Spirituell

Über die Auferstehung

Das Christentum kennt eine lange Tradition der ars moriendi, einer geistlichen „Bereitung zum Sterben“, wie Martin Luther es in einem berühmten Sermon formuliert. Die ars moriendi denkt der Vergänglichkeit und Vergeblichkeit alles Menschlichen nach. Je mehr das Äußerliche dahinfällt, desto mehr strebt sie nach Innerlichkeit. Ihren Frieden findet sie in Demut und Ergebung, ihr zentrales Motiv ist das Kreuz. Dieser langen Tradition möchte Jürgen Moltmann eine zweite Form der geistlichen Übung zur Seite stellen: eine ars resurgendi, eine „Bereitung zur Auferstehung in die Fülle des Lebens, das wir das ewige Leben nennen“.

Nicht, dass der alten ars moriendi die Auferstehungshoffnung fremd gewesen wäre. Aber es sind doch deutlich andere Akzente, die nun hervortreten: Die ars resurgendi erblickt den Vorschein der Ewigkeit nicht nur im Kontrast zur Endlichkeit, sondern bereits im erfüllten Augenblick. Sie zielt nicht nur auf Innerlichkeit, sondern auf eine umfassende Hingabe ans Leben. Sie meditiert über die Hoffnung auf eine Verwandlung der Schöpfung und entwickelt so eine eigene Spiritualität angesichts der Frage nach dem Sinn des Lebens und Sterbens.

Man tut diesem Buch wohl kein Unrecht, wenn man es in erster Linie als ein spirituelles Buch liest. Schon früher hatte sich Moltmann mehrfach mit der Auferstehung und überhaupt mit der christlichen Eschatologie beschäftigt. Seine Theologie der Hoffnung aus dem Jahr 1964 ist sein bekanntestes Werk. Diesmal jedoch verzichtet er auf Fußnoten und die gelehrte theologische Auseinandersetzung. Stattdessen wählt er die Form des Essays, schreibt eher meditierend, bisweilen persönlich und appellativ. Als Ausgangspunkt nennt er den Tod seiner Frau Elisabeth Moltmann-Wendel – ohne dass das Buch deshalb zur Trauerbiografie würde.

Neben der ars resurgendi treten zwei weitere Motive besonders hervor: Das Motiv einer universalen Gerechtigkeit, die nicht anders als eschatologisch zu denken ist. Und das heute fast vergessene Thema der Seele, die nach der theologischen Tradition stets mehr und anderes meint als der philosophische Geist oder das psychologische Ich. Moltmann deutet die Seele als Inbegriff für das ganze Leben eines Menschen in seiner Lebendigkeit – und die Auferstehung entsprechend als die Verwandlung allen Lebens in die ihm ursprünglich verheißene, innerweltlich aber immer auch gehemmte und durchkreuzte Lebendigkeit, die von dem lebendigen Gott selbst ausgeht.

Dabei lässt Moltmann keinen Zweifel daran, dass er die Auferstehung Jesu als historische Tatsache begreift und überhaupt im ewigen Leben mehr als eine bloße Metapher sieht. Angesichts dieses schwierigen, auch unter Christen umstrittenen Themas gewinnt die Form des Essays, die Moltmann gewählt hat, noch einmal einen ganz eigenen Reiz. Die Frage „Was darf ich hoffen?“ ist zwar mit Kant durchaus auch eine philosophische Frage. Doch vielleicht kann man sich heute über dieses zentrale Thema des Glaubens besser in der Sprache persönlicher Überzeugung und mit den Argumenten lebensweltlicher, spiritueller Plausibilität verständigen, als mit den Mitteln metaphysischer oder wissenschaftlicher Rationalität. Vielleicht ist überhaupt nach Jahrzehnten der Spezialisierung und nach Bergen von Fußnoten, die die theologische Wissenschaft produziert hat, die Form des Essays als eine veritable Form theologischen Denkens neu zu entdecken.

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