt vor, es ist zu spüren, dass der Autor neben viel theologischer Weisheit auch Seelsorgeerfahrung und schlichte Liebe zum Menschen einbringt. Besonders viel Zeit verwendet er dann im längsten der sechs Kapitel auf die Unterscheidung des Zeitbegriffes der Ewigkeit und unseres menschlichen Zeitdenkens und -erlebens.

Hier beeindruckt sein Werben für eine Synthese aus Gericht und Erlösung, wobei er immer wieder in sympathischer Weise mahnt, dass alles Sprechen darüber nur Stückwerk sein könne, aber, wenn man seinen Ausführungen folgt, verdichtet sich der Eindruck, dass er von diesem Stückwerk nicht lassen kann und lassen will. Bemerkenswert ist der darin verwobene ethische Impuls gegen die heute grassierende Verachtung des menschlichen Lebens, das nicht perfekt ist und auf Hilfe angewiesen ist.

Ob Lohfinks Buch dazu angetan ist, das Thema Auferstehung auch Fernstehenden wieder nahezubringen, ist zu bezweifeln, denn immer wieder scheint seine Verwurzelung in der biblischen Tradition und in der Lehre seiner Kirche sehr deutlich durch, was für Sympathisanten wohltuend, für Fernstehende wohl eher befremdlich ist. Wenn Lohfink schreibt, dass die Sakramente der „reale Ort der Gegenwarts-Eschatologie“ seien, setzt das zumindest doch eine geschlossene katholisch-kirchliche Weltsicht voraus.

Aber allen immer wieder durchschlagenden realdogmatischen Formulierungen zum Trotz ist Lohfinks temperamentvolle, sprachmächtige, werbende und von der Liebe zum Glauben durchdrungene Darstellung der Auferstehung und der letzten Dinge zur Lektüre zu empfehlen. Um abschließend noch einmal das von Ernst Troeltsch gestiftete Sprachbild zu bemühen: Gerhard Lohfink ist einfach mal in das geschlossene eschatologische Büro eingebrochen.

Und dort hat er einige Schätze gefunden, die man sich nicht entgehen lassen sollte!

Reinhard Mawick

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