Für Gemeinden

Islam kurz erklärt

Siebenundsiebzig Fragen und Antworten zum Islam auf 109 Seiten? Nimmt man noch die Anlagen weg, so bleiben 62 Seiten, also wenig Platz für zum Teil komplexe Fragen. Kann das gut gehen? Nun sind die Autoren ausgewiesene Experten: Gerhard Duncker war ein Jahrzehnt evangelischer Pfarrer in Istanbul und dann 15 Jahre Islambeauftragter der westfälischen Kirche. Reinhard Hempelmann leitete zwanzig Jahre die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen der EKD. Beide haben vor 15 Jahren die seinerzeit umstrittene EKD-Handreichung zum Dialog mit Muslimen „Klarheit und gute Nachbarschaft“ mitverfasst.

Die Fragen werden auf 13 Themenfelder aufgeteilt: „gute Nachbarschaft“, „islamische Vielfalt“, Nutzung kirchlicher Gebäude, Moschee(bau), natürlich Kopftuch, auch Konversionen und christlich-muslimische Ehen. „Integration“ folgt als letztes Kapitel auf „Tod und Bestattung“. Diese Fragen hätten programmatisch auch gut an den Anfang zur „guten Nachbarschaft“ gepasst.

Positiv ist herauszustellen, dass die komplexen Themen gut nachvollziehbar auf Einzelfragen aufgeteilt wurden. Dadurch ist das Büchlein sehr gut lesbar, der Umfang schreckt auch nicht ab. Bei 77 Fragen wird kaum eine ausgelassen: Die Vielfalt der muslimischen Vereine und ihrer Verbände wird benannt. Mit welchen Gemeinden kann eine Kirchengemeinde in einen Dialog eintreten (kommt auf jeden Einzelfall vor Ort an, pauschale Urteile sind zu vermeiden). Für Kirchenvorstände interessant: Aufgrund des demografischen Wandels steht gelegentlich auch der Verkauf von kirchlichen Gebäuden zur Debatte. Dabei gelte für die Autoren: „Je höher die religiöse Zeichenfunktion des … Gebäudes, desto weniger kommen Vermietung oder Verkauf … in Betracht.“ Bei Kirchen wäre ein Verkauf noch konflikt­reicher, auch wenn die Autoren ihn nicht prinzipiell ausschließen.

Anders beim gemeinsamen Gebet von Christen und Muslimen: Das könne es aufgrund des unterschiedlichen Gottesverständnisses nicht geben, wohl aber das Gebet in Anwesenheit der jeweils Anderen. Darin komme die Verbundenheit zwischen Christen und Muslimen zum Ausdruck. Bei den Hinweisen für solche Feiern wird betont, dass Unterschiede nicht übergangen werden. Dabei hätten auch vermeintliche „Äußerlichkeiten“ wie Gewänder ihre besondere Bedeutung.

Das Büchlein spricht viele wichtige Themen des Dialogs an, insbesondere solche, die sich aus der Perspektive einer Kirchengemeinde ergeben, und bietet jeweils erste Ansatzpunkte, um sich mit den Themen zu befassen. Zu jedem Thema ist aber auch zu sagen: In Wirklichkeit ist es komplexer. Das ist zwar nichts Neues, ist aber gerade in Bezug auf den Islam wichtig, weil die Berichterstattung sonst schon oft genug auf Vereinfachung und Plakativität setzt. Wer bei den einzelnen Themen mehr ins Detail geht, stellt schnell fest, dass die Antworten oft differenzierter sein müssten; dass manches gar nicht so klar ist wie dargestellt. Was ist zum Beispiel halal (also erlaubt)? Schweinefleisch und Alkohol sind verboten, aber wie sieht es mit Zusatzstoffen aus? Gibt es Spielräume für situationsspezifische Auslegungen koranischer Gebote? Letztlich sind die Antworten von bestimmten muslimischen Auslegungstraditionen abhängig. Das führt zu der Frage, die dann vielleicht doch fehlt: Gibt es im Islam unterschiedliche Arten, den Koran auszulegen? Und: Wie wird „der“ Islam an deutschen Universitäten gelehrt? Fazit: Viele Fragen bleiben offen, aber ein Anfang zum weiteren Nachdenken.

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