Provozierende Nachdenklichkeit

Beobachtungen zu den Synodaltagungen von VELKD und UEK
Pause bei der UEK

Im Vorfeld der EKD-Synode tagten die Vertretungen der sogenannten konfessionellen Bünde, die UEK und die VELKD. In beiden Gremien gab es Neuwahlen. Aufbruchsstimmung in Sachen eigener Zukunft gab es traditionell nur bei den Unierten, während die Lutheraner zunächst in sich ruhten.

„Das Ringen um Strukturen ist zur Ruhe gekommen“. Mit diesem Satz spielte am gestrigen Tag der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Ralf Meister, bei der Konstituierung der neuen Lutherischen Generalsynode auf das Verhältnis zwischen der VELKD und der EKD an.

Und tatsächlich: Zu Beginn dieses Jahrhunderts war noch heftig darüber gestritten worden, ob es neben der EKD noch die 1948 gegründete VELKD geben müsse, der sieben lutherische Mitgliedskirchen der EKD angehören. Selbst Synodale der VELKD stellten damals diese Frage. Unvergessen auch die Ruppigkeiten, als übereifrige EKD-Einigungsfanatiker bei der ersten verbundenen Synodaltagung in Würzburg 2009 bei Umhängetaschen mit dem Logo der VELKD die Buchstaben „V“ und „L“ überklebten, sodass nur noch „EKD“ übrigblieb.

Seitdem ist im Rahmen eines Verbindungsmodells an die Stelle des eigenen Kirchenamtes ein Amtsbereich der VELKD im EKD-Kirchenamt getreten, dessen Leiter Horst Gorski auch Vizepräsident des EKD-Kirchenamtes ist. Die VELKD-Synode tagt nicht mehr getrennt von der EKD-Synode an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit. Die VELKD-Synodalen kommen vielmehr kurz vor der EKD-Synode zusammen, um dann als deren Mitglieder weiter zu arbeiten.

Bei der konstituierenden Sitzung wählte die VELKD-Generalsynode Matthias Kannengießer (52) zum Präsidenten. Der Richter, der auch die Synode der hannoverschen Landeskirche leitet, war einziger Kandidat. Er erhielt 44 Ja-Stimmen bei 3 Enthaltungen. Auch bei seinen Vizes gab es nur eine Bewerberin und einen Bewerber. Zur Ersten Vizepräsidentin wurde Pröpstin Martina Helmer-Pham Xuan aus der braunschweigischen Landeskirche gewählt (46 Ja, 2 Enthaltungen) und als Zweiter Vizepräsident Norbert Roth, Pfarrer an der Münchner Bischofskirche St. Matthäus (41 Ja, 5 Enthaltungen). Bei ihren Vorstellungen äußerten sich Kannengießer, Helmer-Pham Xuan und Roth nicht zur Zukunft der VELKD. Die scheint für sie genauso wenig in Frage zu stehen, wie für Bischof Meister.

Alles ruhig? Mitnichten

32 VELKD-Synodale sind neu im Amt. Nicht nur für sie, sondern wohl auch für Außenstehende wurden die Bereiche vorgestellt, die die VELKD besonders abdeckt. Dazu gehören die Arbeit des Liturgiewissenschaftlichen Instituts der VELKD an der Universität Leipzig, des Gemeindekollegs in Neudietendorf und des Theologischen Seminars in Pullach bei München. Letzteres dient der Fortbildung der Geistlichen, bringt aber anders als die Pastoralkollegs der Landeskirchen Pfarrerinnen und Pfarrer aus unterschiedlichen Landeskirchen und aus dem Ausland zusammen. Eine Besonderheit und Stärke der VELKD ist auch die Arbeit des Catholica-Beauftragten, der die Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche pflegt.

Also alles ruhig? Mitnichten. Schon in einem Interview mit zeitzeichen hatte die scheidende Präses der EKD-Synode, Irmgard Schwaetzer, beklagt, dass im deutschen Protestantismus „durch komplexe Strukturen viel Zeit verloren geht“. Und sie hatte gelobt, dass die Union Evangelischer Kirchen (UEK), der Zusammenschluss von zwölf Mitgliedskirchen der EKD, die sich eben nicht als dezidiert lutherischen verstehen, „verstärkt Überlegungen“ anstelle, ob ihre Zukunft „ganz innerhalb der EKD liegt“. Und Schwaetzer meinte: „Von gleichen Überlegungen in der VELKD weiß ich nichts, insofern bleibt es eine Baustelle“.

Die „Ruhe“ beim „Ringen um Strukturen“, die Bischof Meister am Donnerstag beschwor, wird also spätestens dann vorbei sein, wenn die UEK in der EKD aufgeht und die Landeskirchen noch stärker sparen müssen. Spätestens seit der Schlusstagung der vergangenen EKD-Synode, der ersten Zoom-Synode im vergangenen November, ist klar, dass sich die EKD nach „Kirche der Freiheit“ im Jahre 2006 mit den „Zwölf Leitsätzen“ einer neuen Reformagenda verschrieben hat und dass die 13. EKD-Synoden vor Jahren großer Entscheidungen steht.

Und allem inhaltlichen Gerede zum Trotz sind es natürlich in erster Linie die schwindenden Ressourcen, beziehungsweise die große Angst vor einem Schwinden der Ressourcen, von denen sich die Kirchenverantwortlichen jetzt zum Jagen tragen lassen. Dabei ließ sich die VELKD gestern und heute noch nichts anmerken, auch in der Pressekonferenz am Mittag machte der Leitende Bischof nur Andeutungen als er auf Einsparnotwendigkeiten hingewiesen wurde: Ja, man sei in Überlegungen bei künftigen Schwerpunktsetzungen, ob es so weitergehen könne, aber ganz so dringend, wie bei der EKD, sei es bei der VELKD noch nicht.

Letzter Präsidiumsbericht

Also doch alles ruhig? Eher nicht. Heute Morgen hatte die Union der Evangelischen Kirchen in der EKD – kurz UEK – ihre Beratungen aufgenommen – zunächst gab es ein großes Durcheinander mit den technischen Abstimmungstools, die sich aber nach einer Weile vor allem Dank der ruhigen Hilfe von den Profis aus dem EKD-Kirchenamt lösen ließen. Dann hielt Kirchenpräsident Christian Schad, der bereits vor zwei Monaten aus seinem landeskirchlichen Leitungsamt geschieden war, zum letzten Mal den Bericht des Präsidiums.

Wir erinnern uns: Im Herbst 2019 hatte die UEK bei der Tagung der Vollkonferenz, damals noch im Präsenzmodus in Dresden, ordentlich Druck bekommen, dass sie die Eingliederung der UEK in die EKD vorantreiben sollte. Diese Aufregung, die damals sogar in der Aufforderung gipfelte, die UEK möge sich selbst mit einem „Verfallsdatum“ versehen (Paul Nolte), konnte nur mühsam abgewendet werden, auch wenn am Ende mit übergroßer Mehrheit der Bestand der UEK für die Jahre von 2021 bis 2027 doch beschlossen wurde. Im vergangenen Jahr, als das erste Mal per zoom getagt wurde, gab es dann in Form eines brillanten theologischen Vortrags des Münsteraner Theologen Michael Beintker eigentlich jenen Crashkurs, den 2019 die Synodale Judith Filitz in Ihrer Gegenrede zur Schnellauflösung der UEK gefordert hatte.

In der neuen Legislatur wollen sich die Unierten aber anscheinend eher einen Crashkurs in Sachen Selbstauflösung und -entwichtigung vornehmen als ihren Eigenwert zu entdecken. Jedenfalls gab es im Bericht von Christian Schad ein klares Bekenntnis zu einem aktiven Transformationsprozess der UEK hinein in die EKD. Statt in einer Vollkonferenz wie zurzeit noch, sei zu überlegen, ob nicht die „UEK als Gemeinschaft ihrer (…) Mitglieds- und Gastkirchen ihre zukünftige institutionelle Gestalt“ in einem „Konvent der Kirchenkonferenz der EKD“ zu verwirklichen sei. Prompt provozierte dieser Vorschlag in der Aussprache gleich eine Gegenfrage, ob denn im Rahmen der Kirchenkonferenz, in der ja nur leitende Hauptamtliche tätig seien, das synodale Element bliebe. Natürlich wolle man darauf achten, hieß es.

UEK-Beitrag könnte „spürbar sinken“

Schad berichtete auch, dass man im Führungskreis der UEK übereingekommen sei, die Einsparungen der UEK „im Großen und Ganzen parallel zu denen der EKD“ zu gestalten, also: 20 Prozent weniger bis 2030. Der Haushalt der UEK solle auch möglichst bald in den Haushalt der EKD integriert werden. Hier, so der scheidende Vorsitzende, winkten administrative Vereinfachungen, die erstrebenswert seien. Gleichzeitig machte er deutlich, dass die Arbeit der UEK natürlich nicht einfach eingespart werden können. Zwar könnte wohl die UEK-Umlage für die Landeskirchen „spürbar sinken“, doch soweit „Kosten verursachende Aufgaben der UEK nicht gänzlich aufgegeben“, sondern in anderen Formaten fortgeführt würden, müssten diese natürlich auch bezahlt werden.

Ganz wichtig war es Schad, daran zu erinnern, dass es zur Umsetzung von Veränderungen „vertrauensbildender Kommunikation“ bedürfe, und das heißt für ihn konkret „vertrauensvolle Konsultationen und Verständigungen sowohl mit der EKD als auch mit der VELKD“. Mit Verantwortlichen der VELKD in Gestalt des Leitenden Bischofs der VELKD, Ralf Meister, und Leiter des Amtsbereiches der VELKD, Vizepräsident Horst Gorski, habe es bereits eine Unterredung über diese Themen gegeben. Schad: „Mein Empfinden war, dass wir Nachdenklichkeit provoziert haben.“ Auch die Geschwister der VELKD sähen das „Nebeneinander von VELKD und EKD“ eher kritisch. Als ein konkretes Ziel für die nächste Zeit nannte Schad zum Beispiel die beiden liturgischen Ausschüsse von UEK und VELKD „perspektivisch“ in einer Kammer der EKD für Theologie zu organisieren. Auf den Fortgang der Annäherung darf man gespannt sein.

In der Familie geblieben

Schließlich wählte die Vollkonferenz mit traditionell übergroßer Mehrheit einen seiner bisherigen Stellvertreter, den hessisch-nassauischen Kirchenpräsidenten Volker Jung zum Nachfolger Schads, der seit 2013 der Vollkonferenz vorgestanden hatte. Auch Schads zweite bisherige Stellvertreterin, die juristische Präsidentin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Brigitte Andrae, schied altersbedingt aus ihrer Position. Ihr folgt mit Jan Lemke derjenige, der ihr auch im landeskirchlichen Amt nachfolgen wird, und auf die Stellvertreter-Position, die Volker Jung bisher innehatte, wurde die neue pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst gewählt.

Landeskirchlich gesehen blieb also an der UEK-Spitze alles sozusagen in der Familie. Inwieweit sich die UEK noch mehr in die Großfamilie EKD integrieren möchte, wird sich in Zukunft zeigen müssen. Bisher gilt hier, wie es so häufig  in Zeiten von Zoom-Konferenzen auf den Bildschirmen zu sehen ist: Die Abstimmung läuft – untereinander und sicher bald auch konkreter auch mit den professionellen Geschwistern von EKD und VELKD. Insofern: Keine Ruhe. Nirgends.

 

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