Rund um Schöpfung und Bewahrung

Die Generalsynode der VELKD ging beim Schwerpunktthema ins Detail
Regionalbischof Dr. Stephan Schaede vor der VELKD-Generalsynode in Magdeburg, 5.11.2022
Foto: velkd
Regionalbischof Dr. Stephan Schaede (Lüneburg) beim Vortrag vor der Generalsynode der VELKD am 5. November 2022 in Magdeburg.

Am zweiten Tag der 3. Tagung der 13. Generalsynode der VELKD in Magdeburg gab es einen inhaltlich reichhaltigen Vormittag mit zwei sehr unterschiedlichen Vorträgen, einem lebhaften World-Café und einer Bibelarbeit im „Trialog“.

Das erste Referat an diesem Magdeburger Morgen hatte es in sich: Stephan Schaede, promovierter systematischer Theologe und Regionalbischof des Sprengels Lüneburg in der Hannoverschen Landeskirche, unternahm den Versuch, in erster Linie geistlich zum Schwerpunktthema der diesjährigen Generalsynode der VELKD zu sprechen. Sein Titel: „Wie von Schöpfung reden? Perspektiven eines christlichen Lebenszukunftsdurstes.“ Was für ein Wort: „Lebenszukunftsdurst“!

Gleich zu Beginn erinnerte Schaede an eine kitschige Bild-Inszenierung, die Prinz Harry und Herzogin Meghan vor der Geburt ihres zweiten Kindes im Mai 2021 um die Welt sandten: „Ein Traum der Natalität, ganz in schwarz-weiß gehalten. Der Himmel auf Erden, eine Szene jenseits des Atlantiks. In der neuen Welt, im neuen zu Hause findet ein königliches Geschöpf seinen Weg ins Leben. – Starke Botschaft – starkes Bild für den elementaren Lebenszukunftsdurst, der in der Geburt zum Ausdruck kommt.“ Aber diesen Lebenszukunftsdurst konterkarierten die gefallenen Engel der Familie Windsor gleich durch die andere Botschaft, die sie damals ebenfalls um die Welt sandten, nämlich dass dieses zweite Kind wohl ihr letztes sein werde. Und zwar aus Umweltgründen. Es gebe produktivere Formen der Sorge um die zukünftigen Generationen. Dazu Schaede: „Hier stehe ich nun als Vater von vier Töchtern – jede von Ihnen für mich eine Gabe Gottes, viermal Person gewordener Lebenszukunftsdurst der Schöpferkraft Gottes … aus Klimaschutzperspektive unverantwortlich?“

Schon dieses Beispiel zeigt: Schaede sprach anders über Schöpfung als es sonst im ethisch, sozialethisch, ökologisch geprägten Diskurs in Gesellschaft üblich ist und oft im Gleichschritt dann auch in Diskussionen im Raum der Kirche. Seine Methode skizzierte er so: Wir müssen (…) ins Erzählen kommen, in ein durch unsere Lebenserfahrung gesättigtes Erzählen. Damit steht und fällt alles. Wenn uns in der Tradition der alttestamentlichen Prophetie keine Zeichenhandlungen einfallen, die es mit Last Generation aufnehmen und im Unterschied dazu Gott ins Spiel bringen, dann ist Erzählen ein Anfang.“ Und Schaede erzählt und erklärt im Folgenden mit Martin Luther und Dietrich Bonhoeffer und der biblischen Überlieferung als scharfsinnig ins Spiel gebrachte Sprachgesellen: Es berühre und beschäftige ihn, „wie risikofreudig“ Gott sei, „in seiner schöpferischen Großzügigkeit den Umgang mit Ressourcen in die Freiheit seiner Geschöpfe zu legen“, und dies sei doch eigentlich die Voraussetzung dafür, dass auch „die Geschöpfe ein gutes Verhältnis zu ihrer eigenen Endlichkeit finden und haben.“

Perspektive der Auferstehung

Aber leider seien wir, die Menschen, „auf dieser Seite der Erde nicht eben gut darin, unsere eigenen Grenzen und einen gesunden Lebenszukunftsdurst anzuerkennen“ – leider. Aber ein Mensch, der von Auferstehungshoffnung getragen sei, müsse keine „Schöpfungstraumgärten“ entwerfen und vertrete vor der Welt eben nicht nur das an und in Gottes Schöpfung, „was gefällt“ und was unser Lebensgefühl steigert, und uns berauscht.“ Nein, vielmehr gelte: „In der Perspektive der Auferstehungshoffnung kann ein Mensch die ganze Welt als Schöpfung annehmen und ertragen.“

Für Synodenverhältnisse langanhaltender Applaus dankte Schaede für seinen von Sprach- und Geist(es)kraft gewirkten Vortrag, der einen anderen Ton anschlug als den, der in vordergründig-eindimensionalen Klagen über kommende Katastrophen zu hören ist. Dabei appellierte der Regionalbischof keinesfalls an eine entrückte Innerlichkeit, aber er wollte auch dieser Tage und bei diesem Thema nicht davon ablassen, in Martins Luthers Glaubenssatz zur Erklärung des 1. Artikels des Apostolikums im Kleinen Katechismus voller Überzeugung einzustimmen: „Ich gleube, dass mich Gott geschaffen hat sampt allen Creaturen, mit Leib und Seel, Augen, Ohren und allen Glieder, vernunfft und alle sinne gegeben hat und noch erhelt.“ Das klang gegenwartssensibel und lutherisch ehrenvoll auf der ganzen Linie!

Mit einem völlig anderen Ansatz ging der zweite Referent zu Werke, Reverend Chad Rimmer, einer der Programmkoordinatoren für Theologie beim Lutherischen Weltbund (LWB) in Genf zu Werke. Er skizzierte die weltweite öko-theologische Debatte. Zur Aufgabe der Öko-Theologie gehöre es, zu den grundlegenden Quellen der „trinitarischen Tradition“ (Trinität = Lehre von Gott als Vater, Sohn und Heiliger Geist) zurückzukehren und diese „auf die Fragen unserer Zeit anzuwenden“. Dabei solle Theologie nicht so wahrgenommen werden, „als verfolge man eine politische Ideologie oder Agenda“. Vielmehr solle sie Hoffnung verkünden in einer Zeit der Angst.

Im Laufe seines Referates kam Rimmer auch auf die deutsche Theologie und ihre Diskussionen zur Schöpfungstheologie zu sprechen. Dabei ging er auf neusten Impuls des Bochumer Systematiker Günter Thomas ein, der sich in dem Beitrag „Unsere 13 Baustellen – warum sich die evangelische Theologie ehrlich machen sollte“ auf zeitzeichen.net  vor einigen Wochen kritisch zur aktuellen deutschen Debatte geäußert hatte. Rimmer dankte Thomas zwar dafür, dass er eine Debatte eingeleitet habe, aber machte deutlich, dass er völlig anderer Ansicht sei und die Besorgnisse des Bochumer Systematikers, es drohe eine „Sakralisierung der Natur“, nicht teile. Chad Rimmer: „(A)nstatt die theologischen Theorien, die Thomas anmerkt, zu verwerfen oder abzuwerten, sind die Gespräche, in die ich verwickelt bin, ein Prozess, (…) um das kosmische Ausmaß jener Kategorien wertzuschätzen.“ Teil der öko-theologischen Aufgabe sei es, so der Vertreter des LWB weiter, „zu den grundlegenden Quellen unserer trinitarischen Tradition (…)zurückzukehren und das Theologische auf die Fragen unserer Zeit anzuwenden.“ Der Vorwurf von Thomas, man verfolge eine politische Ideologie oder Agenda, wies er hingegen zurück.

Ausschwärmen ins World-Café

Nach diesen beiden gehaltvollen Vortragen aus ganz unterschiedlichen Herangehensperspektiven schwärmten die Generalsynodalen einmal über den Gang des Maritim-Hotels in einen als „World-Café“ hergerichteten Saal, in dem ihnen ganz konkret verschiedene Beispiele von Klima-Projekten aus den Bereichen Gottesdienst, Liturgie, Seelsorge, Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und Ökumene präsentiert wurden. Unter anderem die Gottesdienstreihe „Ökumenische Klima-Kanzel“, die Klimabildung mit jungen Menschen in der Nordkirche und ein Pilgerweg für Klimagerechtigkeit. Eine lebhafte Stunde, die sich so vollzog, dass man alle paar Minuten zum nächsten Tisch und zum nächsten Projekt weiterging.

Den Abschluss dieses reichen, intensiven Vormittag bildete dann eine sogenannte „Trialogische Bibelarbeit“. Darin rückten Regionalbischöfin Dr. Friederike Spengler (Erfurt), Pastor Dr. Constantin Gröhn (Hamburg, per Zoom zugeschaltet) und Pfarrer Dr. Norbert Roth (München) die biblische Verheißung Gottes an Noah aus Genesis 8 „Solange die Erde steht …“ in den aktuellen Kontext der Klimadebatte. Gröhn setzte sich für eine Haltung der „aktivierenden Hoffnung“ ein. Danach geht es darum, vor den sich anbahnenden Veränderungen keine Angst zu haben: „Es findet ein großer Wandel statt, und wir sind mittendrin.“ Spengler benannte es als Aufgabe der Kirche, vor Gott für die Opfer der Klimaveränderungen zu sprechen. Kirche solle Angstphänomenen der Menschen begegnen und Hoffnung machen, appellierte Roth.

Am heutigen Sonntag erfolgt dann gemeinsam mit der EKD-Synode die Entgegennahme und Diskussion des Catholica-Berichtes, bevor am Montag die regulären Beratungen der Generalsynode abgeschlossen werden.

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