Schlüssel, Schloss, Kaiserlautern

Ausstellung über die Risiken und Chancen von Big Data
Foto: pixelio/Dietmar Meinert

Mit spärlichen Resten eines Palastes des Stauferkaisers Friedrich I. verbindet man die pfälzische 100.000-Einwohner-Stadt zunächst - und mit traditionsreichem Fußball, der hier nun aber recht gemächlich rollt. Wer sich dem inmitten des weiten Pfälzer Waldes gelegenen Kaiserslautern nähert, erwartet Hochtechnologie wohl weniger.

Eine (technische) Universität gibt es dort freilich auch, zudem zwei Fraunhofer- und ein Max-Planck-Institut, derentwegen man sich auf dem Weg zur Stadt der Wissenschaft und Informationstechnologie sieht. Wenn im Museum Pfalzgalerie hier nun eine Ausstellung dazu einlädt, sich unter dem Titel „Ohne Schlüssel und Schloss?“ Gedanken zu machen über, so der Untertitel, „Chancen und Risiken von Big Data“, dann folgt dies also doch eher Berechnung und Kalkül, als dass es Grund zum Wundern gäbe.

Zum Mitdenken und -machen wird gleich zum Auftakt der Schau aufgefordert: Wer beim Eintritt unvollständige oder falsche Daten angibt, bekommt ihn verwehrt. Der Bildschirm, der am Anfang steht, ist ein Gesichtsscanner, und der will angelächelt werden, damit die Ampel auf Grün umspringt. Das soll lehren: Informationen weiterzugeben hat Konsequenzen. Umso merkwürdiger aber, dass heute von so vielen in sozialen Netzwerken oder beim Einkauf per Internet Informationen mir nichts, dir nichts preisgegeben werden. Internetriesen sammeln Daten über ihre Nutzer, die sie für geschäftliche Interessen nutzen wollen.

Ihr zwiespältiges Gebaren prangert der Grafikkünstler Klaus Staeck an, wenn er Albrecht Dürers Holzschnitt „Die apokalyptischen Reiter“ die Namen der Internetriesen Amazon, Apple, Facebook und Google aufdruckt. Auch das macht klar, dass es hier um kritische Aufklärung geht, wobei dies weniger mit Werken der Bildenden Kunst geschieht. Es gibt aber etwa noch Timm Ulrichs anregende „Kritik der reinen Vernunft“ (1977/78) zu betrachten. Kants gleichnamige Schrift liegt hier auf einem einfachen Holztisch, dessen eines, zu kurzes Bein behelfsweise auf der „Kritik der praktischen Vernunft“ steht. Soll heißen: Diese Vernunft ist schnell hilfreich zur Hand, es geht indes ebenso um theoretischen Vernunfteinsatz.

Der größte Teil der Schau ist kulturhistorisch ausgerichtet und geht der Geschichte der Geheimhaltung und Verschlüsselung nach - und damit auch der Geschichte der Privatsphäre. Erklärvideos gibt es zu sehen, Poesie- und Tagebücher - und jede Menge historische Schlüssel und Schlösser. Der Einfallsreichtum ihrer aufwändigen Gestaltung verrät auch etwas über die Bedeutung. Heutzutage entsprechen dem Sicherheitsbedürfnis ebenso ausgestellte ausgeklügelte Überwachungsanlagen oder Körperscanner, die auch wieder den problematischen Nebeneffekt der Datensammlung mit sich bringen.

Nicht nur kulturhistorisch interessant ist der kleine Ausstellungsteil zum Heiligen, dem exklusiven Bereich, in dem sich nur Eingeweihten erschließt, was sonst verborgen bleibt. Mit ein wenig Phantasie lässt sich ja auch das leicht auf öffentlichen und privatwirtschaftlichen Umgang mit Personendaten beziehen.

Das Nachdenken über digitalen Fortschritt befördert die Ausstellung noch mit einer interaktiven Smartphone-App. Sehens- und bedenkenswert ist sie so oder so. Sie leistet einen Beitrag zur notwendigen gesellschaftlichen Diskussion über den digitalen Fortschritt; denn der will bewertet und gestaltet werden und ist keine Himmelsmacht, der man sich schlicht zu unterwerfen hätte - auch wenn viele diesen Anschein wohl erwecken wollen.

Info: Bis 18. Februar 2018 im Museum Pfalzgalerie Kaiserlautern, Museumsplatz 1. Dienstag 11-20, Mittwoch - Sonntag 11-17 Uhr.

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Thomas Groß

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