Mit Geld gestalten

Warum nachhaltiges Investment immer noch ein Nischendasein führt
Foto: epd/Lothar Graff
Foto: epd/Lothar Graff
Eine Spardosen-Persiflage des Politikers William Tweed, der Legende nach einer der korruptesten Männer Amerikas (1823 – 1878).

Einst waren engagierte Christen die Vorreiter beim ethischen Investieren – sie nahmen die Zehn Gebote als Vorbild. Das ist mehr als zweihundert Jahre her, und leider ist diese Anlagestrategie bis heute ein Nischenphänomen geblieben. Denn „schädliches Investment“ lohnt sich leider immer noch, bedauert der Wirtschaftsjournalist und Buchautor Caspar Dohmen.

Jetzt Kröten wandern lassen“, nannten Aktivisten eine Aktion, mit der sie nach der Finanzkrise von 2008 Verbraucher zu einem Wechsel von einer konventionellen Bank hin zu einem sozial-ökologischen Anbieter ermunterten. Der Zeitpunkt schien günstig. Denn die Finanzkrise hatte gerade vielen Menschen die Augen dafür geöffnet, wie zerstörerisch unverantwortliche Finanzgeschäfte sein können.

Es war nicht das erste Mal, dass Menschen sich Gedanken darüber machten, welche Wirkungen Geldanlagen haben und wie sich dies nutzen lässt. Prinzipiell können Anleger den Geldhebel in zwei Richtungen betätigen: Sie können bewusst von Finanzprodukten die Finger lassen oder gezielt in ihrer Überzeugung nach ethisch unbedenkliche oder sozial sowie ökologisch zukunftsfähige Entwicklungen investieren. Soziale, ökologische und Governancekriterien (ESG) spielen zunehmend eine Rolle: In Europa, den usa, Kanada, Japan, Australien und Neuseeland stieg das Volumen von 2016 bis 2018 um 7,8 Billionen Dollar auf 30,7 Billionen US-Dollar, berechnete die Global Sustainable Alliance.

Die Idee hatten als Erste Christen im 18. Jahrhundert, die mit ihrem Geld keine wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Entwicklungen befördern wollten, die sie aus ethischen Gründen ablehnten. Methodisten nahmen in Großbritannien die Zehn Gebote als Messlatte ihrer Geldanlage ernst und investierten kein Geld mehr in Brauereien, Schnapsbrennereien, Glücksspiel und Bordelle. Die gleiche Idee verfolgten Quäker in den usa und Großbritannien. Als sie im 19. Jahrhundert eine betriebliche Altersvorsorge für Mitarbeiter gründeten, entschieden sie sich als überzeugte Pazifisten dafür, dass diese Pensionskassen keine Aktien von Rüstungsunternehmen oder Anleihen von Staaten mit Armeen kaufen durften.

Anfang des 20. Jahrhunderts konnte dann bereits jeder Sparer in den usa in Fonds investieren, die auf Geschäfte in Tabak, Rüstung, Glücksspiel, Alkohol und Pornografie verzichteten, nachdem der Wirtschaftsjournalist Philip L. Carret einen entsprechenden Publikumsfonds gegründet hatte. Immer noch erstellen Investoren entsprechende Negativlisten. Darauf stehen heutzutage häufig Unternehmen, die Geschäfte mit Streumunition, Kinderarbeit, Erdöl, Tabak oder Gentechnik machen. Theoretisch besticht das Konzept, praktisch hat es aber wenig bewirkt, weil sich fast immer ein anderer Anleger fand, der soziale und ökologische Kriterien nicht berücksichtigte. Zwar sei die Einführung von Tabukriterien bei der Geldanlage verlockend, aber sie erziele „oft nicht die erhoffte Wirkung“, sagt Henry Schäfer, der an der Universität Stuttgart Betriebswirtschaft lehrt. Allerdings gab es Situationen, in denen der Ansatz wirkte, wenn Anleger in großem Umfang Kapital umlenkten, so wie während der Zeit des Apartheidsregims in Südafrika in den Achtzigerjahren.

In Europa fragten sich seit Ende der Siebzigerjahre Menschen, wie sie durch die gezielte Anlage ihres Geldes Entwicklungen befördern können, die sie für wichtig hielten. Befeuert wurden diese Alternativen durch die Studie „Grenzen des Wachstums“, die der Club of Rome beim mit in Auftrag gegeben hatte. Einzelne begannen, gezielt Geld zu investieren, etwa in den Bau alternativer Energie oder die ökologische Landwirtschaft. Bald berücksichtigten auch erste institutionelle Investoren solche Kriterien bei der Eigenanlage von Geld oder legten entsprechende Publikumsfonds auf. Als wichtigster Maßstab dafür etablierte sich der sogenannte Best-in-class-Ansatz. Dabei wählen Geldmanager jeweils die Unternehmen einer Branche aus, die am besten nach sozial-ökologischen Kriterien bewertet werden. Prinzipiell wird bei dieser Methode also keine Branche komplett ausgeschlossen wie bei den Negativlisten.

Die Best-in-Class-Methode habe, verglichen mit anderen Methoden, den größten Einfluss auf die Unternehmen, ermittelte die Ratingagentur Oekom bei einer Umfrage vor einigen Jahren. Enttäuscht zeigt sich dagegen der Sozialethiker Johannes Hoffmann, der zu den Pionieren der wertorientierten Anlagen in Deutschland gehört und einst große Hoffnung auf den Ansatz gesetzt hatte. „Dadurch sollte zum ersten Mal seit der Industrialisierung ein ethischer Wettbewerb innerhalb und auch zwischen den Branchen stattfinden“, sagt er. Aber der gewünschte ethische Wettbewerb sei ausgeblieben, sagt Hoffmann rückblickend, und die Welt sei heute in den meisten Bereichen weniger nachhaltig als damals. Wenn es „keine gravierenden Änderungen gibt, wird es einen Kollaps geben“.

1974 gründeten Menschen in Bochum auch die erste sozialökologische Bank: Die Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken, kurz gls, achtet etwa auch bei der Kreditvergabe auf ökologische und soziale Aspekte. Es gibt heute in Deutschland einige ethisch-ökologische Banken wie die Ethikbank, Umweltbank oder die Tochter der niederländischen Triodos-Bank. Außerdem richten Kirchenbanken sich stärker auf Nachhaltigkeit aus. Aber die große Masse der Banken hat ihr altes Geschäftsmodell beibehalten und offeriert lediglich einige nachhaltige Produkte. Anleger können dann in einer Bankfiliale nachhaltige Geldanlagen kaufen so wie Verbraucher faire oder biologische Produkte im Supermarkt. Aber der größte Teil des Angebots besteht weiter aus Finanzprodukten, bei denen die klassischen Kriterien gelten, also Sicherheit, Rendite und Liquidität.

Übrigens hat es sich längst als Irrtum erwiesen, dass nachhaltige Geldanlagen im Schnitt schlechter abschneiden als konventionelle Geldanlagen. Aber der Mythos hält sich hartnäckig. Selbstverständlich geht jeder, der nachhaltig investiert, Risiken ein. Häufig handelt es sich bei nachhaltigen Investitionen um Projekte, die eine längere Anlaufphase brauchen, bis eine Rendite anfällt. Das kann Jahre dauern, wofür man als Anleger einen langen Atem braucht. Wie bei jeder konventionellen Anlage kann es Rückschläge geben oder der Anleger sogar sein gesamtes Kapital verlieren. Es gibt große Unterschiede bei den Anlageformen in puncto Risiko, weswegen sich Interessenten genau mit den Unterschieden auseinandersetzen sollten, etwa von Aktien, offenen und geschlossenen Fonds, Private Equity oder Genussrechten.Der Begriff der nachhaltigen Geldanlage ist ungeschützt. Entsprechend groß ist die Bandbreite der Anlagevehikel. Einen wesentlichen Unterschied gibt es etwa zwischen nachhaltigen und verantwortlichen Investments. Nur wenige Unternehmen agieren umfassend ökologisch und sozial nachhaltig, weswegen es entsprechend wenig Anlagemöglichkeiten gibt. Wirklich nachhaltig wirtschaftet ein Unternehmen schließlich erst dann, wenn es die sozialen und ökologischen Ressourcen, die es verbraucht, auch wieder aufbaut, etwa bei der Freisetzung von CO2 für die Aufforstung von Wäldern aufkommt. Einem Großteil reicht es, besonders gravierende Verstöße gegen Umwelt- und Sozialstandards zu vermeiden, etwa Streumunition oder Kinderarbeit. Sie werden als verantwortungsvolle Investoren bezeichnet. Der Teufel steckt dabei oft im Detail, was sich am Beispiel der Arbeitsrechte zeigt, wo verantwortliche Investoren gewöhnlich auf die Einhaltung der ilo-Kernarbeitsnormen pochen. Dazu gehört die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns. Aber der gesetzliche Mindestlohn liegt in vielen Ländern unter einem existenzsichernden Lohn, reicht also nicht aus, um die Grundbedürfnisse für Ernährung, Wohnen, Gesundheit und Bildung zu decken.

In Kinderschuhen steckengeblieben

Theoretisch können Anleger gehörigen Einfluss auf Wirtschaftsakteure nehmen, wenn sie sich an ihnen direkt oder indirekt beteiligen, indem sie Aktien oder Fonds kaufen oder ihnen kein Geld leihen, also auf den Kauf von deren Anleihen verzichten. In der Praxis haben solche Boykotte aber noch nicht dazu geführt, dass den betroffenen Unternehmen das Kapital ausging, sonst gäbe es heute beispielsweise keine Hersteller von Minen oder Atomkraftwerken mehr. Stets fanden sich genügend Investoren, die ihre Anteile kauften. Noch weniger Einfluss haben Anleger auf Unternehmen oder Staaten, wenn deren Anleihen und Aktien bereits im Umlauf sind. Wer deren Papiere an der Börse verschmäht, schädigt damit eben nur denjenigen, der sie besitzt, aber keinesfalls den Emittenten. Wenn eine sehr große Anzahl von Anlegern bestimmte Papiere boykottiert, kann dies allerdings eine gesellschaftliche Auseinandersetzung befeuern, wie etwa bei der Kampagne Fossil free zuletzt zu erleben war. Ein großer Teil der Investoren setzt heute aber statt auf einen Verkauf seiner Papiere auf eine Beeinflussung von Unternehmen. Vor allem institutionelle Investoren suchen das direkte Gespräch mit Unternehmen und versuchen, sie für bestimmte Themen wie den Klimawandel oder Menschenrechtsverletzungen zu sensibilisieren, um Missstände abzustellen und Veränderungen zu erreichen.

Die Wirtschaft ist gewöhnlich nicht demokratisch organisiert. Meistens entscheidet die Menge des Kapitals über den Einfluss auf das Geschehen, was jeder Besucher einer Hauptversammlung eines börsennotierten Konzerns erlebt. Zwar füllen gewöhnlich Kleinaktionäre die Halle, aber über die großen Stimmenpakete und damit die Entscheidungsmacht bei den Abstimmungen verfügen wenige, Privatpersonen wie die Familie Klatten bei dem Autobauer bmw oder die Familien Porsch und Piëch bei VW oder institutionelle Investoren wie Blackrock. Und in nicht börsennotierte Unternehmen kann Otto Normalanleger nicht direkt investieren. Wenn überhaupt, kommen hier nur Hedgefonds oder sonstige Finanzinvestoren zum Zuge, die zum größten Teil das Geld Wohlhabender verwalten. Im heutigen Finanzkapitalismus haben entsprechend Vermögende und große Kapitalsammelstellen den größten Einfluss. Manche Akteure versuchen, ihren Einfluss für positive Veränderungen einzusetzen, beispielsweise der Norwegische Pensionsfonds. Er hat einen „Rat für ethische Fragen“ eingerichtet, dem Experten für Menschenrechte, Ökologie, Völkerrecht und Finanzen angehören. Sie analysieren jedes Jahr tausende Unternehmen und sprechen Kauf- oder Verkaufsempfehlungen aus, denen der Fonds gewöhnlich folgt.

Das nachhaltige Investieren ist bis heute nicht aus seinen Kinderschuhen herausgewachsen. Trotz hoher Zuwachsraten sind etwa in Deutschland weniger als ein Prozent der Geldanlagen nachhaltig angelegt, so hat es das Forum nachhaltige Geldanlage berechnet. Und das liegt nach Meinung von Experten vor allem daran, dass sich sozial- und umweltschädliches Investieren bis heute in vielen Fällen einzelwirtschaftlich lohnt. Ändern dürfte sich dies nach Ansicht von Kritikern nur durch Gesetze, die wirtschaftliche Tätigkeiten zulasten von Mensch und Umwelt unterbinden. Würden die Rahmenbedingungen entsprechend geändert, dann würden die Anleger das Kapital anders lenken.


 

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