Gedeckter Tisch

Klartext
Dorothee Löhr, Pfarrerin in Mannheim Foto: Elias Bendahan
Dorothee Löhr, Pfarrerin in Mannheim Foto: Elias Bendahan
Die Gedanken zu den Sonntagspredigten in den nächsten Wochen stammen von Dorothee Löhr, Pfarrerin in Mannheim.

Sieben Übungen

Trinitatis, 16. Juni

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! (2. Korinther 13,13)

Der Apostel Paulus grüßt alle Mitglieder der Gemeinde in Korinth, indem er eine siebenfache geistliche Gemeinschaftsübung vorschlägt. Er verabschiedet sich trinitarisch und erdet den Segen des dreieinigen Gottes durch den Heiligen Kuss (Vers 12) - mit siebenfachem Siegel zum Weitergeben. Er verweist die Heiligen auf ihre geistliche Verbindung an ihrem Ort, indem er sie in die trinitarische geistliche Gemeinschaft Gottes einbezieht: 1. Freut euch. 2. Lasst euch zurechtbringen. 3. Lasst euch mahnen. 4. Habt einerlei Sinn. 5. Haltet Frieden. 6. Grüßt einander. Und 7. Lasst euch grüßen von allen Heiligen.

Viele Zeugnisse

1. Sonntag nach Trinitatis, 23. Juni

Ihr sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin; und sie ist’s, die von mir zeugt. (Johannes 5,39)

Das Zeugnis Jesu wird nicht von allen Leuten angenommen. Es ist vielmehr umstritten, damals wie heute. Normalerweise werden Zeugnisse den Schülern vom Lehrer ausgestellt. Aber oft sind sie umstritten, werden unter- und überschätzt. Am genausten dürften die Zeugnisse zutreffen, die mehrere Leute übereinstimmend abgeben. Auch vor Gericht ist ein Zeugnis von zwei Zeugen aussagekräftiger als eines Einzelnen.

Das erste Zeugnis für Jesus gibt Johannes der Täufer ab: Sohn Gottes, Mittler des Himmels, Messias und Lamm Gottes. Johannes sagt: Jesus muss wachsen, ich muss abnehmen.

Zeugnisgeben heißt im griechischen martyrein. Ein Zeuge ist also ein Märtyrer. Unter Christen gibt es - auch heute noch - Blutzeugen, aber Gott sei Dank auch Zeugen, die nur eines natürlichen Todes sterben. Bis heute stehen viele Zeugen zu Jesus, legen ihm und anderen gegenüber ein wahrhaftiges Zeugnis ab.

Ein größeres Zeugnis als das Wort des Johannes sind die Taten Gottes, die Jesus vollbringt. Gerade hat er einen Gelähmten geheilt, der vergeblich darauf gewartet hatte, dass ihn jemand zur Heilquelle am Teich von Bethesda bringt. Jesus hat den Willen Gottes vollendet. Und dann wird er die Jünger ermächtigen, sich auch um das leibliche Wohl seiner Zuhörer zu kümmern. Jesus wird Gott bitten, dass alle satt werden. Und er beteiligt seine Jünger bei der Speisung der Fünftausend an der Leib- und Seelsorge.

Tatzeugen sind oft eindrucksvoller als Wortzeugen. Und besonders überzeugend ist, wenn Wort und Tat zusammenpassen. Wie bei Jesus. Das anerkennen selbst diejenigen, die mit Jesus nichts anfangen können, stellen ihm das Zeugnis der Liebe aus.

Jesus kann noch weitere Zeugenaussagen beibringen: Niemand hat Gott gehört oder gesehen, aber bei seiner Taufe am Jordan ist Gottes Stimme erklungen: „Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Zwei Zeugen kann Jesus also für sich anführen. Er erinnert an eine menschliche und eine göttliche Stimme. Die Stimme des Johannes und die Himmelsstimme stimmen überein.Am Ende des Evangeliums vom reichen Mann und dem armen Lazarus sagt Jesus: „Hören sie Mose und die Propheten nicht, so würden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.“ Ohne die mosaische Nächstenliebe wäre auch das Zeugnis von der Auferstehung vergeblich. Glauben heißt, das Zeugnis Jesu für sich und andere annehmen. Es gibt keinen Unterschied zwischen dem Zeugnis der Schriften und dem Zeugnis seiner Person. Jesus wirft seinen Gesprächspartnern nicht vor, dass sie die Heiligen Schriften erforschen und darin das ewige Leben suchen. Im Gegenteil. Sein Vorwurf lautet: Ihr wollt das Gute, aber nicht so, wie Gott es euch im lebendigen Menschensohn, dem fleischgewordenen Wort gibt.

Aber es kann beim Lippenbekenntnis nicht bleiben. Beim reichen Mann vor der Haustür lag nämlich Gott selbst. Ja, er kann auf Erden gefunden werden, sogar vor der eigenen Haustür. Da sind sich Mose und Johannes und Jesus einig.

Es geht nicht darum, dass wir in Familienzirkeln und geschlossenen Gesellschaften Gleichgesinnter bleiben und uns gegenseitig Ehre erweisen. Gott die Ehre zu erweisen, bedeutet jedenfalls auch, dem Fremden und Bedürftigen Ehre zu erweisen. Das bezeugen Jesus und Mose gemeinsam. Es geht bei Jesus nicht um diejenigen, die in einer Blase leben und sich selbst die besten Zeugnisse ausstellen. In einer solchen kann es nämlich passieren, dass man sich gegenseitig so viel Ehre zuspricht, dass eine Hand die andere - auch gegen Gottes - Willen wäscht, die eine Krähe der anderen kein Auge aussticht. Beim Glauben geht es darum Gott die Ehre zu geben, seine Liebe zu bezeugen, Jesu Zeugnis anzunehmen und weiterzugeben. Auch wer die Hölle auf Erden erleben muss, gehört in Abrahams Schoß. Auch wenn einer nicht an Jesus glaubt, Jesus glaubt an ihn. Auch wenn alle irdischen Zeugnisse gegen jemanden sprechen, wenn man unglaubwürdig, ehrlos und ohne gute Noten dasteht und nicht zum Club der Besten, Sportlichen und Reichen gehört, Jesus stellt ihm und ihr im Auftrag des Schöpfers ein anderes Zeugnis aus. Das Zeugnis des Johannes, der Tat, der Taufe, der Schrift, des Mose, sie alle stimmen mit dem Zeugnis Jesu überein. Wir dürfen es annehmen und weitergeben: Wir sind Kinder Gottes und die anderen auch.

Nachhaltig satt

2. Sonntag nach Trinitatis, 30. Juni

Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen. (Jesaja 55,3)

Der Bund ist geschlossen, der Tisch des Herrn ist gedeckt. Und er vereint Menschen, die sich nicht kennen. Der Tisch, den Gott selbst bereitet, hat eine überraschende Tischordnung. Der Gastgeber ruft, und Fremde kommen. Ja, im Angesicht meiner Feinde deckt er mir den Tisch, teilt Brot und Wort aus. So will es der Psalm Davids, der hier zum Zeugen für die Völker bestellt wird. Da findet kein Schauessen statt, wie beim französischen Sonnenkönig, wo die einen satt werden und die anderen dagegen zuschauen.

Der Tisch steht in der Mitte, ist für mich gedeckt, aber auch für die, die mir gegenübersitzen. Und das Wort, das an diesem Tisch geteilt wird, ist nicht nur wie eine teure Tafelmusik im Hintergrund, derer man auch entbehren kann. Es ist vielmehr Gottes Fundament, die Grundlage, die Verbindung seiner Tischgemeinschaft. Denn so spricht der Gastgeber: Ich selbst sorge dafür, umsonst. Denn keiner hat es sich verdient. Es ist vielmehr eine Überraschung für alle. Für uns, die wir leiblichen Hunger nicht (mehr) kennen, geht es beim Festmahl zum Bundesschluss Gottes darum, dass wir hungrig und durstig bleiben nach Gerechtigkeit und uns nicht mit ungesunden Sättigungsbeilagen begnügen. Man wird auch Fremden gegenübersitzen, damit alle nachhaltig satt werden. So will es der Bund des ewigen Gottes mit uns befristeten Geschöpfen. Hört, so werdet ihr leben.

Sicheres Netz

3. Sonntag nach Trinitatis, 7. Juli

An mir sollte Christus die ganze Fülle seiner Geduld zeigen, bei-spielhaft für alle, die künftig an ihn glauben. (1.Timotheus 1, 16)

Paulus schreibt seinem jungen Mitarbeiter, Ziehsohn und Briefpartner Timotheus von sich. Vorbildlich ist seine Vergangenheit als Gotteslästerer und Verfolger nicht, weil er einst als Überzeugungstäter Christen ins Gefängnis brachte und zusah, wie eine wilde Volksmasse in Jerusalem Stephanus tötete.

Seiner Vergangenheit zum Trotz ist Paulus ein Beispiel dafür, dass ein Mensch sich ändern kann. Ein Vorbild, weil sein Leben ins Bild bringt, wie Jesus wirkt: Er hat ihn plötzlich angehalten. In drei Tagen hat Paulus mit Hilfe der Christen in Damaskus sehen gelernt, wurde von Verblendung geheilt, in die Gemeinschaft Christi hineingetauft, vom Feind zum Freund des verängstigten Häufleins der ersten Christen. Lebenslange Patenschaften spannten sich über die damals bekannte Welt und veränderten sie.

Timotheus braucht von seinem Ziehvater Hilfe in der Multikultigesellschaft von Ephesus. Denn ihm fehlt mit seinem Migrationshintergrund Autorität und der richtige Stallgeruch. Er stammt aus der heutigen Zentraltürkei. Die Mutter ist Jüdin, der Vater Grieche. Paulus hat Timotheus die Leitung der Gemeinde in der Hafenstadt Ephesus zugetraut. Vielleicht sitzt der Völkerapostel schon in Rom im Gefängnis, aber damit beschwert er Timotheus nicht. Er stärkt ihm vielmehr den Rücken, damit er einen guten Job macht, das Vertrauen und die Liebe Jesu Christi weitergibt und dabei milieuübergreifend wirksam wird. Er weiß, auch Zugereiste können dazugehören und an dem gemeinsamen Dienst teilhaben. Ja, sie sind mit ihrem Blick von außen gute Vermittler, Brückenbauer. Vielseitigkeit ist Programm, denn bei Gott kommt es nicht auf Stammbäume oder auf Bildungsstände an. Christsein bedeutet vielmehr: Wir gehören dem Herrn der Welt, es gibt viele Gaben aber einen Geist. Der stärkt unser Vertrauen in Liebe und Gerechtigkeit.

Dafür stehen Paulus und Timotheus ein. Und dafür dürfen auch wir einstehen, gegenüber Kindern und Nachbarn, Freunden und sogar Feinden. Auch wir suchen ja nach verlässlichen Verbindungen und Netzwerken für uns und unsere Kinder. Und wir müssen dazu beitragen, dass solche Netzwerke des Vertrauens auch zuverlässig bleiben. Mancher Politiker beneidet die Kirche um ihre lokalen Strukturen, auch wenn Gemeinden manchmal selbst von Kirchenleuten schlecht geredet werden.

Ob der Zusammenhalt am Ort - zwischen Kirche, Kindergarten, Schule, Altenheim - gelebt wird und gelingt, hängt an der Verbindung von Einzelnen, die sich gegenseitig stärken. So wie Paulus sein Patenkind Timotheus mit einem Brief stärkt, indem er aus seinem Leben erzählt, können auch wir füreinander Paten und Schutzengel sein. Da reichen oft schon Andeutungen, die an früher Erzähltes und gemeinsam Erlebtes erinnern. Das stärkt das Vertrauen und den Zusammenhalt.

Was sind unsere Netzwerke des Vertrauens? Familie, Freundeskreis und vielleicht sogar die Kirche? Und hat Paulus in der Reihe unserer Vorbilder einen hohen Stellenwert? Vielleicht haben auch wir einen Vater, eine Mutter im Glauben? Autoritätsfiguren sind ja in Verruf geraten. Aber Vorbilder brauchen wir, Väter und Mütter im Glauben, die fest im Leben stehen und einen beflügelnden Glauben haben. Wer selber Vorbilder erlebt hat, die schildern konnten, was sie geprägt und ermächtigt hat, was ihr Glauben ist und ihr Gott, kann ebenfalls eine solche Rolle für Patenkinder und anderen Nachwuchs übernehmen.

Dorothee Löhr

Online Abonnement

Sie erhalten Zugang zur gesamten Website und zur kompletten Monatsausgabe als Web-App.

64,80 €

jährlich

Monatlich kündbar.

Einzelartikel

Sie erhalten Lesezugriff für diesen Artikel.

2,00 €

einmalig

Kein Abo.

Haben Sie bereits ein Online- oder Print-Abo?
* Ihre Kundennummer finden Sie auf Ihrer Rechnung. Ein einmaliges Freischalten reicht aus; Sie erhalten damit zukünftig automatisch Zugang zu allen Artikeln.

Ihre Meinung


Weitere Beiträge zu "Kirche"