In den meisten Punkten kommen Elke Büdenbender und Eckardt Nagel zu ähnlichen Einschätzungen, wenn es um das Thema Tod und Sterben geht: etwa, dass sich medizinisch und gesellschaftlich vieles verändert hat (einiges zum Guten, einiges zum Schlechten), dass das Land mit/nach Corona eine neue Debatte braucht über einen würdigen Umgang mit Sterbenden und ihren Angehörigen, dass Hospiz- und Palliativarbeit gestärkt werden müssen, und dass sich jeder und jede Einzelne der eigenen Endlichkeit stellen sollte.

Die vielfältigen Übereinstimmungen verwundern nicht. Büdenbender und Nagel sind seit Jahrzehnten befreundet, gehören derselben Generation an (Büdenbender ist Jahrgang 1962, Nagel wurde 1960 geboren). Beide haben Schicksalsschläge hinnehmen müssen: den Tod eigener Kinder (Nagel), eine lebensbedrohliche Krankheit (Büdenbender). Beide haben (in unterschiedlicher Ausprägung) eine religiöse Anbindung, beide blicken über den Tellerrand ihrer eigenen Profession hinaus. Sie: Richterin am Verwaltungsgericht Berlin und Ehefrau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er: Transplantationschirurg, promovierter Philosoph und Professor für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bayreuth. In kirchlichen Kreisen ist Nagel zudem bekannt als Präsident des 30. Deutschen Evangelischen Kirchentags 2005 in Hannover und evangelischer Präsident des zweiten Ökumenischen Kirchentages 2010 in München.

Für ein „Gespräch über das Leben und das Sterben“ haben sich Büdenbender und Nagel zusammengetan. Lesenswert ist ihr Buch Der Tod ist mir nicht unvertraut nicht nur aufgrund seiner Offenheit im Blick auf persönliche Erfahrungen, sondern vor allem wegen seiner Beobachtungen im gesellschaftlichen Umfeld und seiner klugen Reflexionen und Einordnungen. Dabei macht das Buch deutlich: Beim Thema assistierter Suizid kommen die Dialogpartner nicht zusammen. Obwohl beide ebenso empathisch wie reflektiert und kenntnisreich argumentieren, spricht doch aus der einen die Juristin, aus dem anderen der Arzt. Hintergrund ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020, das ein Gesetz von 2015 einkassierte und Bürgerinnen und Bürgern ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben zugestand. Dieses Recht, so die Richter, müsse auch das Recht einschließen, die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen.

Die Verantwortung der Gesellschaft/des Staates für den Schutz des Lebens auf der einen und die Autonomie des einzelnen Menschen auf der anderen Seite – darum geht es im Kern. Während für Büdenbender das Karlsruher Urteil gut begründet und nachvollziehbar ist, stellt Nagel als Mediziner und gläubiger Christ klar: „Ärzteschaft tötet nicht.“ Zwar räumt er ein, dass Menschen in einer tiefen Krise möglicherweise nur noch den Suizid als Ausweg sehen könnten. Infrage stellt er jedoch, dass Hilfe dazu „geschäftsmäßig“ angeboten werden dürfe und dass Ärztinnen und Ärzte diesen Wunsch umsetzen müssten. Die aktuelle politische Debatte um eine Neuregelung der Suizidbeihilfe (siehe auch Seite 42) im Blick sagt Büdenbender: Die Herausforderung sei, eine Lösung zu finden, „ohne unsere Humanität zu riskieren“ und ohne „in eine Routine zu fallen“. Die Juristin ist aber überzeugt, dass es Wege geben kann, sterbewillige Menschen nicht von Hilfsangeboten abzuschneiden.

Man darf gespannt sein, worauf sich der Bundestag verständigen wird. Ein Beitrag zur Diskussion, über ethische, juristische und medizinische Aspekte, ist das Buch von Büdenbender und Nagel allemal. Und vielleicht trägt es – auch durch die Bekanntheit der Autoren – dazu bei, das gern verdrängte Thema Tod und Sterben in der Gesellschaft und in der Familie neu ins Gespräch zu bringen. Weil es gut lesbar ist. Und weil es einmal mehr klarmacht, dass mit der Frage nach Tod und Sterben immer auch die Frage nach dem Leben verbunden ist.

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