Komplexer Geist

Kluges Pneumatologie-Update

Auch theologische Paradigmen brauchen von Zeit zu Zeit ein Update. Das kann sich auf ganz verschiedene Weise vollziehen. Am schnellsten, wenn auch nicht besonders unkonventionell, erreicht man ein Ergebnis, lädt man kundige Menschen ein und beleuchtet den Gegenstand aus verschiedenen Richtungen und Perspektiven. So etwas ist im September 2018 geschehen und zwar in den traditionsreichen Hallen der Evangelischen Akademie zu Arnoldshain im Taunus. Dort versammelte sich die Kirchenleitung der Union Evangelischer Kirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland – kurz UEK – zu einem Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern theologischer Fakultäten und Hochschulen, um sich der dritten Person der Trinität, dem Heiligen Geist, vertiefend zuzuwenden.

Die Referate dieser Tagung sind vor einigen Monaten in einem Band der Reihe „Evangelische Impulse“ der UEK erschienen. Bei wem allein der Begriff „Tagungsband“ Fluchtreflexe auslöst, der sei zum Bleiben aufgefordert, denn der vom theologischen Referenten im Amt der UEK, Albrecht Philipps, herausgegebene Band vereinigt durchweg höchst originelle und lesenswerte Zeugnisse pneumatologischen Denkens der Gegenwart zwischen den grünweißen Buchdeckeln!

Schon der einleitende Beitrag des Rostocker Systematikers Philipp Stoellger stellt die Geistgedanken auf weiten Raum, wenn er verkündet, dass „alte Dualisierungen wie ,Offenbarung oder Erfahrung‘ (…) in medientheoretischer Perspektive womöglich überschreitbar“ seien. Dann legt Stoellger los und lässt „zwischen Gotteswerk und Menschenwerk das Wortwerk“ oder „das Medienwerk, die Mediendynamik“ spielen. Über die dritte Person der Trinität sagt er: „Mediale Figuren des Dritten sind Zwischenbestimmungen – mit einer bemerkenswerten Eigendynamik.“ Und die könne durchaus „übel ausgehen bei Äpfeln und Schlangen“ aber auch „heilvoll bei Brot und Wein, bei einem guten Gleichnis, einer Ostergeschichte wie Emmaus, oder aufgrund eines theologisch ungemein innovativen Entwurfes wie dem Johannesevangelium“. Insofern sei Pfingsten die „imaginative Urgeschichte solcher Mediendynamik: wie der Geist Leib wird und überraschend kreative Wirkung entfaltet.

Prägnant fasst Stoellger dann die unverzichtbare Bedeutung des Geistes für den Glauben zusammen: „Worin nehmen Christen Gott wahr? Im Glauben als Medium der Wahrnehmung. Wodurch wird der Glaube formatiert? Durch Christus als dem maßgebenden Medium der Gotteswahrnehmung. Christen nehmen Gott in und durch Christus wahr. Was aber, wenn der ‚weg‘ ist? Auferweckt und erhöht? Dann nehmen Christen Gott und den Nächsten wahr durch die nachösterlichen Medien Christi, genauer: die Medien des Geistes Christi und zwar im Geist Christi als Medium. Pfingsten erzählt daher vom Christus praesens: von der Gegenwart des Geistes Christi. Und wie wird der gegenwärtig? Im Gleichnis als Gleichnis, in der Erzählung als Erzählung – im Medium als Medium.“

Solch interessante, belebende und auch widerständige Deutungen enthält fast jeder der zwölf Beiträge, die neben Stoellger – so viel Zeit soll hier sein – von Volker Jung, Konrad Schmid, Reinhard G. Kratz, Corinna Dahlgrün, Dirk Evers, Jörg Haustein, Peter Zimmerling, Christian Schad, Uta Heil und dem jung gebliebenen Nestor der deutschen akademisch-theologischen Heilig-Geist-Forschung, Michael Welker (siehe auch Interview Seite 38), stammen. Summa: Ein absolut lesenswerter Band, der äußerlich demütig und bescheiden daherkommt, aber lassen wir uns nicht täuschen! Wie sagte schon Martin Luther über das Wirken des göttlichen Geistes: „…gar heimlich führt er sein Gewalt!“

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