pro und contra

Sollen SPD und Linkspartei fusionieren?

Gesine Schwan
Foto: privat
Dagmar Ziegler
Foto: SPD Presse

Schleswig-Holsteins SPD-Fraktionschef Ralf Stegner hat sich vor einigen Wochen für einen mittelfristigen Zusammenschluss mit der Linken ausgesprochen. Kann das tatsächlich eine Option für die Zukunft sein? Ja, meint Gesine Schwan, Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission. Dagmar Ziegler, Sprecherin des „Seeheimer Kreises“ der Bundestagsfraktion, erteilt solchen Überlegungen eine klare Absage.

Richtungsfragen klären

„Die Linke“ und Teile der SPD vertreten ähnliche Positionen

Wenn es zu einer Zusammenarbeit in einer Koalition käme, könnten Linke und SPD prüfen, ob und wie man wieder zusammenkommen könnte.

Eine baldige Fusion zwischen der SPD und der Linken steht nicht auf der Tagesordnung. Ich kenne auch kein Mitglied der SPD, das derartiges fordert. Anders steht es mit der Vorbereitung einer Zusammenarbeit in einer Koalition nach der nächsten Bundestagswahl. Auch sie würde aktuell rechnerisch nicht zustande kommen. Aber wenn die SPD auch nach 2021 wieder regieren will, käme wohl nur eine Koalition mit den Grünen und mit der Linken in Betracht.

Dazu müsste die SPD allerdings wieder erheblich stärker werden. Selbst wenn sie sich wieder vor die Grünen setzt, wäre ihr Gewicht gegenwärtig nicht groß genug, um die Politik nennenswert zu beeinflussen. Das liegt aber nicht nur an den Mehrheitsverhältnissen. Trotz der atmosphärischen Einmütigkeit auf dem letzten Parteitag Anfang Dezember 2019, die politisch für alle Delegierten geboten war, und trotz des einstimmig verabschiedeten Antrags der Parteiführung, gibt es noch einige wichtige Richtungsfragen, die geklärt werden müssen.

Zu diesen Fragen gehören die Asyl- und Flüchtlingspolitik, die Wirtschafts- und Finanzpolitik, die wirkliche Solidarität mit den europäischen Nachbarn und die konkrete Umsetzung des sozialökologischen Wandels. Wenn die Parteiführung den Mut zeigt, diese Fragen argumentativ anzugehen, besteht gute Aussicht, sich zu einigen. Wenn nicht, kann die SPD kein Vertrauen zurückgewinnen. Vorschläge dafür, wie man diese Einigung bis zu den nächsten Wahlen angehen kann, liegen auf dem Tisch. Auch „Die Linke“ hat intern eine Reihe von Fragen zu klären, die sie aber selbst benennen muss. Die Signale der Partei- und Fraktionsvorsitzenden gehen in Richtung Regierungswillen. Es gäbe also wohl Chancen für eine solche Klärung. Aber noch ist sie nicht erfolgt.

Eine gemeinsame Erörterung von Sozialdemokraten und Linken darüber, wo eine mögliche gemeinsame Regierungsprogrammatik Chancen hätte, könnte beiden helfen, ihre Position zu klären, möglicherweise auch Unterschiede zu profilieren. Das wäre hilfreich und politisch ertragreicher, als jetzt schon auf eine Einigung zu zielen. Und wenn es zu einer Zusammenarbeit in einer Koalition käme, könnte man prüfen, ob und wie man wieder zusammenkommen könnte. Andererseits vertritt die Linke im Grunde wie früher die USPD-Positionen, die in der Tradition der SPD-Linken stehen. Das gilt für den internationalen Pazifismus ebenso wie für ungeklärte Vorstellungen zur Vergesellschaftung von Unternehmen.

Das ist bei den Grünen, die ursprünglich auch aus der SPD hervorgegangen sind, anders. Ihr Hauptaugenmerk liegt nach wie vor auf der Klimafrage, auch wenn sie mit zunehmender Wählerunterstützung der sozialen Frage mehr Aufmerksamkeit widmen, was sie auf der kommunalen Ebene übrigens schon länger erfolgreich tun. Überdies repräsentieren sie sozial vor allem das gebildete liberale Bürgertum, nehmen der SPD gerade dort immer mehr Stimmen ab, bleiben allerdings auch nach wie vor in ihrer Attraktivität auf diesen Teil der Gesellschaft beschränkt und sind insofern weit entfernt davon, eine Volkspartei zu sein oder zu werden. Hier liegt meines Erachtens ihre eigentliche Schwäche. Auf Landesebene kommen sie offenbar gut mit der Union zurecht, was die Verankerung im gebildeten und wohlhabenden Bürgertum unterstreicht. Bei Unterschieden, zum Beispiel in der Flüchtlingsfrage, sind sie auf Landesebene zu erheblichen Konzessionen bereit.

Freilich wären die drei Parteien in einer Koalition einander grundsätzlich näher als die Partner in der Großen Koalition. Es ist wie bei einer persönlichen Beziehung: Wenn man zusammenarbeiten möchte, muss man sich vorher darüber klar werden, was man wirklich will. Darauf kommt es jetzt bei der SPD und bei der Linken an.


 

Unterschiede überwiegen

SPD und „Die Linke“ kommen aus unterschiedlichen ideologischen Traditionen

Inhaltliche Überschneidungen allein reichen für eine Fusion der SPD mit den Linken nicht aus.

Die SPD ist seit jeher eine politische Kraft mit einem klaren Kurs und eindeutigen Werten. Mit unserer Politik verfolgen wir einen Mitte-Links-Kurs. Wir haben den Anspruch, Volkspartei zu sein und die gesamte Bevölkerung und das ganze Land im Blick zu haben.

Während in Deutschland und Europa rechtspopulistische wie rechtsextreme Parteien und Bewegungen erstarken, braucht es linke Kräfte, die entschlossen gegenhalten. Die gegenwärtige Schwäche linker Parteien wie der SPD und der Linken gibt uns durchaus zu denken. Man könnte meinen, es brauche deswegen eine geeinte Partei links von der Mitte. Forderungen nach einer Fusion von SPD und „Die Linke“ werden laut.

Für mich steht „Die Linke“ im politischen Spektrum klar links von meiner Partei. Nur weil zwei Parteien demselben politischen Spektrum zuzuordnen sind, heißt es nicht automatisch, dass sie auch inhaltlich zusammenpassen.

Natürlich gibt es viele Themen, bei denen wir inhaltlich auf einer Wellenlänge sind: Wir wollen höhere Renten, eine sozial verträgliche Wohnungsbaupolitik, die höhere Besteuerung von Erbschaften, eine solidarische Gesundheits- und Pflegepolitik und eine stärkere Bindung zu den Gewerkschaften – um nur einige zu nennen. Dass wir gute Kompromisse schließen können, lässt sich auf Länderebene beobachten.

Schauen wir aber genauer hin, fällt auf, dass es entscheidende Unterschiede in den Programmen gibt. Die Linke fordert beständig einen Austritt aus der NATO und will damit unser kollektives Sicherheitsbündnis aufkündigen. Die NATO ist und bleibt aber existentieller Pfeiler deutscher und europäischer Sicherheitsarchitektur. Hinzu kommt, dass sich „Die Linke“ konsequent gegen die Auslandseinsätze der Bundeswehr ausspricht, die Teil unserer Verpflichtungen gegenüber unseren Partnern und der Welt sind.

Auch hinsichtlich der inneren Sicherheitsarchitektur klaffen die Programme von SPD und „Die Linke“ weit auseinander. „Die Linke“ muss grundsätzlich ihr Verhältnis zu Polizei und Sicherheitskräften klären. Zudem ist es kein Geheimnis, dass „Die Linke“ Geheimdienste am liebsten abschaffen möchte.

Als Bundestagsabgeordnete und ehemalige Ministerin in Brandenburg habe ich auch Kolleginnen und Kollegen aus der Linkspartei kennen und schätzen gelernt. Kompromissfähigkeit und inhaltliche Überschneidungen reichen doch aber für eine Fusion zweier Parteien nicht aus! Nicht zu vergessen: Beide Parteien kommen aus unterschiedlichen ideologischen Traditionen. Dies und die mangelnde Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte sind für mich als ostdeutsche Sozialdemokratin Grund zu sagen, dass die Unterscheide die Gemeinsamkeiten deutlich überwiegen.

Auch im linken Spektrum muss man den Menschen unterschiedliche Angebote machen. Wir als SPD stehen eben für diesen ausgewogenen Kurs mit Blick auf die Mitte der Gesellschaft. In meiner Funktion als Sprecherin des „Seeheimer Kreises“ trete ich außerdem für eine pragmatische und undogmatische Politik ein. Wir wollen Dinge umsetzen und nicht nur darüber debattieren. Wir wollen das Leben der Menschen spürbar verändern. Warum linke Parteien derzeit in Umfragen so schlecht dastehen, hat weniger etwas mit dem Überangebot linker Politik zu tun, sondern vielmehr damit, mit unseren Ideen zu den Menschen durchzudringen und glaubwürdig Politik zu machen.

Anstatt über irgendwelche Fusionen zu reden, müssen wir uns für starke Mitte-Links-Bündnisse in der Gesellschaft einsetzen. Wir brauchen progressive Antworten auf die vielen Bruchlinien in unserem Land: jung und alt, arm und reich, ländlicher Raum und Leben in der Stadt. Das Potenzial, Menschen in Deutschland mit linken Ideen zu begeistern, gibt es. Der Anspruch der SPD ist es, wieder stark zu werden. Mit einer anderen Partei zusammen zu gehen, weil man Angst hat, gar nicht mehr gehört zu werden? Das ist meiner Meinung nach die falsche Antwort.


 

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