Mosaiksteine

Über glaubwürdiges Reden

Der habilitierte Theologe Wolfgang Greive (Jahrgang 1943) ist Schüler des Systematischen Theologen Wolfhart Pannenberg (1928–2014). Er war von 1972 bis 1975 dessen Assistent. Zuletzt arbeitete er als Ökumenebeauftragter in der Hannoverschen Landeskirche. Das vorliegende allgemeinverständlich gehaltene, autobiografisch angereicherte Buch geht in zwölf locker aneinander gereihten Essay-artigen Kapiteln (man kann überall mit der Lektüre einsetzen) den in der Einleitung angerührten Fragen nach „Naturalismus und Fundamentalismus“ nach. Faktisch kommt der Fundamentalismus nur am Rand vor. Greive setzt sich intensiv mit dem weit verbreiteten Atheismus in Form eines materialistischen Naturalismus auseinander, als einer das Christentum bis ins Mark treffenden Herausforderung. Greive liefert Mosaiksteine einer niveauvollen „apologetischen Theologie“, im Sinn des dem Buch vorangestellten biblischen Mottos 1. Petrus 3,15: „Seid allezeit bereit zur Verantwortung gegen jeden, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist.“

Der „praktische Atheismus“ fragt nicht mehr nach Gott. Da aber Religion als „der Bezug auf Gott“, mindestens aber als „Frage nach dem Ganzen, nach dem Wozu und Wohin des Menschen“, wesentlich zum Menschsein gehört, zur „Offenheit“ und „Angewiesenheit“, erfährt jemand, der sich nicht mehr um das „Geheimnis der Wirklichkeit“ schert, Sinnlosigkeit und betreibt geistigen Selbstmord. An die Stelle Gottes treten Ersatzgötter. Es kommt zur „Vergötterung“ des Menschen, der „sich selbst absolut setzt und seine Leere überspielt“. Menschen „spielen Gott“ und machen „sich zum Zentrum“. Schließlich führt ein von allen Bindungen losgelöstes Menschsein „zur absoluten Inhumanität, zur Barbarei“.

Allerdings gibt es auch einen humanistischen Atheismus, der für Transzendenzerfahrungen offen bleibt. Greive erwähnt Albert Camus mit seinen Licht-erfahrungen am Meer und Ernst Bloch mit seiner Hoffnungsperspektive. Ferner stellt der Atheismus dem christlichen Gottesglauben unverzichtbare Fragen. So kritisiert er zu Recht einen herkömmlichen „Theismus“, der den Menschen klein macht und demütigt und der „keinen Raum für die Freiheit des Menschen lässt“. Ein nach-theistischer Gottesglaube stellt im Anschluss an Jesus fest: „Gott leidet mit den Menschen. Der Mensch im Widerspruch erfährt durch den unendlich liebenden Gott Heil, Erlösung.“ So bleibt „das Staunen über die unendliche Liebe Gottes der Ursprung jeder rechten Gotteslehre“. Der Praxistest dafür, „dass Gott sich als unendliche Liebe zeigt“, ist die Humanität. „Religion ohne Mitmenschlichkeit ist Geschwätz.“

Greive geht es um „glaubwürdiges Reden von Mensch und von Gott“. Glaubwürdig ist es, wenn Christen mit Atheisten auf Augenhöhe einen Dialog führen und dabei zuhören. Zur Glaubwürdigkeit gehört auch das saubere Argumentieren, um das sich Greive eindrucksvoll bemüht. Glaubwürdig ist der Verzicht auf autoritäres Denken, auf Zwang und Gewalt.

Im Anschluss an Pannenberg und Jürgen Moltmann entwickelt Greive eine „eschatologische Gesamtperspektive“. Das Eschaton, also das Endgültige, das Reich Gottes ist in Jesus bereits angebrochen und erfahrbar geworden. Es ist aber noch nicht vollendet. Der weitere Verlauf der Geschichte ist offen, und die Erfüllung jenseits des Todes ist noch verborgen. Die Hoffnung ist aber nicht illusionär, sondern hat einen Anhalt an Gottes bisherigen Liebeserweisen. „Der wahre Gott ist der kommende Gott, der jetzt Freiheit schenkt und Leben erneuert.“ Unsere Bestimmung geht „nicht in dieser vorhandenen Welt auf“. Gerade das lässt auch innerweltlich hoffen: „Gott schenkt immer wieder einen neuen Anfang auf eine gemeinsame Zukunft hin.“

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