Von Gott reden in der Klimakrise

Replik auf Günter Thomas: Warum wir nicht auf einen Deus ex machina hoffen dürfen
Hochwasser Enns 2013
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Hochwasser Enns 2013

Wird Gott von den christlich motivierten Klimaschützern und der Kirche instrumentalisiert, um umweltschonendes Verhalten zu rechtfertigen? Diese Gefahr sah der Bochumer Systematiker Günter Thomas jüngst in seinem Essay zur Schöpfungstheologie. Die Theologin und Religionslehrerin Angelika Nothwang hält das für eine "überraschend naive" Argumentation. Denn jede Rede von Gott sei eine menschliche Rede.

Der Bochumer Systematiker Günter Thomas hat sich erneut kritisch zu der seiner Meinung nach vorherrschenden Schöpfungstheologie und dem Umgang mit dem Thema Klimaschutz in der evangelischen Kirche geäußert . „Dramatisierung oder Entdramatisierung eines verzweifelten Optimismus, darüber muss gestritten werden“, fordert er am Ende seines Textes. Tatsächlich muss über die Aussagen von Günter Thomas gestritten werden, und zwar über folgende Punkte:

“Erklärte Dringlichkeit“ oder echte Notlage?

Günter Thomas tut so, als sei die ökologische Krise mit Klimawandel und Artensterben ein Thema unter vielen, „Dauerkrise“ zwar, aber doch auch zeitgeistiges Trendthema, von der evangelischen Kirche nur aufgegriffen, um im Gespräch zu bleiben.

Aber von „Modethema“ kann keine Rede sein: Mindestens seit der Club of Rome 1972 vor den Grenzen des Wachstums warnte, beschäftigt uns die ökologische Krise.  Die Politik widersteht wirklichen Veränderungen seit Jahrzehnten und erzählte bis vor kurzem aller Welt, man betreibe Klimaschutz, aber im Grunde müsse sich gar nichts ändern, so dass schließlich das Bundesverfassungsgericht der letzten Bundesregierung im Namen der Freiheit künftiger Generationen die Leviten las.   Auch Thomas scheint zu meinen, dass die Menschheit noch viel Zeit hat gegenzusteuern, jedenfalls warnt er vor alarmistischen Tönen und empfiehlt „barmherzige Geduld“. How dare you?, möchte man angesichts von Dürren, Hungersnöten, Flutkatastrophen, tauendem Permafrost und kalbenden Gletschern fragen.

Falsche Narrative

Erhebe ich, wenn ich diese Formulierung übernehme, Greta Thunberg zur Ehre der Altäre? Werde ich mich einem Kreuzzug anschließen, den sie anführt – und alle Andersgläubigen ermorden? Den (kirchlich gebundenen) SUV-Fahrer? Dieter Nuhr, der für seine Kritik an Greta Thunberg seinerseits kritisiert wurde? Auf diesen Nebenschauplatz in Thomas´ Polemik möchte ich eingehen, weil er sich hier das in rechten Kreisen beliebte, aber falsche Narrativ des Verbotes unliebsamer Meinungen durch den „Mainstream“ zu eigen macht. Nuhr wird zwar nicht ausdrücklich erwähnt, man kann aber davon ausgehen, dass die Auseinandersetzung um ihn im Hintergrund steht, wenn Thomas behauptet, man dürfe „über Greta Thunberg als Wächterin der Natur“ keine Witze machen. Thomas möge ein einziges Mal das Internet auf Witze über Thunberg durchforsten, dann hat sich diese Behauptung erledigt. Weil die Realität die Gefahr von Zensur und Cancel Culture nicht hergibt, nutzt Thomas das Mittel der suggestiven Frage: „Welche medial sichtbaren Menschen stehen im Weg und stören die zielgerichtete Transformation des öffentlichen Bewusstseins?“

Ja, Nuhr wurde kritisiert, aber mehr ist nicht passiert. Er hat nach wie vor seine Sendung in der ARD und damit eine mediale Reichweite, von der seine Kritiker nur träumen können. Die Fiktion der verbotenen Meinungen wird regelmäßig dazu verwendet, die Auseinandersetzung mit Kritik zu vermeiden. Auch ohne Greta Thunberg als Heilige zu verehren, kann man es unangemessen finden, wenn ein alter Mann wie Nuhr sich an einer zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung 16jährigen abarbeitet, vermutlich, weil ihm die Auseinandersetzung mit den Fragen, für die sie steht, und mit Positionen von gestandenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, auf die sie zurückgreift, zu mühsam ist.

Wie hältst Du es mit der Naturwissenschaft?

Günter Thomas vermutet ein idealisiertes Bild von Natur als Hintergrund, wenn die Evangelische Kirche für Klimaschutzmaßnahmen eintritt, sich aber nicht zur Corona-Pandemie äußert. Die Evolutionstheorie nimmt er gern zur Kenntnis, weil sie ihm die Rechtfertigung menschlicher Herrschaft über die Natur liefert. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse, die das Engagement für Klimaschutz und Erhalt von Biodiversität nahelegen, haben in seinem Denken hingegen wenig Platz. Das Agieren der Evangelischen Kirche ist da in sich konsistenter. Denn sie nimmt die Position der allermeisten Klimaforscher auf: Wir haben nicht mehr viel Zeit, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels noch abzuwenden. Auch in der Corona-Pandemie haben die meisten Gemeinden der EKD sich an den Rat von Naturwissenschaftlern gehalten, so weit, dass sie zeitweise sogar auf gemeinsame Gottesdienste, dann auf gemeinsames Singen verzichtet haben.

Inzwischen sind wir in der Corona-Pandemie dahin gekommen, dass die Dominanz von Naturwissenschaftler*innen einer umfassenderen Diskussion gewichen ist, an der sich auch Pädagogen, Psychologinnen, Politik- und Sozialwissenschaftler*innen beteiligen. Man kann Thomas so lesen, dass er das auch für den Klimaschutz anmahnt. Allerdings kann hier von einer Dominanz von Naturwissenschaft bei gleichzeitiger Blindheit für soziale Folgen nicht die Rede sein, im Gegenteil: Regelmäßig verhindern die Sorge vor sozialen Verwerfungen und eine Orientierung an kurzfristigen Interessen, dass die vom IPCC gesammelten Erkenntnisse handlungsleitend werden.

Wer sind die Schwachen?

Thomas sieht die Gefahr, dass sich bei einer idealisierten Betrachtung der Natur der Sozialdarwinismus durch die Hintertür einschleicht. Anscheinend nimmt er nicht zur Kenntnis, dass bei der Klimakrise die Schwachen schon jetzt am meisten leiden. Es geht um die Menschen im globalen Süden, die unter Dürren, extremen Niederschlägen und Flächenverlust durch den Anstieg des Meeresspiegels leiden und deren Nationen nicht die finanziellen Mittel haben, um ihre Bevölkerung auch in solchen Situationen einigermaßen zu versorgen und abzusichern. Die von Thomas geforderte „Barmherzige Geduld“ verlängert den bereits real existierenden Sozialdarwinismus.

Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sind Privilegien, von denen viele Menschen ausgeschlossen sind. Das wird beim Klimawandel zum Problem, denn die Entscheidungen, die Menschen in Demokratien wie den europäischen Staaten, den USA, Kanada und Australien treffen, die Freiheiten, die sie sich gönnen, haben Auswirkungen auch auf die, die nicht mitbestimmen können.  Auf Madagaskar herrscht seit sieben Jahren eine außergewöhnliche Dürre, (mit)verursacht durch den Klimawandel. Vanuatu, ein Inselstaat im Südpazifik, droht wegen des Anstiegs des Meeresspiegels unterzugehen. Weder die Bevölkerung von Madagaskar noch die Menschen auf Vanuatu können mitbestimmen, wenn bei uns Klimaschutz auf die lange Bank geschoben wird. Sie spüren nun aber die Folgen. Und auch junge Menschen und künftige Generationen in reichen Industrieländern dürfen aktuell nicht mitbestimmen, werden aber unter den Folgen von „barmherziger Geduld“, die wir mit uns selber haben, leiden.

Was ist Realismus?

Thomas mahnt im Umgang mit dem Klimawandel politischen Realismus, das Abwägen von Interessen und Gefahren an - und damit Kompromisse zwischen menschlichen Akteuren. Physikalische und chemische Prozesse allerdings taugen nicht als Verhandlungspartner, sie sind bekanntermaßen nicht kompromissbereit. Auch das gehört zu einem realistischen Weltbild.

Realismus setzt eine umfassende Wahrnehmung von Situationen voraus . Eine Fokussierung allein auf wirtschaftliche Interessen, wie Thomas sie am Beispiel von Nigeria und Saudi-Arabien vornimmt, bei gleichzeitiger Ausblendung der Katastrophe, die der Klimawandel für diese Länder schon jetzt ist, macht misstrauisch.  Macht hier einer sich die Welt, wie sie ihm gefällt?

Thomas´ suggestive Fragen sind verräterisch, weil sie so einseitig sind und sich billiger Klischees bedienen. Am Ende sind dann die Grünen an allem schuld, mit ihrer moralischen Angeberei.  Spricht hier wirklich einer, der mehr Komplexitätswahrnehmung anmahnt? Man hört bei Thomas´ pauschalem Grünenbashing den Vorwurf „Gutmenschen“ durch – und wünscht sich wenigstens eine konkrete Anregung, wie Menschen sich denn angesichts des Klimawandels, des Artensterbens und der Ressourcenausbeutung verhalten könnten. Verzicht ist es nicht, denn mit diesem Ansinnen würde sich die Kirche angeblich aus der gesellschaftlichen Debatte nehmen, und wer Verzicht praktiziert, ist letztlich ein moralischer Angeber.

Auf technische Innovationen setzt Thomas schon irgendwie,  aber natürlich sind auch sie wieder mit Ressourcenverbrauch verbunden, das weiß auch Thomas. Und außerdem taugt ein e-Auto ja hauptsächlich zum Streicheln des eigenen Egos. Und wenn die Kirche ihren Gebäudebestand energetisch saniert, müsste sie dann nicht auch gleich die Wohnhäuser ihrer Mitglieder sanieren? Und kämen dann unter den Mitgliedern nur die Eigenheimbesitzer in den Blick, oder auch die Menschen, die in Mietwohnungen leben? Sollte die Kirche also nicht der Vonovia die Sanierung ihrer Objekte finanzieren? Mir kommt der Verdacht, dass der scharfe Blick auf die Doppelmoral der „Gutmenschen“ dazu dient, „barmherzige Geduld“ oder auch Nichtstun zu rechtfertigen.

Die theologische Dimension

Nun war bisher kaum vom Glauben die Rede, dabei geht es doch um eine theologische Debatte. Thomas streut auch hier Reizworte ein, die die von ihm Attackierten in die Ecke stellen sollen: „Gott-mit-uns-Christen“ sieht er da und eine Anbiederung an den Zeitgeist, wie man sie einst bei den Deutschen Christen (DC) fand. Thomas nennt die DC nicht ausdrücklich, für Menschen, die mit der Geschichte der Evangelischen Kirche in Deutschland einigermaßen vertraut sind, ist sein Vorwurf aber evident. Der Neuigkeitswert dieses Vorwurfs ist begrenzt, das macht das Erkennen leichter. Er wird regelmäßig bei theologischen Entwürfen erhoben, denen man gemeinhin das Etikett „kontextuell“ anheftet.  Das heißt in der Regel bei theologischen Entwürfen, die sich ihrer Kontextualität bewusst sind und die die immerhin uralten biblischen Themen Befreiung und Gerechtigkeit für ihren jeweiligen Kontext durchbuchstabieren: Schwarze Theologien, feministische Theologien, Befreiungstheologien, um nur drei Beispiele zu nennen.
 

Menschliche Bedürfnisse

Thomas sieht in der ökologischen Debatte die Gefahr, dass Gott instrumentalisiert wird, um eigene Interessen durchzusetzen. Eine überraschend naive Argumentation für einen Mann mit ausgewiesener theologischer Expertise. Menschliche Interessen und Bedürfnisse haben Eingang in religiöses Reden und in religiöse Bildsprache gefunden, seit Menschen überhaupt von Göttern reden. Nicht umsonst setzt die Religionskritik bei menschlichen Bedürfnissen an. Und auch der archimedische Punkt, von dem aus von Gott geredet werden kann und den man im theologischen Diskurs die „Selbstoffenbarung Gottes“ nennt, entspringt einem menschlichen Bedürfnis: Man will die eigene Religion aus der Religionskritik heraushalten und wenigstens einen nicht hinterfragbaren Punkt haben, von dem aus man seine Gedanken über Gott entfalten kann. Die historisch-kritische Bibelwissenschaft hat diese Möglichkeit zerschlagen.

Jede Rede von Gott ist menschliche Rede von Gott, das gilt eben auch für die Hebräische Bibel und das Neue Testament und damit für die Basis evangelischer Religiosität und Theologie. Auch in der Hebräischen Bibel und im Neuen Testament führen geänderte Umstände zu veränderter Rede von Gott bzw. zu einer Umgestaltung des Christuszeugnisses. Die Konstruktivität und Partikularität menschlicher Gotteserkenntnis ist in der Bibel zu beobachten – also da, wo wir als evangelische Christinnen und Christen nach dem nicht mehr hinterfragbaren Kern der Gotteserkenntnis suchen.

Gott als Funktionsbegriff

Es gibt keine Gotteserkenntnis, bei der Menschen nicht mitgemischt haben oder aktuell mitmischen: sie bringen ihre Erfahrungen, ihre Fragen und Bedürfnisse in die Bilder, die sie von Gott entwerfen, ein. Und sie wählen aus dem reichen Fundus biblischer Bilder von Gott, aus der weiten Tradition der Auseinandersetzung mit Jesus von Nazareth die Elemente aus, die die Not ihrer Seele lindern, ihrer Sehnsucht Orientierung geben und ihnen Kraft zum Leben schenken. Mit anderen Worten: Der Glaube hat für sie eine Funktion, wie denn auch nicht? Dass der Begriff „Gott“ an sich schon ein Funktionsbegriff ist, ähnlich wie „König“ oder „Mutter“, ist ein bisschen in Vergessenheit geraten, es ist aber unschwer am ersten Gebot erkennbar: „Ich bin Adonaj, dein Gott“ – und auch Martin Luther wusste: „Woran du nun Dein Herz hängest und verlässest, das ist eigentlich dein Gott.“

Könnten wir es nicht als großes Glück betrachten, dass die Hebräische Bibel und das Neue Testament uns das menschliche Ringen um Gotteserkenntnis nachvollziehen lassen? Dass sie die Sackgassen nicht einfach getilgt haben, kein geglättetes Einheitsevangelium an die Stelle der vier Evangelien gestellt haben?  Dass der Kanon sich nicht die Sicht des Paulus zu eigen gemacht hat, dass nach Kreuz und Auferstehung die Verkündigung Jesu nicht mehr wichtig sei? Können wir nicht froh sein, dass die Freiheit des Menschen in der Bibel kontrovers gesehen wird und die ethische Orientierung des Glaubens auch im Neuen Testament greifbar bleibt?

Turmbau zu Babel

Die Selektivität menschlichen Zugriffs auf die biblische Tradition ist natürlich auch Thomas bewusst – er beobachtet sie bei den „Blühwiesenromantikern“ und mahnt eine umfassende Wahrnehmung der biblischen Urgeschichte an. Nur: warum spielt der Turmbau zu Babel in seiner Wahrnehmung dieser Urgeschichte keine Rolle? Können wir Heutigen in der westlichen Welt uns wirklich in denen wiederfinden, die auf dem Acker mit Disteln und Dornen kämpfen? Oder sind wir nicht näher bei denen, die sein wollen wie Gott, deren Träume bis zum Himmel reichen, wenn wir darüber nachdenken, dass Atommüll ja auch in den Weltraum geschafft werden oder ein Teil der Menschheit auf dem Mars einen Neuanfang wagen könnte? Ist diese Hoffnung auf technische Lösungen im Anthropozän nicht eben dies: eine Selbstüberhöhung des Menschen? Wir versuchen mehr vom Gleichen, um die Situation, die wir mit diesen Methoden geschaffen haben, zu bewältigen.

Ich vermute, dass auch hinter dem Festhalten an der traditionellen Lehre von der Rechtfertigung des Sünders ein Interesse steht. Denn wo Sünde und Gerechtigkeit exklusiv in der Beziehung des einzelnen Gläubigen mit seinem Gott verortet werden, kann man die zwischenmenschlichen Folgen der Sünde leicht ausblenden. Die Befreiungstheologie weist darauf schon lange hin: „Wenn du (…) die Rechtfertigung durch den Glauben in einem konkreten Kontext ansiedelst, wo die strukturelle Sünde sehr stark ist, und die Opfer dieser Sünde zahlreich sind, und wo es ganz eindeutig Menschen gibt, die andere ermorden, dann ist es doch, wenn man ohne irgendeinen Bruch, ohne das Antlitz des Opfers zu betrachten, einfach von Vergebung spricht, eine gute Nachricht für den Unterdrücker.“ (Elsa Tamez in einem Interview mit der Zeitschrift Junge Kirche 1992)

Der Begriff der strukturellen Sünde ist geeignet, den Zusammenhang zwischen dem Handeln von Menschen in den reichen Industrieländern und dem Schicksal von Menschen in Ländern wie Bangladesch, Pakistan, Madagaskar oder Vanuatu zu beleuchten. Keiner von uns erschlägt die Opfer eigenhändig, aber wir profitieren von Strukturen, die anderen Lebenschancen verwehren, Konflikte um Lebensmöglichkeiten schüren und Menschen zur Migration zwingen.

Nächstenliebe in der Klimakrise

Selbst Paulus, auf dessen Interpretationen des Kreuzestodes Jesu die traditionelle Rechtfertigungslehre zurückgeht, hat am Gebot der Nächstenliebe festgehalten. Was muss das heute bedeuten? Welche Konsequenzen muss das haben, wo wir doch wissen, dass unser Lebensstil niemals global möglich sein kann? Wo wir wissen, dass dieser Lebensstil anderswo schon längst und inzwischen auch bei uns verheerende Konsequenzen hat? Glauben ohne die Frage nach dem diesem Glauben entsprechenden Handeln ist auf biblischer Grundlage jedenfalls nicht zu haben.

Dietrich Bonhoeffer hat in seinem theologischen Denken die Moderne und die Katastrophe, mit der er konfrontiert war, zum Anlass genommen, neu über Gott nachzudenken. In seinem berühmten Text vom 16.7.44 schreibt er: „Gott als moralische, politische, naturwissenschaftliche Arbeitshypothese ist abgeschafft, überwunden….. Und wir können nicht redlich sein, ohne zu erkennen, daß wir in der Welt leben müssen - >>etsi deus non daretur<<…. Gott gibt uns zu wissen, daß wir leben müssen, als solche, die mit dem Leben ohne Gott fertig werden.“

Damit erklärt sich der so ganz untheologische Ansatz meiner Auseinandersetzung mit Günter Thomas. Was heißt es in der ökologischen Krise, der Erde treu zu bleiben? Thomas fordert das realistische Menschenbild des Sünders, barmherzige Geduld als Grundlage kirchlicher Stellungnahmen zum Klimawandel und hofft „auf einen transzendenten Gott, der das Leben und die Natur hält“. Am Schluss kommt dann doch der deus ex machina, denn anders ist barmherzige Geduld nicht zu rechtfertigen. Und für diejenigen, die schon jetzt unter den massiven Folgen des Klimawandels zu leiden haben, kommt Gott dann doch ein bisschen spät (Oder will Thomas sie und unsere Kinder und Enkel auf das Jenseits vertrösten?).

Das Versagen der Kirche

Nicht nur die Deutschen Christen haben in der Zeit des Nationalsozialismus versagt, davon zeugt z.B. das Stuttgarter Schuldbekenntnis. Es gab ein Versagen der Kirche, das in der Verleugnung der Realität, im Festhalten antijudaistischer Traditionen und in der Absage an politische Konsequenzen des Glaubens seine Ursache hatte.

Die Realität wahrzunehmen und nach Konsequenzen des Glaubens zu fragen, in der ökologischen Krise nicht „auf einen transzendenten, heiligen Gott, der das Leben und die Natur hält“ zu hoffen, sondern die eigene Verantwortung und die eigenen Möglichkeiten auszuloten, das muss meiner Ansicht nach die Lehre aus dem Versagen der Kirche im Nationalsozialismus sein. Dass wir damit scheitern können – geschenkt! Aber „barmherzige Geduld“ führt auf jeden Fall zu dem, was wir schon lange beobachten: too little, too late!

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