Fakten zum Fleisch

Wieviel Tier in Deutschland auf den Teller kommt und wer es besonders mag
Junges Rind im Biostall – es könnte auch nach draußen gehen. Foto: dpa/ Frank May




Der Durchschnittdeutsche isst hunderte Tiere in seinem Leben. Das hat Folgen für unsere Gesundheit und für die Umwelt. Biofleisch alleine rettet nicht, wir müssen vor allem weniger Fleisch essen.

Wieviel Fleisch essen wir? Etwa sechzig Kilogramm reines Fleisch (also ohne Knochen, Knorpel, Fett et cetera) pro Mensch pro Jahr. Das ist die Durchschnittsmenge, die ein Deutscher an Fleisch verbraucht. Wobei Männer in der Regel doppelt so viel Fleisch essen wie Frauen, Ostdeutsche mehr als Westdeutsche, Männer aus den sogenannten unteren sozialen Schichten etwa ein Drittel mehr als Männer aus der sogenannten Oberschicht. Bei Frauen ist der soziale Unterschied weniger auffällig. Dennoch kommt da eine Menge an getöteten Tieren zusammen. Ob es wirklich 1 094 Tiere sind, die jeder Durchschnittsdeutsche in seinem Leben verspeist? Das zumindest behauptet der Vegetarierverband vebu und rechnet vor: Vier Rinder, vier Schafe, zwölf Gänse, 37 Enten, 46 Schweine, 46 Puten und 945 Hühner lassen ihr Leben, damit ein Deutscher seinen Fleischbedarf stillt. Aber selbst wenn es nur die Hälfte wäre – wir essen deutlich mehr, als einen Streichelzoo in unserem Leben.

Ist das viel? Auf jeden Fall weniger als noch vor knapp dreißig Jahren, als der Pro-Kopf-Verbrauch (diesmal also mit Knorpel, Knochen, Fett et cetera) bei 95 Kilogramm pro Jahr lag. Dann sank er bis 2000 auf knapp neunzig Kilo und stagniert seitdem in etwa. Die seit einigen Jahren wachsende Zahl der Vegetarier, Veganer und Menschen, die einfach weniger Fleisch essen wollen, könnte in Zukunft zu einem erneuten Absinken des Durchschnittsverbrauches führen. Allerdings gibt es einer Studie aus dem Jahr 2014 zufolge in Deutschland erst etwa 6,6 Prozent Flexi-Vegetarier (Selten-Fleischesser) und 4,3 Prozent konsequente Vegetarier. 0,3 Prozent leben vegan, 0,7 Prozent flexi-vegan. Ihre Zahl steigt zwar vergleichsweise schnell an, aber bis wir die knapp 53 Kilogramm Pro-Kopf-Fleischverbrauch aus dem Jahr 1960 erreicht haben, dürfte es noch lange dauern. In der EU liegt Deutschland in puncto Fleischverbrauch etwas über dem Durchschnitt (81,3 kg), deutlich unter den usa (115 kg) und Australien (116 kg), aber weit über Indien (3,7 kg) oder Afrika (18,6). Der weltweite Pro-Kopf-Verbrauch liegt übrigens bei gut 43 Kilogramm, Tendenz steigend. Denn Fleisch ist volkswirtschaftlich gesehen eine Wohlstandsnahrung, mit dem Bruttoinlandsprodukt steigt in der Regel auch der Fleischkonsum. Die Welternährungsorganisation geht davon aus, dass 2050 der weltweite Durchschnitt bei 52 Kilogramm pro Mensch im Jahr liegen wird.

Ursache für Krebs

Ist das zu viel? Ja, aus verschiedenen Gründen. Fangen wir mal mit der Gesundheit an. Der World Cancer Research Fund stuft „rotes Fleisch“ (also Rind, Schwein, Schaf oder Ziege) und „verarbeitetes Fleisch“ (Fleisch, das durch Räuchern, Beizen, Salzen oder Zugabe von Chemie haltbar gemacht wurde) als „überzeugende“ „wahrscheinliche“ Ursache einiger Krebserkrankungen ein. Zudem macht fettes Fleisch dick, und Übergewicht ist aus verschiedensten Gründen schädlich für die Gesundheit. Gleichzeitig verweisen die Experten in dem 2007 veröffentlichten Bericht aber auch darauf, dass Fleisch eine wertvolle Quelle für Protein, Eisen, Zink und Vitamin B12 sein kann und empfehlen deshalb keine komplett fleischfreie Ernährung. Allerdings sollte der Durchschnittverzehr in der Bevölkerung nicht mehr als dreihundert Gramm pro Woche betragen. Menschen, die regelmäßig Fleisch essen, sollten nicht mehr als fünfhundert Gramm rotes Fleisch pro Woche verzehren, möglichst wenig davon sollte verarbeitet sein. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt ebenfalls dreihundert Gramm Fleisch und Wurst pro Woche für Menschen mit geringerem Kalorienbedarf und sechshundert Gramm für Menschen mit hohem Kalorienbedarf. Zur Einordnung: Eine normale Portion Fleisch auf dem Teller wiegt hundert bis 150 Gramm, eine Scheibe Schinken oder Wurst zwischen 15 und 25 Gramm. Und auch hier weisen die Experten auf das erhöhte Darmkrebsrisko durch „rotes“ und verarbeitetes Fleisch hin, für „weißes“ Geflügelfleisch wurde bislang kein Bezug zu Krebserkrankungen festgestellt.

Welche Auswirkungen hat das auf das Klima? Jeder Mensch hinterlässt einen Klima-Fußabdruck, der sich aus dem persönlichen Lebensstil, also etwa Wohnsituation, Mobilitäts- und Konsumverhalten und dem damit verbundenen Energieverbrauch zusammensetzt. Ein Durchschnittsdeutscher belastet die Atmosphäre derzeit mit rund neun Tonnen CO2 im Jahr. Etwa zwei bis zweieinhalb Tonnen stammen von der Produktion der von uns verzehrten Lebensmittel. Nahezu 70 Prozent davon sind laut wwf auf tierische Produkte zurückzuführen. Laut Greenpeace verursacht die Produktion von einem Kilo Rindfleisch nämlich 13,3 Kilo CO2. Dabei ist das Methan aus den Mägen der Rinder ebenso eingerechnet wie die Emissionen bei der Futtererzeugung inklusive der Abholzung von Waldflächen um stattdessen Soja anzubauen. Bei Schweinefleisch, wovon wir Deutschen besonders viel essen, ist die Klimabilanz besser, hier werden laut Bundesumweltministerium pro Kilo Fleisch 3,25 Kilogramm in die Luft geblasen. Das ist allerdings immer noch mehr als für pflanzliche Lebensmittel. Zum Vergleich: Ein Kilo Brot verursacht 0,75 Kilo CO2, Äpfel 0,5 kg und Tomaten 0,2 kg. Jedes Stück Fleisch, das wir weniger essen, verbessert also die persönliche Klimabilanz. Und wenn insgesamt die Fleischproduktion sinken würde, wäre das ein bedeutender Beitrag zum Klimaschutz. Denn die globale Viehwirtschaft trägt zu knapp 15 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen bei, die fünf größten Fleisch- und Milchkonzerne der Welt blasen gemeinsam mehr CO2 in die Luft als der Ölgigant Exxon Mobil.

Und sonst noch? Der Klimawandel ist ein drängendes, aber nicht das einzige Umweltproblem, das durch die Fleischproduktion verschärft wird. Der Wasserverbrauch ist ein anderes, wie Brot für die Welt einmal in einer Kampagne gezeigt hat. Während etwa für ein Kilo Getreide 1 300 Liter Wasser benötigt werden, sind es für ein Kilo Rindfleisch 15 500 Liter, bei Schweinefleisch immerhin noch 4 500 Liter. Hühnerfleisch kommt auf 3 900 Liter. Grund für den immensen Wasserbedarf ist vor allem die künstliche Bewässerung beim Futteranbau. Der belegt etwa ein Drittel der weltweit zur Verfügung stehenden Anbauflächen, 40 Prozent der weltweiten Getreideproduktion wird an Tiere verfüttert. Die Herstellung einer tierischen Kalorie braucht je nach Art der Landwirtschaft und des Fleisches zwischen vier und 21 Kalorien. Würde das verfütterte Getreide direkt für menschliche Nahrung verwendet, könnte man damit 3,5 Milliarden Menschen jährlich ernähren.

Woher kommt unser Fleisch? Fleischproduktion ist in Deutschland ein Wachstumsmarkt, zumindest mit Blick auf die produzierte Menge. Obwohl der Verbrauch im Inland seit zehn Jahren bei etwa sieben Millionen Tonnen stagniert, wuchs die Menge an produziertem Fleisch kontinuierlich an und liegt derzeit bei knapp neun Millionen Tonnen. Besonders bei Geflügel ist der Zuwachs enorm und hat sich in den vergangen zwanzig Jahren auf 1,7 Millionen Tonnen verdoppelt. Fast die Hälfte des in Deutschland produzierten Fleisches geht mittlerweile ins Ausland, hauptsächlich in andere EU-Länder, aber zum Beispiel beim Schweinefleisch auch viel nach China. Importiert werden gut 2,8 Millionen Tonnen. Auch lebende Tiere werden grenzüberschreitend gehandelt, so haben deutsche Fleischproduzenten 2017 zum Beispiel 14 Millionen Schweine und etwa 50 Millionen Hühner eingeführt, außer Landes gingen zwei Million Schweine und 165 Millionen Hühner.

Obwohl immer mehr Fleisch produziert wird, sinkt die Zahl der tierhaltenden Betriebe in Deutschland. Seit 2000 haben 81 Prozent der Schweinezuchtbetriebe die Stalltüren geschlossen, mehr als jeder dritte Rinderhalter hat aufgegeben, jeder fünfte Hühnerbetrieb hat dicht gemacht. Was im Umkehrschluss bedeutet: Die Betriebe, die übrig blieben, sind enorm gewachsen. Im Schnitt hält ein Schweinezüchter knapp 1 200 Schweine, vor zwanzig Jahren waren es noch etwa 200. Die größten Ställe stehen in Mecklenburg-Vorpommern mit bis zu 34 000 Schweinen pro Betrieb. Die Befürworter begründen die Konzentration mit gestiegenen Umwelt- und Hygieneanforderungen, die eine Spezialisierung in modernen Betrieben erfordern. Kritiker sehen die riesigen Anlagen als schädlich für das Tierwohl und bemängeln die wachsende Umweltbelastung durch Großbetriebe, die unter anderem enorme Mengen von Schweinegülle produzieren. Diese kommt oft als Dünger auf die Felder und belastet das Grundwasser.

Gemischte Bilanz

Ist Bio besser? Mit Blick auf das Tierwohl ja. In einem Interview mit der taz beschrieb die Nutztierethologin Ute Knierim die Vorteile wie folgt: „Mehr Platz, zum Beispiel hat ein einhundert Kilogramm schweres Ökoschwein mehr als dreimal so viel Fläche zur Verfügung als ein konventionelles. Dann Zugang zum Außenklima. Und, soweit möglich, auch Weidegang. Anders als im konventionellen Bereich ist beim Geflügel die Zahl der Tiere begrenzt, die maximal in einem Stallabteil gehalten werden dürfen. Bei Masthühnern müssen langsamer wachsende Rassen eingesetzt werden, was einen ganz starken Effekt auf das Wohlbefinden der Tiere hat. Man hat bei den Säugetieren entweder verlängerte Säugezeiten – etwa bei den Schweinen – oder Zeiten, in denen die Tiere natürliche Milch bekommen müssen.“ Wem es egal ist, wie das Tier gelebt hat, dass er isst, sei darauf hingewiesen, dass zum Beispiel der Einsatz von Antibiotika bei Tieren auf dem Biohof sehr viel strenger geregelt ist, als in konventionellen Betrieben, was auch der eigenen Gesundheit zu Gute kommt.

Beim Klimaschutz hingegen ist die Bilanz gemischt, wobei man sich sehr lange darüber streiten kann, was alles in die Rechnung mit aufgenommen werden muss. Aber zumindest laut „Klimapalaver“ des Bayerischen Rundfunk schneidet das
Bioschwein besser ab, weil das Futter in konventionellen Betrieben während des Anbaus mit mehr Stickstoff gedüngt wird und so mehr klimaschädliches Lachgas frei wird. Beim Rind hingegen schneidet das Biotier schlechter ab, weil es länger lebt und so mehr Methan freisetzt. Außerdem verbraucht es mehr Fläche als die konventionell lebenden Tiere. Klar ist aber auch:
Biofleisch allein mag für den einzelnen eine Lösung sein, die mit dem Fleischkonsum verbunden Probleme zu mildern – so er sich es leisten kann und will. Aber für die breite Masse ist das keine Option. Denn die Branche agiert in einer sehr kleinen Nische: Der Marktanteil von Biofleisch in Deutschland beträgt je nach Sorte zwischen ein und zwei Prozent.

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Foto: Rolf Zöllner

Stephan Kosch

Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen". 


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