Tanzender Glanz

Muthspiels souveräne Symbiose

Wolfgang Muthspiel, vom New Yorker als ein „leuchtendes Licht“ unter den heutigen Jazzgitarristen geadelt und als Professor für Jazzgitarre schon Urgestein der Baseler Musikhochschule, kehrt nach zwei vielfach gelobten Quintett-Veröffentlichungen mit seinem vierten ECM-Album Angular Blues zur Trio-Formation zurück. Wie schon 2014 auf der ersten ECM-Trio-CD Driftwood schlägt auch auf Angular Blues Muthspiels langjähriger US-amerikanischer Mitstreiter Brian Blade auf, der auch schon im Rücken von Chick Corea, Norah Jones oder Bob Dylan wirbelnd für den rollenden Groove gesorgt hat. Den Bass an der Seite des Österreichers spielt heuer Scott Colley, gut bekannt aus dem Trio mit Herbie Hancock und Terri Lyn Carrington. Seine bärig-agile Erdigkeit setzt einen profunden Kontrapunkt zur stupenden Beweglichkeit seiner Kollegen.

Wolfgang Muthspiel bedient sich auf dieser CD sowohl der akustischen als auch der elektrischen Gitarre und lässt dabei all seiner filigran-schwebenden Gelassenheit freien Lauf. Er legt weite Landschaften auf, durchmisst sie mit melodischer Leichtfüßigkeit, raut sie mit kurzen, kantigen Riffs rhythmisch auf und teilt sie energetisch im präzis sich immer wiederfindenden, wogenden Dreierreigen des eng verwobenen Gespanns. Dafür hält gleich der kurzweilige Siebenminüter Wondering zum Auftakt auf wunderbar einladende Art Hof. Das Herz schlägt doppelt selig im Fortgang – insbesondere bei den außergewöhnlichen Balladen Hüttengriffe und Camino – wenn Finger und Sticks zur Ruhe kommen, wenn alles Sein sich selbst genügt und es statt Fragen den einfach verstehenden, reinen Klang gibt. Diese souveräne Symbiose trägt das ganz Album, das, gleich dem Licht langer spätnachmittäglicher Stunden, über langen, konturgebenden Schatten aufscheint – schon nicht mehr greifbar im Schwinden, aber alle Himmel farbenreich einnehmend mit seinem ewigem Leuchten.

Die Mitte der CD bildet mit Ride ein ungemein launiges, auf Bebop-Changes beruhendes Stück, in dem alle Triomitglieder virtuos auf ihre Kosten kommen. Einer der durchweg körperlich resonanten Titel ist für Gitarre solo Solo Kanon in 5/4. Wolfgang Muthspiel nutzt hier geschickt elektronische Delays, die der grazilen Anmutung einer barock perlenden Etüde hypnotische Schwerelosigkeit und wie auf Wassern tanzenden Glanz verleihen. Mit Everything I love und I‘ll remember April präsentiert Wolfgang Muthspiel erste Standards seiner ECM-Zeit in einem sich neu erfindenden Da capo, womit er neben seiner lichten Vielseitigkeit und aufgeräumten Spielfreude zeigt, dass seine in steter Wanderschaft wache, kreative Phantasie vollends Einklang gefunden hat mit dem Kosmos seines Instruments.

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