Grundstein für die gebaute Ringparabel

Am Berliner Petriplatz beginnt die Errichtung des interreligiösen „House of One“
Die drei Geistlichen des "House of One"
Foto: Klemens Renner
Die Geistlichen des "House of One" mit Architekturmodell, (v.l.n.r.) Pfarrer Gregor Hohberg, Rabbiner Andreas Nachama und Imam Kadir Sanci

Was vor zehn Jahren mit einer Idee begann, wird ab dem morgigen Donnerstag gebaute Wirklichkeit: Die Grundsteinlegung des „House of One“ ist ein wichtiger Schritt hin zu dem einzigartigen Bet- und Lehrhaus für Christen, Juden und Muslime. Und das nötige Geld für den 47 Millionen Euro teuren Bau ist auch schon fast zusammen.

In der historischen Mitte Berlins geschieht wieder einmal Historisches: Am morgigen Donnerstag wird der Grundstein für das „House of One“ in Berlin gelegt und der Bau des in dieser Form einzigartigen gemeinsamen Bet-und Lehrhauses der drei abrahamitischen Religionen beginnt – zumindest symbolisch. Denn noch gibt es einige archäologische Arbeiten, die fertig werden müssen. Schließlich wird das Haus auf den Fundamenten der St.Petri-Kirche gebaut, die schon im Mittelalter diesen Platz dominierte und der sozialistischen Stadtplanung der DDR weichen musste. Doch ab Herbst soll das vor zehn Jahren erdachte kühne Projekt dann tatsächlich gebaut werden und in vier Jahren seine Türen öffnen.

Als die Pläne des Architekturbüros KuehnMalvezzi vor neun Jahren vorgestellt wurden, war klar, dass hier tatsächlich ein beeindruckender moderner Sakralbau entstehen wird, mit je einem Saal für jede Religion und einem großen Zentralraum für gemeinsame Veranstaltungen und Begegnungen. Die Baukosten wurden auf 47 Millionen Euro beziffert und sollten allein aus Spenden finanziert werden. Tatsächlich ist das Geld mittlerweile fast zusammengekommen, 43,6 Millionen Euro werden auf der Website als aktueller Spendenstand genannt. Allerdings kamen nun doch 20 Millionen Euro vom Bund und zehn Millionen Euro vom Land Berlin. Der Rest allerdings setze sich aus vielen kleinen Spenden (ab zehn Euro ist der Erwerb eines symbolischen Bausteins möglich) bis hin zu siebenstelligen Großspenden zusammen, sagte Sophia Athié, die für das Fundraising zuständig ist, am Mittwoch vor Journalisten. Wer soviel Geld gab, gaben die Initiatoren des Projekts nicht bekannt. Roland Stolte, Direktor der Stiftung „House of One“, verwies aber darauf, dass es sich um einen Spender aus dem deutschen und nicht speziell religiösen Kontext handele.

Tatsächlich zeigen auch die kurzen Nachrichten der Kleinspender auf der Website, dass das Projekt auch bei vielen nichtreligiösen Menschen Unterstützung findet. Denn natürlich soll von dem „House of One“ die Botschaft ausgehen, dass die drei Religionen friedlich neben- und miteinander beten und Gottesdienst feiern können. So sei etwa ein gemeinsames Gebet am 11. September dieses Jahres geplant, dem 20.  Jahrestag der Terroranschläge in den USA. „Die Gesellschaft ist religiös vielfältiger geworden“, sagte Pfarrer Gregor Hohberg, einer der Initiatoren des Projektes. Zudem werde die Rolle von Religionen als Speicher von Erfahrungswissen über die großen Fragen der Menschheit wieder mehr geschätzt. Aber die Debatte sei oft sehr aufgeregt. Das „House of One“ solle den Debatten „einen Ort und Zeit geben“.

Pionierarbeit von Wenigen

Der muslimische Geistliche in dem Projekt, Imam Kadir Sanci, betonte ebenfalls, dass in der neuen Moschee im Herzen Berlins eine „zeitgemäße und werteorientierte Auslegung des Islams“ gelehrt werden soll, hauptsächlich in deutscher Sprache, damit auch die Jugendlichen in Berlin die Worte verstünden. Das „House of One“ beantworte die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehöre mit „Ja“, sagte Sanci, dem in den vergangenen Jahren immer wieder die Nähe zur stark auf Bildung setzenden und nicht unumstrittenden Gülen-Bewegung vorgeworfen wurde, womit er unter den Muslimen in Deutschland eine Minderheit vertritt. „Pionierarbeit wird immer von Wenigen gestartet“, entgegnet Sanci. Vor zehn Jahren hätten viele Muslime Probleme mit dem jüdisch-muslemischen Dialog gehabt, nun gebe es diesen in vielen Gemeinden. Zudem habe man in der konkreten Arbeit immer wieder auch andere Imame beteiligt, etwa bei der Andacht zu dem Anschlag in Hanau. „Von diesem Haus sollen Frieden und Sicherheit ausgehen“, betonte Sanci.

Rabbiner Andreas Nachama zeigte sich optimistisch, dass dies gelingt. Bei den „hochinteressanten“ Gesprächen, etwa über die Architektur der Räume und den jeweiligen Wünschen und Besonderheiten, seien die Beteiligten zu „Brüdern und Freunden“ geworden. Es gehe nun nicht nur darum, Stein auf Stein zu bauen, sondern auch auf „inhaltlichen Fundamenten aufzusatteln“. Die Grundsteinlegung sei  "ein wichtiger Schritt hin zur baulichen Vollendung unseres interreligiösen Friedensprojekts", sagte Nachama, der auch Vorsitzender des Stiftungsrats des „House of One“ ist.

Alles im Livestream

Die Grundsteinlegung, an der unter anderem Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, der Berliner Bürgermeister Michael Müller und der Berliner Bischof Christian Stäblein teilnehmen werden, wird coronabedingt ohne Zuschauer stattfinden. Interessierte können aber ab 10.30 Uhr über den Livestream die Zeremonie verfolgen und über den Tag hinweg an weiteren digitalen Veranstaltungsformaten, wie an Gebeten, einer digitalen Fragestunde und der Festrede des Philosophen Wilhelm Schmid teilnehmen.

Weitere Informationen und das genaue Programm sind hier zu finden.  

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Foto: Rolf Zöllner

Stephan Kosch

Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen". 


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