Jahre der Entscheidung

Die 13. Synode der EKD tritt zur konstituierenden Sitzung zusammen
Synode
Foto: epd

Heute Abend beginnen mit einem Gottesdienst die verbundenen Synodalta­gungen der EKD, sowie der VELKD und der UEK, die beide kurz „konfes­sionelle Bünde“ genannt werden. Die „alte“ 12. Synode hat ihrer Nachfolge­rin einiges vererbt. Annehmen oder Ausschlagen – das ist hier die Frage.

Bei der Deutschen Bahn ist ein gewisser Aberglaube zu beobachten, oder wie sollte sonst schlüssig zu erklären sein, dass bei der Wagenreihung des ICE der Wagen 13 regelmäßig fehlt. Abergläubisch ist die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) nicht – jedenfalls hat an­scheinend niemand versucht, der 12. Synode der EKD klammheimlich eine 14. Synode folgen zu lassen. Trotzdem muss man kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass diese 13. Sy­node einige unglücklich machen wird. Jedenfalls wenn sie finanzpolitisch auf dem Kurs bleibt, den ihre Vorgängerin eingeschlagen hat.

Zur Erinnerung: 2019/20 hat die EKD den in den vergangenen Jahren auch infolge reichlicher Kirchensteuereinnahmen eingeschlafenen Reformprozess wieder aufgenommen. Zunächst löste die sogenannte Freiburger Studie, die eine Halbierung der Kirchenmitgliedszahlen und des Kirchensteueraufkommens bis 2060 vor­hersagte, 2019 eine große Resonanz aus. Der Reformprozess nahm wieder Fahrt auf, und diese Entwicklung schlug sich zunächst in „Elf Leitsätzen für eine aufgeschlossene Kirche“ und – nach lebhaften öffentlichen und internen Diskussionen, die schon unter dem Eindruck der Corona-Pandemie und einbrechen­den Kirchensteuereinnahmen standen – schließlich in Zwölf Leitsätzen namens „Hinaus ins Weite! – Kirche auf gutem Grund“ nieder.

In diesen Leitsätzen wurde ein neues Selbstverständnis der evangelischen Kirche bezüglich ihrer traditionellen Gestaltformen proklamiert: Mehr Organisation und Bewegung, dafür weniger Institution (wobei Irmgard Schwaetzer, die scheidende Präses, kürzlich betonte, dass alle Elemente dieser kirchensoziologischen Dreifaltigkeit in sinnvoller Relation verbleiben müssten, und sich klar gegen die vielfach bemühte Analogie zwischen Kirche und NGO wandte).

Es wird sich zeigen, inwiefern die 13. EKD-Synode ein glückliches Händchen hat und wie sie die schöne weite bunte Welt des deutschen Protestantismus künftig einhegt und reguliert oder in Teilen gar abschafft beziehungsweise wie es heute zuweilen euphemistisch heißt: transformiert. Auf jeden Fall stehen dieser 13. Synode in besonderer Weise Jahre der Entscheidung bevor.

Verfrühte Schreckensmeldungen

In den vergangenen Monaten wurde allerdings deutlich, dass die Vorhersagen über die Finanzlage der Zukunft wie alle Vorhersagen, die die Zukunft betreffen, schwierig sind: Von den Schreckens­meldungen aus dem vergangenen Frühsommer, wo die Verantwortlichen einen Kirchensteuer­einbruch infolge von Kurzarbeit und anderen Pandemiefolgen von bis zu 25 Prozent vorhersag­ten, ist nicht viel übriggeblieben. Die Kirchensteuerverluste des vergangenen Jahres 2020 gegenüber 2019 betrugen in den EKD-Landeskirchen weniger als zehn Prozent, in vielen deut­lich weniger. Allerdings erscheint die Zukunft momentan äußerst unsicher, und anders als der Staat kann sich die Kirche eben nicht dauerhaft verschulden. Erste Konkretionen wird die Synode treffen müssen, wenn es um die Verabschiedung des EKD-Haushaltes für 2022 geht. Da wird sich zeigen, inwiefern die zahlreichen konkreten Sparvorschläge, die die 12. Synode zum Ende ihres Wirkens vorschlug, von der nachfolgenden 13. Synode umgesetzt werden.

Eine „Nacht der langen Messer“ wird es bei der bevorstehenden Tagung noch nicht geben, da solche Entscheidungen erst ab Herbst anstehen. Dann wird auch ein neuer Rat der EKD gewählt und ein/e neue/r Ratsvorsitzende/r. Jetzt im Mai geht es bei der EKD bei den Wahlen um den oder die neue Präses und die Besetzung des Präsidiums – sowohl bei der EKD-Synode, wie auch bei der Generalsynode der VELKD. Mit Irmgard Schwaetzer und dem langjährigen Präsidenten der Generalsynode, Wilfried Hartmann, nehmen zwei verdiente 79-Jährige ihren Abschied, die Vollkonferenz der UEK hat eine Nachfolge des bisherigen Vorsitzenden Christian Schad zu wählen.

Als Favorit für die EKD-Position gilt für viele der ehemalige CDU-Generalsekretär und Bundesfamilienminister Hermann Gröhe, der von 2003 bis 2009 auch dem Rat der EKD angehörte. Wenn die EKD dabei bleibt, das Amt des oder der Präses an Menschen aus der Politik zu vergeben, stünden auch noch Linda Teuteberg und Stefan Ruppert zur Verfügung, die beide Bundestagsabgeordnete der FDP sind oder bis vor kurzem waren. Alle drei sind Juristen, und das ist eine Qualifikation, die dem Amt des oder der Präses der Synode durchaus zuträglich sein könnte. Spannend!

Vor einem halben Jahr, bei der siebten und letzten Tagung der 12. Synode, der ersten Zoom-Synode, hatten viele gehofft, dass diese konstituierende Tagung der 13. Synode in Bonn am Rhein und im Präsenzmodus hätte stattfinden können – so war es geplant. Das aber lässt die pandemische Lage momentan nicht zu. Also werden sich die 128 Synodalen und die gut vierzig Mitglieder der Kirchenkonferenz der EKD wieder fast alle hinter den Bildschirmen versam­meln. Nur ganz wenige Akteurinnen und Akteure werden im Kirchenamt der EKD in Hanno­ver-Herrenhausen, das wieder wie im November zu einer Art Fernsehstudio aufgerüstet wurde, „vor Ort“ sein.

Plausch in der Sitzungspause

Es erscheint müßig, über diese Umstände zu klagen, da sie nicht zu ändern sind, und im Herbst hatte ja alles gut funktioniert. Aber dass das „wirkliche“ Kennenlernen in Präsenz, ob beim Plausch in der Sitzungspause oder abends an der Hotelbar ausfallen muss, ist bitter, und so steht doch sehr zu hoffen, dass die 2. Sitzung der 13. Synode dann wie geplant in Bremen stattfinden kann. Dass Tagungen per Videokonferenz auch verheißungsvolle Aspekte in sich bergen, zum Beispiel, dass Ausschüsse der Synode oder frei zusammengefundene Gruppen von Synodalen sich mal schnell „zusammenzoomen“ können, ist natürlich unbestritten. Je länger die Pandemie dauert, je mehr wächst aber die Sehnsucht, mal wieder „richtig“ und das heißt „von Angesicht zu Angesicht“ zu tagen – gerade wenn viele sich nicht kennen, denn wie auch schon beim vorherigen Wechsel der Synoden sind etwa zwei Drittel der Synodalen neu und kennen sich sicherlich großteils nicht persönlich.

Zwar sehen sich die Menschen anders als in dem berühmten Wort des Apostels Paulus auch bei dieser Synodaltagung nicht „durch einen Spiegel in einem dunklen Bild“, sondern schon irgendwie „von Angesicht zu An­gesicht“ (1.Korinther 13,12), aber eben doch nur in kleinen oder (Sprecheransicht!) großen Kacheln, wobei das Bild zuweilen dunkel oder stumm bleibt, weil Kamera oder Mikrofon nicht angeschaltet sind, was sich glücklicherweise meist beheben lässt. Die Novembersynode 2020 hatte, was das anging, Perlen der (Zoom-)Kleinkunst zu bieten – doch deren Unterhaltungswert ist gemessen an der überragenden Qualität personaler Begegnung eher geringzuschätzen.

Konstituierende Synodentagungen haben es an sich, dass viel „Kram“ zu regeln ist, schließlich muss die Basis dafür gelegt werden, dass auf den folgenden Jahrestagungen funktionstüchtig gearbeitet werden kann. Inwiefern die zwangsläufig aufgrund der Pandemie gemachten Erfah­rungen mit Videokonferenzen auch bewahrenswerte Innovationen mit sich gebracht haben, wird sich zeigen. Vielleicht wird es zu diesem Thema erste Resonanzen bereits am Freitagabend geben, wenn das Thema „Gottesdienst und Corona“ aufgerufen wird. Ein weites Feld soll in zwei Stunden abgehandelt werden. Da darf man gespannt sein, auch darauf, wie es der neue rheinische Präses und ehemalige Leiter des EKD-Reformbüros, Thorsten Latzel, bewerkstelli­gen wird, in nur einer Stunde alle 128 Synodalen zu verpflichten und dabei auch noch einen schönen Eröffnungsgottesdienst aus der Herrenhäuser Kirche zu feiern und das alles via Zoom. Meine Prognose: Technik macht‘s möglich!

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