Zauberhafte Zweisamkeit

Alpiner Barockn´Roll
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Diese CD ist ein großes Glück für die Ohren, die Füße und ein Glück für die die Schwingen ausbreitende Seele.

Auch wenn Hermann Hesse als stilistischer Spätromantiker der barocken Affektenlehre eher fernsteht - er war lange Jahre in den Tessiner Alpen zu Hause und hat für diese klingende barocke Überquerung eine Beschreibung, die so klingt: Es ist ihr ein „Glanz eigen, wie der Blitz in der Wolke wohnt in einer kurzen Silbe, die so schmelzend und lächelnd mit GL beginnt, im Ü so lachend ruht und so kurz, und im CK so entschlossen und knapp endet“. Es ist ein Klang „zum Lachen und zum Weinen“, eine Musik „voll Urzauber und Sinnlichkeit … Kein Zweifel … sie ist „eins und rund, vollkommen, aus dem Himmel oder aus der Erde wie Sonnenlicht oder Blumenblick.“

Was immer in der Regel am Ende einer Rezension stehen soll, hier muss es an den Anfang: diese CD ist ein großes Glück - ein Glück für die Ohren, ein Glück für die Füße, ein Glück für die die Schwingen ausbreitende Seele - und ein Glück, dass sich mit jedem erneut staunenden Hören ohne weiteres Zutun verdoppelt. "ombra e luce" - Geiger Georg Kallweit und Lautenist Björn Colell - spiegeln eine Welt der klingenden Gebärde, eine Welt des Einsseins mit und in der Welt. Die schmeckt den Ohren wie die fruchtigen Jahreszeiten des Giuseppe Arcimboldo und riecht in ihrer atemberaubend zelebrierten Virtuosität nach ekstatischer Seligkeit, wie sie nur in zauberhafter Zweisamkeit entsteht und aufgeht.

Das Glück dieser klingenden Vertrautheit liegt in dem virtuos verflochtenen Vielklang ihrer Zweisamkeit. Es scheint, als wäre erst diese Intimität und das Zusammenspiel der beiden Instrumente und ihrer kongenialen Virtuosen Bedingung für das Aufscheinen und Entdecken verbal verborgener Affekte. Jedes Instrument ist eins und begegnet dem anderen doch mit vielen Saiten. Dem Strich begegnet das Schlagen, dem Zupfen das Flageolett, der Melodie der Akkord. Gleich der Beginn dieser CD, Johann Heinrich Schmelzers (ca. 1620-1680) „Sonatae unarum fidium, seu a violino solo“ (Nürnberg, 1664) ist von so bezaubernder Innigkeit und gleichzeitiger Leichtfüßigkeit, die alle Hingabe schwerelos macht. Ähnlich leichte Füße ruft Johann Joseph Vilsmayrs (1663-1722) sechsteiliges „Artificiosus concentus pro camera“ hervor. Raffiniert und brillant illusionistisch ist das „Musicalisch Uhrwerck“, das beide Protagonisten bei höchst uhrwerklicher Präzision zu lustvoll fulminanter Rasanz verführt. Die gereicht nicht nur dem Komponisten zur Ehre, sondern macht doppelt deutlich, was für Künstler und Könner hier aufspielen und uns beschwören. Bravissimo e meravigliosa!

Klaus-Martin Bresgott

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