Im Grünen Winkel

In Neuenhagen bei Berlin verlebte der Schriftsteller Hans Fallada seine produktivsten Jahre
Am Falladaring 10 im brandenburgischen Neuenhagen steht das vom Dichter genannte „Häusel angenehm und bequem, mit Blick ins Grüne“. Heute vermittelt eine Gedenkstätte viel Wissenswertes.
Foto: Gemeinde Neuenhagen bei Berlin
Am Falladaring 10 im brandenburgischen Neuenhagen steht das vom Dichter genannte „Häusel angenehm und bequem, mit Blick ins Grüne“. Heute vermittelt eine Gedenkstätte viel Wissenswertes.

"Uns geht es gut, um nicht zu sagen, noch besser. Es ist hier so schön draußen, so still, das Häusel angenehm und bequem, Blick ins Grüne.“ So steht es in einem Brief, den der Schriftsteller Hans Fallada (1893 – 1947) im Juni 1930 an seine Schwes­ter schrieb.

Mit „draußen“ war der Ort Neuenhagen im Osten Berlins gemeint. Er hatte damals um die 6 200 Einwohner und war „ungefähr eine Bahnstunde“ von der quirligen, lauten Hauptstadt Berlin entfernt. Das „Häusel“ war ein gerade gebautes Siedlungsgebäude mit 54 Quadratmetern Wohnfläche, Zen­tralheizung und Warmwasseranschluss. Ein „Gärtchen, eigentlich nur ein Gärtchenlein“ vervollständigte die Zufriedenheit der jungen Familie, die im Juni 1930 mit nur einem Koffer eingezogen war. Kurz zuvor, im März, war Sohn Ulrich geboren worden.

Das „Häusel“ gehörte zu der 1929/30 gebauten Siedlung „Grüner Winkel“, die bewusst als Gegenstück zu den Berliner Mietskasernen konzipiert war. Heute steht sie als Falladaring unter Denkmalsschutz.

Die Jahre in Neuenhagen gehören zu den produktivsten des Schriftstellers und zu den glücklichsten der Familie. 1931 erschien der Roman Bauern, Bonzen, Bomben und machte seinen Autor bekannt. Innerhalb von 16 Wochen schrieb Fallada in Neuenhagen den in zwanzig Sprachen übersetzten und zweimal verfilmten Roman Kleiner Mann – was nun? Im Juni 1932 erschienen, bescherte er dem Autor Ruhm und Geld. Im November zog die Familie nach Berkenbrück bei Fürstenwalde.

Lohnt es sich, für zwei reichliche Jahre, auch wenn sie für Falladas Entwicklung bedeutsam waren, eine Gedenkstätte einzurichten, zumal da sie keine Originalstücke aus Falladas Besitz vorweisen kann? Einzige Ausnahme: ein Arme-Leute-Teppich, ein auf eine Art Linoleum aufgedrucktes Teppichmotiv. Das Original war nicht zu retten, das Motiv wurde auf eine haltbarere und widerstandsfähigere Unterlage reproduziert und liegt heute im Eingangsbereich, wo es auch zu Falladas Zeiten gelegen hat.

2021 wurde das Fallada-Haus eröffnet. Drei Räume, Wohnbereich mit Küche im Erdgeschoss, Schlaf- und Arbeitszimmer in der oberen Etage zeigen nicht nur, wo und unter welchen Umständen das literarische Werk entstand – das leisten andere Museen auch. Das Besondere des kleinen Neuenhagener Museums besteht darin, dass es Fallada nicht isoliert zeigt, losgelöst von seiner Umgebung, sondern den Schriftsteller, sein Haus, seine Familie eingebettet in ein Gemeinwesen kurz vor dem Machtantritt der Nationalsozialisten. Fotos aus den 1920er-, 1930er-Jahren und Dokumente über den zeitgenössischen Siedlungsbau zeigen ein zwar noch beschauliches, aber sich bereits auch industriell entwickelndes Dorf am Rande der Metropole. Die Bewohner der Siedlung gehörten nicht zu den ganz Armen und auch nicht zu den Reichen. Die meisten fuhren täglich nach Berlin zur Arbeit. Der Bahnhof war gut zu erreichen, ebenso das damalige Dorfzentrum. Das war etwas anderes als die möblierten Zimmer in Berlin, die Fallada mit seiner Frau bewohnt hatte. „Es ist fabelhaft gemütlich bei uns“, schwärmt Fallada. „65 Mark Miete“ findet er nicht zu viel für sein Glück. „Es ist so schön bei uns.“ Diese Atmosphäre, die Freiheit und zugleich das Eingebundensein in die literarische und politische Welt, vermittelt die ihren berühmten Bewohnern in jeder Hinsicht gerecht werdende Gedenkstätte unaufdringlich und einladend. Und drei Euro Eintritt sind nicht zu viel für die Freude und für die Einsichten, die das Haus am Falladaring Neuenhagen vermittelt. 

 

Fallada-Haus, Falladaring 10, 15366 Neuenhagen bei Berlin. Besucher müssen sich vorher anmelden, entweder in der Anna-Ditzen-Bibliothek (Telefon 03342/804 35) oder im Rathaus (Telefon 03342/24 51 50). Am 21. Juli (Falladas Geburtstag), am 5. Februar (seinem Todestag) sowie am Tag des Offenen Denkmals im September finden im Fallada-Haus Veranstaltungen statt.

Online Abonnement

Sie erhalten Zugang zur gesamten Website und zur kompletten Monatsausgabe als Web-App.

64,80 €

jährlich

Monatlich kündbar.

Einzelartikel

Sie erhalten Lesezugriff für diesen Artikel.

2,00 €

einmalig

Kein Abo.

Haben Sie bereits ein Online- oder Print-Abo?
* Ihre Kundennummer finden Sie auf Ihrer Rechnung. Ein einmaliges Freischalten reicht aus; Sie erhalten damit zukünftig automatisch Zugang zu allen Artikeln.

Ihre Meinung


Weitere Beiträge zu "Kultur"