Bremsen hilft

Die mitteldeutsche Landeskirche und das Tempolimit
Foto: Rolf Zöllner

Braucht Deutschland ein generelles Tempolimit auf den Autobahnen? Seit Anfang des Jahres entsprechende Überlegungen aus einem Beratergremium der Bundesregierung an die Öffentlichkeit kamen, wird heftig diskutiert. Die Nation ist gespalten, nach einer Umfrage sind 51 Prozent der Befragten für ein Tempolimit von 130 km/h und 47 Prozent dagegen. Kaum verwunderlich, dass die Bundesregierung aus Angst vor gelben Westen auch in Deutschland das heiße Thema schnell abmoderieren wollte.

Das ist nur zum Teil gelungen. In die aufgeheizte Stimmung hinein hat die Evangelische Landeskirche von Mitteldeutschland (EKM) eine öffentliche Petition gestartet. Kommen bis zum 2. April 50.000 Unterschriften für ein generelles Tempolimit zusammen, gibt es eine öffentliche Anhörung im Petitionsausschuss. Die Landeskirche spricht sich dabei klar für das Tempolimit aus, mit guten Argumenten. Dabei ist der Klimaschutzeffekt mit einer geschätzten Einsparung von zwei Millionen Tonnen im Vergleich zu den gut 160 Millionen Tonnen Kohlendioxid, die durch den Straßenverkehr in die Luft geblasen werden, nicht das stärkste Argument. Aber da ist ja noch der geringere Reifenabrieb, der eine der großen Quellen für das Mikroplastik im Meer ist. Und nicht zuletzt die Zahl der Verkehrstoten, die auf Abschnitten mit Tempolimit um rund ein Viertel sinkt.

Allerdings geht es in den vielen wütenden Kommentaren, die die Landeskirche per Mail oder auf ihrer Facebook-Seite erreicht haben, häufig nicht um die sachlichen Argumente, sondern um die Grundsatzfrage: Darf Kirche sowas? In einer Zeit, in der ihr immer wieder vorgeworfen wird, sie würde sich viel zu (partei)-politisch äußern? Und gerade in Ostdeutschland, wo die Zahl der Kirchenmitglieder gering, die Skepsis gegen politische Moral „von Oben“ aber umso größer ist?

Ja, sie darf es. Denn durch die Petition wird ja keine Predigt weniger gehalten, kein Seelsorgegespräch abgesagt und keine diakonische Einrichtung geschlossen. Das nur zum Hinweis an die, die fordern, dass sich Kirche lieber um die Verkündigung des Evangeliums kümmern soll. Sie vergessen, dass der Einsatz für die Schöpfung ebenso Teil einer solchen Verkündigung ist wie die Rede über Jesus von Nazareth. Zudem ist die EKM beim Umweltschutz auch an anderen Stellen sehr weit, sie produziert den von ihren Gemeinden und Einrichtungen verbrauchten Strom selbst mit eigenen Windkraftanlagen und rüstet Pfarrer auf dem Land zumindest testweise mit Elektroautos aus. Insofern passt eine Aktion wie diese zu dieser Landeskirche.

Eine Kritikerin hatte per Facebook angemahnt, dass man vor dem Start der Petition eine Mitliederbefragung zu dem Thema hätte durchführen müssen. Das ist zu hochgegriffen, denn eine solche aufwändige Befragung sollte doch den Themen des kirchlichen Kerngeschäftes vorbehalten bleiben. Man hätte den Kritikern aber vermutlich ein wenig Wind aus den Segeln genommen, wenn die Synode den Beschluss zu dieser öffentlichen Petition gefasst hätte und nicht allein der Landeskirchenrat. Auch eine andere Landeskirche oder gar mehrere und katholische Bistümer von Anfang an mit ins Boot zu holen, wäre hilfreich gewesen, um die Aktion auf eine breitere Basis zu stellen. Denn der Einsatz für eine gute Idee kann nie zu viele Unterstützer haben.

Stephan Kosch

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Foto: Rolf Zöllner

Stephan Kosch

Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen". 


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