Der richtige Ton

Die evangelische Kirche und die Wahl von Erfurt

Ob Bodo Ramelow wieder Ministerpräsident von Thüringen ist, oder der kurios gewählte FDP-Politiker Thomas Kemmerich immer noch geschäftsführend das Amt verwaltet, wenn Sie diese Zeilen lesen, oder ob gar jemand Drittes den Posten innehat, ist in politisch turbulenten Zeiten ungewiss. Aber darum soll es hier gar nicht gehen, sondern darum, wie sich die evangelische Kirche zur kuriosen Wahl Kemmerichs verhalten hat. Aber musste sie sich überhaupt verhalten?

Eigentlich nicht, oder? Diesen Eindruck vermittelte jedenfalls am 5. Februar, am Tag der Wahl Kemmerichs, der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Friedrich Kramer. Seine Pressestelle ließ verbreiten, er wolle „die Ministerpräsidenten-Wahl in Thüringen ausdrücklich nicht kommentieren“. Durch dieses Schweigen verweigerte Kramer zum einen etwas eigentlich formal Selbstverständliches, nämlich, dass einem neugewählten Ministerpräsidenten vom Bischof Loci zur Wahl gratuliert wird. Zum anderen vermied er jedoch auch, etwaige evangelische Anhänger dieses Ministerpräsidenten unnötig vor den Kopf zu stoßen, wie es durch lautstarke Verdammung seiner Wahl geschehen wäre. „Gar nicht schlecht reagiert, (Volks-)Kirche“, dachte man sich. .

Aber das beredte Schweigen wurde nicht durchgehalten: Nur einen Tag später, am 6. Februar, veröffentlichte Kramer im Verbund mit seinen Kolleginnen und Kollegen im Bischofsamt aus Berlin, Kassel, Dessau und Schwerin eine politische Erklärung, in der beklagt wurde, es sei eine „rote Linie“ überschritten worden und in der die Geistlichen forderten, es dürfe aus „christlicher Sicht keine Regierung unter Mitwirkung von Rechtspopulisten und Rechtsextremisten“ geben. Dann „bitten“ die Fünf, „die Mandatsträger der demokratisch gesinnten Fraktionen im Thüringer Landtag, den Weg für Neuwahlen frei zu machen“. Abgesehen von der Frage, was die anderen vier leitenden Geistlichen nun konkret mit der Wahl in Thüringen zu tun haben, außer, dass ihre Kirchen alle irgendwie auch Territorium der ehemaligen DDR umfassen, blieb völlig unklar, was bezweckt werden sollte. Das beredte Schweigen Kramers hatte doch eigentlich gut gepasst. Schade!

Wie man es besser machen kann, zeigte der EKD-Ratsvorsitzende wenige Tage später: Als die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer in Folge des Thüringendesasters ihren Verzicht auf die Kanzlerkandidatur und den perspektivischen Verzicht auf den Parteivorsitz öffentlich macht, drückt Heinrich Bedford-Strohm in einer Pressemitteilung sein Mitgefühl aus. Er erinnert an den überstürzten Rücktritt der SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles im vergangenen Jahr und fragt: „Was können wir tun, damit eine Kultur der Achtung und des Respekts und die Suche nach den an ethischen Grundsätzen orientierten besten Lösungen für die Herausforderungen heute in unserer politischen Kultur wieder gestärkt wird?“ Und am Ende bekräftigt Bedford-Strohm, dass er „jenseits aller politischen Diskussion (…) Respekt und Wertschätzung gegenüber dem Einsatz von Annegret Kramp-Karrenbauer für das Gemeinwesen“ empfinde. Ein wahrhaft seelsorglicher Ton, der für die Kirche in öffentlichen Stellungnahmen ruhig öfter angeschlagen werden könnte!

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