„O“ – „I“ – „?“

Debüt von Mette Henriette
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Mette Henriette macht sich nie groß. Reduktion ist das vorherrschende Prinzip.

Oft bestehen die Titel aus einem Wort, manchmal gar nur aus einem Buchstaben oder Satzzeichen: „O“, „I“, „?“ – Fragezeichen? Viele. Das Debüt der jungen norwegischen Saxophonistin Mette Henriette, gleich ein Doppelalbum, hat ja nicht einmal einen Namen. Das Cover: Ein Schwarz-Weiß-Foto, strenger Blick. Man vermutet: Die Frau meint es ernst.

„Zerbrechlich“ und „verletzlich“, sind zwei Vokabeln, die ihre Plattenfirma zur Beschreibung verwendet. Ist die Musik das wirklich? Zart ja, aber zerbrechlich? Kommt einem nicht so vor. Eher kraftvoll, auch in den ganz leisen Momenten, von denen es viele gibt auf dieser CD. Verletzlich? Das mag wohl sein, denn unter der meist spröden Oberfläche schimmert eine dünn wirkende Haut durch.

Mette Henriette Martedatter Rølvåg benennt Improvisationsmusik als Wurzel und als Perspektive: „Ich bin offen für alles, was die Zukunft sein will, aber das Improvisieren wird ein Teil davon sein“, sagt sie. Und: „Die freie Improvisation ist generell meine Art, mich dem Leben zuzuwenden.“ Daneben aber seien akustische Landschaften in ihrem Kopf gewachsen – Klänge, denen sie in einem acht Jahre währenden Prozess eine Struktur gegeben hat, so dass ihr Erstling nun durchweg auskomponierte Stücke enthält – drei davon hat der Pianist Johann Lindvall zum Album beigetragen.

Wie man diese Landschaften nun einordnen soll, ist schwer zu sagen. Eher vom Jazz herkommend, hat Mette Henriette sich für die Aufnahmen außer mit VertreterInnen der Jazzszene auch mit klassisch orientierten Musikerinnen und Musikern zusammengetan. Die erste CD ist als Trio eingespielt – Saxophon, Klavier, Cello; die zweite in größerer Besetzung, zu der – neben Blas- und Streichinstrumenten, Bandoneon und Schlagwerk – auch das komplette Cikada-Quartett gehört. In beiden Versionen changiert die Musik zwischen den Welten, gehört weder hier- noch dorthin.

Und ob im Trio oder mit vielköpfiger Unterstützung: Mette Henriette macht sich nie groß. Reduktion ist das vorherrschende Prinzip. Eine hervorstechende Eigenschaft der Künstlerin ist es, den anderen viel Raum zu lassen. Ebenso der Stille. Dann aber, im genau richtigen Augenblick, setzt das Saxophon ein, blüht auf für kurze Zeit und verstummt wieder.

So ist es eine Platte zum öfter Hören. Mette Henriette verrät, dass sie sich beim Musizieren oft Szenen, Gerüche, Geschichten vorstellt. Die wenigsten werden wissen, wie es in Trondheim riecht. Aber es ist spannend, in der Musik danach zu suchen.

Mette Henriette. ECM 2460/61. 2-CD, Euro 23,–

Ralf Neite

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