Glanz aus Innen

Wetterleuchten mit Oboe
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Diese CD ist eine für den erwachenden Morgen.

Diese CD ist eine für den erwachenden Morgen. Für das Licht. Für den schwerelosen letzten Tanz der Elfen, ehe sie durch die Membran der Zeit für eine Taghelle entschwinden. Der begnadete Nicholas Daniel eröffnet darum auch diese Stunde Oboenzauber mit Mozarts Kleinod der Glückseligkeit, dem Oboenquartett KV 370 – Mozart einzigem Kammermusikwerk für Solo-Oboe.

Lässt man sich von diesem Werk in dieser bravourös schwebenden Fassung des Britten Oboe Quartet einhimmeln, weiß man, warum es bei diesem einen blieb. Mehr Glanz aus Innen hat seit J. S. Bach und Alessandro Marcello niemand mehr diesem Instrument angedeihen lassen. Mehr Himmel war nie, fortgesetzt im Adagio für English Horn K 580a, das Nicholas Daniel gekonnt komplettiert hat. Aber ach, eben noch über den Wolken, wollen eben dieser Nicholas Daniel, der bravourös den silbertönenden Meister gibt, und die streichenden Damen des Quartetts – die hinreißende Parcourmeisterin Jacqueline Shave an der Violine, die galante Clare Finnimore an der Bratsche und die alle Mäander mit unbestechlich reizender Genauigkeit nehmende Caroline Dearnley am Cello – doch noch bleiben.

Und in der gesten- und kontrastreichen Wirklichkeit des Engländers Benjamin Brittens (1913–1976) und des Schotten Oliver Knussens (*1952) – den man spätestens jetzt kennen muss, weil er die Farben seines Innern mit skurrilem Witz, technisch aberwitziger Brillanz und ästhetisch raumgreifenden Stimmungsumschwüngen in hinreißende Musik für diese Vier gießt, die zum klingenden Wetterleuchten par excellence wird. Die Cantata op. 15 wurde ebenso wie die Phantasy op. 2 von Benjamin Britten ursprünglich der Oboistin Janet Craxton (1929–1981) auf den Leib und ins Instrument geschrieben. Ihr ist nicht nur diese CD gewidmet. Ihr Schüler Nicholas Daniel hatte auch die kluge Idee, mit der Aufnahme dieser Werke nicht nur ihr ein Denkmal, sondern auch dem Britten Oboe Quartet ein dramaturgisch ausgesuchtes, grandioses CD-Debüt zu bescheren. Abgerundet wird dieses mit dem fünfsätzigen „Quatuor pour cor anglais, violon, alto et violoncelle“ des die Welt picassohaft skizzierenden Jean Francaix (1912–1977). Sein Werk wirkt in seiner Linienführung und schraffierenden Harmonik wie ein Kontrapunkt zur Cantata Oliver Knussens. Auf dessen Staffelei wechseln vielfach einander überlagernde, kompakte Hypnosen mit autark heraus tretenden Linien, die am Ende immer mit neuer Ernte zurückkehren. Francaix erscheint transparenter, steht Knussens Humor in Nichts nach und verrät die Größe eines Komponisten, die im exquisiten Spiel auch die der Ausführenden ist.

Klaus-Martin Bresgott

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