Lehrreich

Lutherische Bekenntnisschriften
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Wer zuvor einen Bogen um diese Bekenntnis-Texte machte, dem wird nun Lust aufs Lesen gemacht.

Die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche, das war ein seit 1930 in dreizehn Auflagen erschienener blauer, mit goldenen Lettern gezierter dicker Band, der Generationen von evangelischen Theologiestudierenden in Staunen versetzte. Ohne begleitende Proseminare war diesem über weite Strecken in Fraktur gesetzten, zweispaltigen, lateinisch-deutschen Textkonvolut nicht beizukommen. Damit ist nun Schluss.

Der Mainzer Reformationshistorikerin Irene Dingel ist gemeinsam mit einem prominenten Herausgeberkreis die Mammutaufgabe geglückt, eine vorzüglich zugängliche Neuedition vorzulegen. Hinter ihr liegen zwei Jahrzehnte harter Arbeit. Diese Neuedition der Bekenntnisschriften überzeugt durch ein übersichtliches klares Satzbild und führt alle, die sie aufschlagen, mit klug geschriebenen knappen Einleitungen an die jeweiligen Bekenntnistexte heran. Wer zuvor einen Bogen um diese Texte machte, von denen ein Daniel Friedrich Ernst Schleiermacher mit Recht behauptete, dass nur sie einen verlässlichen konfessionsspezifischen Zugang zu den biblischen Texten eröffneten, dem wird nun Lust aufs Lesen gemacht.

Nicht länger müssen diese kirchenpolitisch so relevanten Texte als starre Lehrnormen zitiert werden. Sie erschließen sich in dieser neuen Gestalt als Wegweiser eines vitalen theologischen Urteilsprozesses, um den aus Gründen religiöser Prägnanz gerade dieser Tage niemand herumkommen wird. Denn Schleiermacher prägte auch dieses ein: Die Verfasser der Bekenntnisschriften „waren Theologen wie wir; und wir haben denselben Beruf Reformatoren zu sein wie sie, wenn und so weit es nöthig ist, und wenn und so weit wir uns geltend machen“. Dazu gibt diese Neuedition die Gelegenheit. Denn sie befähigt zur eigenständigen Auseinandersetzung mit dem Kernbestand lutherischer Bekenntnistradition.

Wie die Vorgängeredition dokumentiert sie den Textbestand der ersten Ausgabe des so genannten Konkordienbuches, das zum fünfzigjährigen Jubiläum der Übergabe der Confessio Augustana auf dem Augsburger Reichstag gedruckt erschien. Sie bietet dabei die in der Reformationszeit gängige Version dieser Texte, wie sie wirklich rezipiert und so kirchenpolitisch wirksam wurden. Mögliche Urfassungen der jeweiligen Schriften kann sich aber, wer will, durch einen umfassenden textkritischen Apparat erschließen.

Abgesehen von einem professionellen Registerwerk, das bei gezielter thematischer Suche rasch informiert, besticht die Neuedition auch durch schöne Details wie dem folgenden: Im lateinischen Konkordienbuch von 1584 erschien der Kleine Katechismus Martin Luthers mit bildlichen Darstellungen. Diese sind nun erstmals wieder abgedruckt. Diese Neuedition der Bekenntnisschriften ergänzen zwei Bände mit „Quellen und Materialien“. Vor allem der zweite dieser Materialbände liest sich wie ein Kriminalroman zur verzwickten Entstehungsgeschichte des Konkordienbuches, beide aber informieren hilfreich über Vorgeschichte und Wirkungen der lutherischen Bekenntnisschriften. Diese Neuedition gehört in jedes theologische Bücherregal. Sie zählt sicher zu den entscheidenden Publikationsleistungen im Rahmen des Reformationsjubiläums 2017.

Stephan Schaede

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Stephan Schaede

Stephan Schaede, (*1963) ist  Leiter des Amtsbereichs der VELKD
und Vizepräsident im Kirchenamt der EKD in Hannover. Zuvor war der promovierte Systematische Theologe von 2021 an Regionalbischof im Sprengel Lüneburg und von 2010 bis 2020 Direktor der Evangelischen Akademie in Loccum.

 


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