Gewissenhaft

Für die Priesterweihe von Frauen
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Wer Wilfried Härles Buch "Von Christus beauftragt" in die Hand nimmt, sollte parallel dazu zu Christiane Florins "Der Weiberaufstand" greifen.

Der Trend zum Zweitbuch wird immer stärker. So witzelten wir Theologiestudenten gelegentlich, wenn wir uns über die Lesefaulheit von Kommilitonen lustig machen wollten. Im vorliegenden Fall hingegen ist die Frotzelei eher als Lektüreanleitung zu verstehen. Wer Wilfried Härles Buch Von Christus beauftragt in die Hand nimmt, sollte parallel dazu zu Christiane Florins Der Weiberaufstand greifen. Die katholische Journalistin und der evangelische Theologe bewegen sich auf zwei unterschiedlichen Wegen dem gleichen Ziel entgegen. Mit einer kristallin funkelnden Polemik entlarvt Florin den Widerstand vor allem der katholischen Männerhierarchie gegen die Frauenweihe als teils denkfaule, teils impertinent-obsessive Behauptung eigener Machtansprüche. Härles „biblisches Plädoyer für Ordination und Priesterweihe von Frauen“ (Untertitel) gibt den Befürwortern einer gleichberechtigten Zulassung zu den Ämtern einen Schlüsselbund in die Hand, mit dessen Hilfe sich selbst die scheinbar am stärksten verriegelten Türen aufsperren lassen. Die einschlägigen Schriftstellen, die den Ausschluss der Frauen vom geistlichen Amt als ewig gültige Norm, göttliches Gebot oder göttliches Recht festzulegen scheinen, erweisen sich in Härles gewissenhafter, zugleich entschiedener und sanftmütig-irenischer Darstellung wahlweise als Missverständnisse, zeit- oder situationsbedingte und damit überholte Aussagen oder gar als das Gegenteil dessen, wofür sie die Gegner der Frauenordination beanspruchen. Das gilt speziell für die berühmt-berüchtigten Worte im 1. Korintherbrief, wonach die „Weiber“ (so Martin Luthers Übersetzung) in der Gemeinde zu schweigen haben. Härle zeigt, dass Paulus hier lediglich einen störungsfreien Ablauf des Gottesdienstes gewahrt wissen wollte, indem er (unbedarftem) Fragen und Dazwischenreden eine Absage erteilte. Kundige Verkündigung von Frauen dagegen steht buchstäblich auf einem anderen Blatt, wie Härle anhand anderer Stellen der gleichen Epistel zeigt, in denen weibliche Prediger für Paulus völlig selbstverständlich waren.

Im Zentrum von Härles Argumentation steht die im Galaterbrief (3, 28) formulierte Aufhebung der Geschlechterdifferenz als Begründung von Rollenunterschieden in der Gemeinde. Nach Härles ebenso knapper wie luzider Darlegung steht der Leser kopfschüttelnd vor der Frage, wie „man“ in den christlichen Kirchen immer noch stur behaupten kann, das Frausein als solches mache ein kirchliches (Leitungs-)Amt samt der „Repräsentation“ Jesu Christi unmöglich.

Härle zeigt sich darüber bekümmert und bezieht sich mehrfach auf den jüngsten Beschluss der Lutherischen Kirche Lettlands, die Frauenordination wieder abzuschaffen. Demgegenüber lobt er ausdrücklich die (allerdings bislang folgenlosen) Gesten der Öffnung von Papst Franziskus im Bereich der römischen Kirche. Die Erhebung des Gedenktages der heiligen Maria Magdalena „in denselben Grad eines Festes“, wie es im Römischen Generalkalender den Aposteln zukommt, nimmt Härle als ein klares Indiz für die Gleichrangigkeit männlicher und weiblicher Apostel - ein schöner, fast rührender Ausdruck seines Vertrauens in das altkirchliche „lex orandi - lex credendi“.

Dass einem Durchbruch dieses Prinzips die Hartleibigkeit der kirchlichen Traditionalisten - Florin würde sie „Machos“ nennen - entgegensteht, weiß Härle auch. In den Fußnoten blitzt hier und da sein Ärger darüber auf und jener Sarkasmus, den Florin argumentativ wie stilistisch ins Zentrum ihrer Streitschrift gehoben hat.

Darum scheiden sich beider Geister - bei gleichem Verständnis und Interesse - dann in der Handlungsempfehlung. Härle rät den Frauen, seinem Habitus gemäß, zur Geduld und zum Dienst gleichsam unter umgekehrtem eschatologischem Vorbehalt: „Das hieße, ein kirchliches Amt, das trotz vorhandener Qualifikation noch kein Pfarramt ist, auszuüben, als sei es eines, also: es nicht zu haben, als hätte man (Frau) es bereits.“ Florin würde da wohl nicht mitgehen. Sie ruft zum Aufbegehren der Frauen in der Kirche, bevor es zu ihrem endgültigen Auszug aus der Kirche kommt. Und sie ist überzeugt: „Wo ein Wille ist, ist auch eine Weihe.“

Ein Segen, wenn beide bald Recht bekämen.

Joachim Frank

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