Rechtfertigung und Gerechtigkeit

Reformierte Weltgemeinschaft stärkt Ökumene
Foto: privat

Nun also doch. Beinahe 18 Jahre nach ihrer Unterzeichnung am 31. Oktober 1999 haben sich die Reformierten der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre (GE) angeschlossen. 2001 hatte der Reformierte Weltbund auf einer Konsultation in Columbus/Ohio die Möglichkeit eines Beitritts zur GE ausdrücklich abgewiesen, weil er sich von ihr nicht wirklich angesprochen sah. Jetzt aber hat sich die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, in die sich der Weltbund 2010 entwickelt hat, im Rahmen seiner 26. Generalversammlung in einem feierlichen Akt in der Stadtkirche Wittenberg am 5. Juli zur GE „assoziiert“ (siehe auch Seite 14).

Während 2001 in Columbus die Delegation des Weltrats der Methodistischen Kirche eine Empfehlung zum Beitritt zur GE formulierte, der dann 2007 auch vollzogen wurde, wurden von der reformierten Delegation, der auch ich angehört habe, vor allem Bedenken formuliert. Die GE sei zu rückwärtsgewandt, bezöge sich auf die Verwerfungen zwischen der römisch-katholischen Kirche und den Lutheranern, lasse keine auf die Gegenwart bezogene Aktualisierung des Rechtfertigungsverständnisses erkennen und sei einem am verbindlich formulierten Lehrkonsens fixierten Ökumeneverständnis verpflichtet, das streng genommen nur für die römisch-katholische Kirche nachvollziehbar sei. Schließlich sei auch die unauflösliche Verbindung von Rechtfertigung und Heiligung weithin ausgeblendet, so dass die ethische Bedeutung der Rechtfertigungslehre unterbelichtet bleibe, was insbesondere von den Kirchen des Südens angemahnt wurde, die aus nachvollziehbaren Gründen sich mit der ganzen Diktion des Textes nicht anfreunden konnten. Diese Einwände sind bis heute nicht wirklich ausgeräumt und lassen sich auch nur teilweise ausräumen. Es sind vor allem zwei Gründe, welche die Reformierten nun doch dazu bewegt haben, der GE beizutreten. Einerseits galt es öffentlich dem Eindruck entgegenzutreten, als sei die Nähe der Lutheraner zur römisch-katholischen Kirche enger als zu den Reformierten. Zudem sind Lutheraner und Reformierte entschlossen, ihre Gemeinschaft auch sichtbar weiter zu intensivieren. Und andererseits gibt es auch im Dialog mit der römisch-katholischen Kirche Fortschritte im Horizont des Themas Kirchengemeinschaft, in denen die Fragen der Weltverantwortung eine fundamentale Rolle spielen. In beiden Bereichen bestand die Gefahr, dass die Zurückhaltung zur GE den Reformierten gleichsam als eine Hemmung für eine glaubwürdige Vertiefung der Gemeinschaft entgegenschlägt.

Auch wenn diese kirchenpolitischen Motive für den Beitritt zweifellos eine große Rolle spielen, sind die theologischen Reibungspunkte keineswegs einfach verdrängt worden. Ebenso wie die Methodisten haben auch die Reformierten der GE ein eigenes Dokument hinzugefügt, das einerseits mit eigenen Formulierungen den Konsens in der Rechtfertigungslehre bekräftigt und zugleich auch die eigenen Zugänge und vor allem auch aktuelle Konsequenzen annonciert. Möge dieser Schwung nun auch weitere Früchte hervorbringen.

Michael Weinrich

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