Herrliche Klänge

Chorsammlung neu entdeckt
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Häppchenweise erblickten sie bereits während des aufsehenerregenden Kantatenringes beim diesjährigen Leipziger Bachfest wieder das Licht der großen Konzertwelt, die Motetten und Hymnen des Florilegium Portense, einer Sammlung verschiedener Stücke deutscher, italienischer und franko-flämischer Meister der Spätrenaissance und des Frühbarocks. Sie unterteilten die Aufführung der Bachkantaten und wurden interpretiert von den Starensembles unter John Eliot Gardiner, Ton Koopman und Masaaki Suzuki, die mit einzelnen dieser Werken musikalische Zäsuren beziehungsweise Atempausen zwischen den einzelnen Kantaten setzten (vergleiche zz 7/2018).

Klänge, die schon damals als Pausenfüller aufhorchen ließen, auch wenn die Interpreten des Bachfestes den Werken nicht immer so viel Sorgfalt und musikalisches Feingefühl angedeihen ließen, wie die Interpreten der jetzt erschienenen CD mit dem Vocal Concert Dresden unter der Leitung von Peter Kopp. Der Chor klingt beim ersten Hören - und das ist jetzt wirklich als Kompliment gemeint - wie ein Knabenchor. Allerdings von einer Güte, wie er zurzeit auf Erden wohl nicht zu finden wäre: frisch und kernig, dabei immer wieder sensibel, klangschön und mit Sinn für Text und Phrasierung. Herrlich! Im Zusammenspiel mit dem Instrumentalensemble Cappella Sagittariana Dresden entfalten Kopps Sängerinnen und Sänger einen Klang, den man wieder und wieder hören möchte. Das liegt auch an der geschickten abwechslungsreichen Auswahl, zum Beispiel bereits am Anfang mit der festlichen, wohlig-kontrolliert ekstatischen Psalmhymne „Benedicam Dominum in omni tempore“ (Ich will den Herrn loben allezeit) von Hieronymus Praetorius, die gefolgt wird von der ganz anderen, grübelnden, düster-zurückhaltend eingefärbten Hassler-Motette „Si bona suscepimus“ mit einem Text aus dem Buch Hiob („Haben wir Gutes empfangen von der Hand Gottes, sollten wir dann nicht das Böse auch annehmen?“).

Aber auch der editorische Wert dieser Einspielung ist kaum zu überschätzen, hebt sie doch zumindest einen Bruchteil der etwa 150 Werke, die um 1600 im Gymnasium Schulpforta von den dort tätigen Kantoren Erhard Bodenschatz und Seth Calvisius erstmals gesammelt und 1618 im Druck als „Florilegium Portense“ (Pfortaer Blütenlese“) veröffentlicht wurden, wieder ans Licht.

Die Sammlung prägte zweihundert Jahre lang den Chorgesang in Mitteldeutschland. Noch 1729 ließ Johann Sebastian Bach für die Thomaner neue Stimmbücher dieser Sammlung anschaffen, erst sein Nachnachnachfolger Johann Adam Hiller mottete sie 1790 ein. Die Einspielung ist für alle, die gesungenen klaren guten Klang Alter Meister lieben, sehr zu empfehlen. Es sollen in Bälde auch die Noten wieder veröffentlicht werden. Hoffentlich dauert es nicht zu lange, denn schon jetzt verspürt man beim Hören große Lust, voll Freude mitzusingen .

Reinhard Mawick

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