Namen geben

M. Ward: Migration Stories

Nennen wir es das Auto-Quartett-Gen: Männer haben bei Musik viel Drang, ihr Wissen anzubringen, dass es protzt wie die Karren auf den Karten. Frauen halten sich eher zurück, geduldig, gleichgültig oder genervt. Aber was gab es da schon Streit. Dabei spielt Wissen hier keine Rolle, es geht um einfinden. Allerdings ist das Droppen von Namen bei M. Ward nur schwerlich zu vermeiden. Umfeld und Kontexte verraten viel über den Gitarristen und Sänger aus Oregon. So sind auf seinem zehnten Album Migration Stories etwa Tim Kingsbury und Richard Reed Parry von Arcade Fire dabei. Er gehörte zu den Monsters of Folk, neben Conor Oberst, Jim James (von My Morning Jacket) und Mike Mogis (von Bright Eyes), mit denen er auch sonst immer wieder spielte; oder, um eben nur einige Namen zu nennen, auf einem Album der umwerfenden Country Noir-Lady Neko Case.

Hier sind also Fährten aufzunehmen. Und M. Ward, den Howe Gelb (von Giant Sand) einst förderte, liegt mit seinen Alben ungefähr hier: „A musical wanderer‘s dusty, train-hopping tour through folk, blues and country“. Seine sanfte, teils rauchrauhe Stimme, Analogsound mit LoFi-Patina, starkes Gitarrenspiel und Songwriting ergeben eine Anmutung von irgendwo zwischen Elvis, Beatles und jetzt. Die elf Songs von Migration Stories taugen als Einstieg ebenso gut wie ältere, auch wenn sie zuerst glatter wirken. Von Zug zu Zug springt M. Ward stil- und zielsicher nach wie vor, hier nun zu Geschichten über Migration, das Hin- und Wegbewegen, Wandern. Was eben Menschen tun. Oder Schmerzen. Tiere ziehen. Seine Migration Stories indes sind durchweg vielmehr Meditation und traumhafte Verdichtung als Story, auch wenn er beim Cover von Along the Santa Fe Trail zu sattem tiefem Twang an seinen in den 1930ern aus Durango immigrierten Großvater dachte, wie er sagt. Zur faszinierenden Gitarre, oft in experimenteller Stimmung, gelingen ihm durchweg filigrane, nie massive Schüttbilder mit zarten Farbläufen, in denen der Text öffnende Querlinien zieht. Das Große und Kleine, Raum, Zeit, Leben und Tod fächern zur Spielwiese auf, die er eingängig leicht mit Ernst und Tiefe, aber ohne zu fordern durchschreitet.

Die Voraussetzungen für Psychedelik sind also gegeben, wobei sie teils gar Pop-Appeal haben. Coyote Mary’s Traveling Show etwa ist ein Slowburn-Cowboy-Shuffle mit ganz viel Wärme, Independent Man traumwilder Country-Dub mit Elektro-Beat, und das perlende Torch setzt mit der Zeile „Heart beats a rhythm to its own“ die Krone auf, bevor das Album mit dem Instrumental Rio Drone ganz bei sich schließt. Elf Songs, die dem Erstaunlichen Namen geben oder die Hauch sind, immer von A nach B. Sie sprechen an und aus. Atmen, haben Seele.

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