Voll im Flow

Mozart und Elektronik

Mozart ist nicht gleich Mozart: Es gibt ein paar gefährdete Phrasen und Melodiefolgen, die zuweilen als ordinäre Fahrstuhlmusik zu enden drohen, Beispiel gefällig: Da--da-da--da-DAdadada-DAA. Viel wichtiger aber sind Mozartmomente, in denen die Welt still steht: Einiges aus der c-Moll-Messe, klar, insbesondere „Et incarnatus est“ (NB: Wem da nicht klar wird, dass Gott nicht Gott sein kann, ohne Mensch zu werden, dem ist nicht zu helfen). Oder „Laudate dominum“ aus der Vesperae solennes, auch wenn man es schon auf ein bisschen zu vielen Hochzeiten gehört hat, und wer es rauer mag: der Beginn der großen g-Moll-Sinfonie und so weiter – vom Requiem und den Klaviersonaten fangen wir jetzt gar nicht erst an.

Ganz besonders besonders ist das Klarinettenkonzert A-Dur (KV 622), Mozarts Aufforderung: „Komm, wir machen einen Frühsommer-Spaziergang, ich zeige Dir Wunderbares mit Tiefgang und – ich kann ja nicht anders – mit Augenzwinkern.“

Insofern wunderbar, dass die belgische Klarinettistin Annelien Van Wauwe (*1987) dieses Konzert neu eingespielt hat und zwar in der (originalen!) Fassung für Bassettklarinette, ein Instrument, das im Vergleich zu seiner konventionellen Schwester einen hinreißenden edel-nasalen Ton entfalten kann, an dem sich schwer sattzuhören ist. Drei Sätze für die Ewigkeit, und der Beginn des zweiten Satzes ist wieder so ein Inkarnationsmoment, ein entfernter Verwandter des „Et incarnatus“. Kurz und gut, eine hinreißende Aufnahme mit einem der besten Orchester, das sich die Solistin für diese Aufgabe hätte suchen können: die NDR-Radiophilharmonie Hannover mit Andrew Manze.

Eigentlich reicht das schon, um zu dieser CD zu greifen und sich frisch, virtuos, aber dabei gehüllt in einen überaus geerdeten Klang, beschenken zu lassen. Aber diese knappe halbe Stunde Mozart at it’s best ist nur die halbe Wahrheit, denn Annelien Van Wauwe, für die Yoga eine wichtige Lebensdimension ist, möchte in Dialog treten; und in der zweiten Halbzeit dieser Aufnahme wird es ganz anders: Da erklingt als Weltersteinspielung das Bassettklarinettenkonzert SUTRA des niederländischen Komponisten Wim Henderickx (*1962) von 2021. Hier werden die jahrtausendealten Yoga-Sutras des indischen Meisters Patanjali in vier Teilen in Töne gefasst: Pranayama – Dhyana – Dharana – Samadhi. Um diese fesselnde Komposition zu hören, in der Annelien Van Wauwe und ihre Hannoveraner in elektronische Klänge eingehüllt musizieren, braucht es eine gewisse Offenheit und Konzentration, sicher. Wer sie aufbringt, wird reich belohnt.

Mehr sei nicht verraten, aber diese ganz besondere Scheibe mit dem beziehungsreichen Titel Flow (und reichhaltigem Beiheft) sei wärmstens empfohlen!

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