So antwortet: Ja, mit Bills Hilfe

Warum wir offensiv auf die Promihochzeit des Jahres reagieren sollten
Foto: Markus Konvalin in Lizenz der BRmedia Service Gmbh

Heidi Klum und Tom Kaulitz suchten Segen für ihre Hochzeit, aber keinen klassischen Priester. Sagt das was über unsere Trauungen?

Mein Job wäre nur wenige Mausklicks und 49,99 Dollar entfernt gewesen: Soviel braucht es, um eine ordinierte Geistliche mit schicker Stola zu werden und Ehepaare offiziell trauen zu dürfen – wenn auch nur nach US-amerikanischem Recht und auch nur im Dienste der virtuellen „Universal Church of Life“ (ULC).

Wer die Boulevardpresse nicht vollends ignoriert, ist in der vergangenen Woche über viele Fotos vom Neu-Priester Bill Kaulitz gestolpert, ursprünglich bekannt als Sänger der Band „Tokio Hotel“. Frisch von der ULC per Mausklick ordiniert und mit Stola über einer Art Priestergewand übernahm es Bill, bei der Promihochzeit des Jahres seinen Bruder Tom und Heidi Klum zu trauen.

Als deutsche Pfarrerin, die sich ihre Ordination und die Erlaubnis für Amtshandlungen mit jahrelangem Theologiestudium und ausführlichem Vikariat und mit der Himmel weiß wie vielen Prüfungen hart erarbeitet hat, finde ich das … durchaus interessant. Denn bei allen gewiss berechtigten Zweifeln an den Kompetenzen des ULC-Jungpriesters, will ich das Ganze wohlwollend betrachten:

Heidi und Tom ist es offensichtlich wichtig, bei ihrer Hochzeit eine andere, eine spirituelle Dimension mit einzubeziehen. Auch wenn sie, zumindest von außen betrachtet, sonst wenig mit der Kirche zu tun haben. Bei vielen Paaren, die ich traue, ist das ähnlich. Doch sie alle wollen, dass es mehr als eine Party gibt. Etwas Heiliges, ein Segen, oft nicht wirklich definiert. Noch immer suchen Heiratswillige das in der Kirche und bei Gott. Im vergangenen Jahr haben sich fast 43.000 Paare kirchlich trauen lassen. Doch die Zahl ist rückläufig. Gleichzeitig steigt die Zahl der „Trauungen“ mit freien Rednern.

Eine Hochzeitsplanerin erzählt mir, viele Paare befürchteten in der Kirche steife Liturgien und die fehlende persönliche Gestaltung. In meinem Kopf lasse ich all die Sonderwünsche Revue passieren, die unser Gemeindeteam und ich bei Trauungen von Sängerinnen bis zu Tanzperformance-Proben möglich machen, bin drei Sekunden beleidigt und möchte sofort in den Qualitäten-Wettstreit mit den anderen Zeremonienmeistern treten. Nur: Das hilft nichts. Das sähe zu sehr nach Defensive aus.

Noch weniger hilft es aber übrigens, die seltener werdenden Trauungen lustlos zu feiern mit der Begründung: „Die wollen ja nur eine Show, und danach sehe sie eh nie wieder…“. Denn: Wer wenig Kirchenerfahrung besitzt und dann eine lieblose Trauung bei Freunden oder Verwandten erlebt, der sucht für seine eigene Hochzeit berechtigterweise nach Alternativen, die – zumindest auf den ersten Blick – mehr versprechen. Wer umgekehrt einigermaßen überrascht aus der Kirche geht und sagt: „Da schau mal einer an. Wenn Kirche immer so wäre…“, der wird weniger schnell Verwandte bitten, sich mit wenigen Klicks online ordinieren zu lassen.

Darum: Ab in die Offensive und so viele geist-reiche und schöne Trauungen wie möglich feiern – eben nicht mit einem Bill-Segen, sondern mit dem besten, was wir haben: dem Segen Gottes.

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Stefanie Schardien

Dr. Stefanie Schardien ist Pfarrerin in Fürth seit Mai 2019 eine der Sprecherinnen des "Wort zum Sonntag".


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