Abendmahl @home

Nur Mut: Feiert das Abendmahl – ganz biblisch – zu Hause
Abendmahldarstellung von Lukas Cranach d.Ä., Witenberger Reformationsaltar
Foto: epd
Mittelteil des Reformationsaltars in der Wittenberger Stadtkirche St. Marien von Lucas Cranach dem Älteren (1472 - 1553).

Viele Christen beschäftigt im Moment die Frage, wie sie an den Feiertagen ohne leibhaftige Gottesdienste Abendmahl feiern können. Für Matthias Friehe, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht in Wiesbaden, ist klar: Evangelisches Abendmahl geht natürlich auch zuhause und ohne Ordinierte, und er hat gute Argumente.

Zu den zahlreichen Einschränkungen des öffentlichen Lebens zur Bekämpfung der Corona-Krise gehört ein bundesweit durch die einzelnen Bundesländer verhängtes Gottesdienstverbot. Evangelische und katholische Kirche tragen dieses Verbot mit, weil es auch ein Gebot der Nächstenliebe ist, eine Überforderung des Gesundheitssystems zu verhindern. Gleichwohl fehlt mit dem Sonntagsgottesdienst ein wichtiger Teil unserer Beziehung zu Gott, die gerade in diesen Zeiten so wichtig ist. In der Karwoche hat eine Debatte in der evangelischen Kirche um die Zulassung eines Hausabendmahls eingesetzt, die theologische und kirchenrechtliche Fragen aufwirft.

Die Feier des Abendmahls gehört zu den festen Bestandteilen der liturgischen Ordnung für die Karwoche. Am Gründonnerstag feiern Christen die Einsetzung des Abendmahls am Vorabend von Jesu Leiden und Sterben. Vielerorts wird das Abendmahl deswegen in besonderer Form als Tischabendmahl gefeiert. Anders als der bloße Predigtgottesdienst ist die Abendmahlsfeier nicht nur liturgische, sondern zugleich auch sakramentale Handlung.

Gerade diese Zeichenhaftigkeit, die zentral für religiöse Erfahrung ist, unterstreicht die besondere Bedeutung des Abendmahls. Insbesondere nach lutherischem Verständnis wird daran festgehalten, dass Christus in den Gestalten von Brot und Wein selbst gegenwärtig ist. In der Abendmahlsfeier wird so eine besondere Verbindung der Gläubigen zu Gott und zueinander hergestellt.

Deswegen ist es ein Zeichen einer lebendigen und gläubigen Kirche, wenn nun eine Diskussion darüber begonnen hat, ob das Abendmahl während der Corona-Krise auch als Hausabendmahl gefeiert werden kann. Einzelne Gemeinden haben hierfür schon Handreichungen veröffentlicht. Andere wie der Mainzer Theologe Kristian Fechtner warnen davor, etwa Online-Abendmahlsfeiern durchzuführen.

Online-Abendmahlsfeiern und Hausabendmahlsfeiern sollten in der Debatte allerdings unterschieden werden. Online-Abendmahlsfeiern mit Pfarrern dürften dabei theologisch viel größere Probleme aufwerfen als Hausabendmahlsfeiern ohne Pfarrer. Denn bei Online-Abendmahlsfeiern geht es darum, ob Sakramente „gestreamt“ werden können. Diese Frage überlasse ich der theologischen Diskussion und wende mich stattdessen der Hausabendmahlsfeier zu. Diese ist aus evangelischer Perspektive theologisch wenig problematisch. Bis heute unterscheiden sich evangelisches und katholisches Abendmahlsverständnis darin, dass nach katholischer Lehre nur ein geweihter Priester gewissermaßen über die „Macht“ verfügt, eine Wandlung der Gaben zu bewirken. Eine solche „Wandlungsmacht“ wird von der Reformation abgelehnt. Grundsätzlich kann jeder getaufte Christ einer Abendmahlsfeier vorstehen.

Ein Hinderungsgrund für die Hausabendmahlsfeier liegt nicht im theologischen „Können“, sondern im kirchenrechtlichen „Dürfen“. Bereits seit der Reformationszeit gehört es zum festen Regelbestand der evangelischen Kirche, dass die Sakramente nur von besonders mit diesem Amt betrauten Amtsträgern, eben den Pfarrern oder Pastoren verwaltet werden sollen. Im Augsburger Bekenntnis, der Confessio Augustana, heißt es in Artikel 14: „Vom Kirchenregiment (kirchlichen Amt) wird gelehrt, dass niemand in der Kirche öffentlich lehren oder predigen oder die Sakramente reichen soll ohne ordnungsgemäße Berufung.“

Dieses „Nisi rite vocatus“ (zu Deutsch etwa: Nicht, wenn nicht ordnungsgemäß)  findet sich auch im Pfarrerdienstgesetz der EKD (PfDG.EKD) wieder. Danach wird das Amt zur Sakramentsverwaltung durch die Ordination anvertraut (§ 3 Abs. 1 PfDG.EKD). Das Verb „anvertrauen“ unterscheidet sich von der im staatlichen Recht gebräuchlichen Wendung, wonach ein Amt „übertragen“ wird.

Mit dem Verb „anvertrauen“ wird deutlich, dass das Amt des Pfarrers in besonderer Weise auf Vertrauen angewiesen ist: Vertrauen darin, dass der Pfarrer mit seinem seelsorgerlichen Wirken zum Heil – und nicht schlimmstenfalls zum Schaden – der ihm Anvertrauten wirkt. Seit ihren Ursprüngen an der Wittenberger Universität vertraut die evangelische Kirche dabei auf ein qualitativ hochwertiges theologisches Studium ihrer Pfarrer.

Ähnlich wie im System der juristischen Staatsprüfungen sollen die von den Landeskirchen abgenommenen theologischen Examina das hohe Niveau der Pfarrerausbildung absichern. Deswegen hat sich die evangelische Kirche nicht leicht damit getan, angesichts des Pfarrermangels die Predigt und Sakramentenverwaltung mehr und mehr auch Prädikanten – „Laien“ ohne Theologiestudium – anzuvertrauen.

Neben dem EKD-weit einheitlichen Pfarrerdienstrecht konkretisiert sich der Grundsatz Nisi rite vocatus auch in den landeskirchlichen Kirchenordnungen. So bestimmt beispielsweise Art. 74 Abs. 3 der Kirchenordnung für die Evangelische Kirche im Rheinland (KO.EKiR):

„Die Feier des Abendmahles wird von Ordinierten geleitet. Presbyterinnen und Presbyter und andere Mitglieder der Kirchengemeinde können mitwirken; in Notfällen können sie auch die Feier des Abendmahls leiten.“

Nach Rheinischem Kirchenrecht gehören zu den Ordinierten neben den Pfarrern insbesondere auch die Prädikanten. Pfarrer, Pastoren und Prädikanten leiten die Abendmahlsfeier und werden dabei von Presbytern, manchmal auch von anderen Gemeindemitgliedern unterstützt.

In der aktuellen Situation wird der zweite Halbsatz besonders spannend: In Notfällen können „sie“ auch die Feier des Abendmahls leiten. Das Pronomen unterscheidet hier nicht näher, sodass sowohl die Presbyter als auch die anderen Mitglieder der Kirchengemeinde umfasst sind. Die Vorschrift ist nicht so klar und deutlich gefasst wie die Bestimmung über die Nottaufe, wonach in Notfällen „jede Christin oder jeder Christ taufen“ kann (Art. 78 Abs. 3 KO.EKiR). Aber im Ergebnis beruft sie doch jedes Kirchenmitglied „im Notfall“ zur Leitung der Abendmahlsfeier.

Bei der Nottaufe wird ein solcher Notfall dann angenommen, wenn sich der Täufling in Lebensgefahr befindet und ein Ordinierter unerreichbar ist. Denn niemand soll dem Tod überlassen bleiben müssen, ohne mit der Taufe zu Christus zugehörig zu sein. Dieser Maßstab ist auf das Abendmahl nicht übertragbar, weil alle Getauften schon zu Christus zugehörig sind.

Notfälle im Sinne von Art. 74 Abs. 3 S. 2 KO.EKiR müssen deswegen allgemein als dringendes seelsorgerliches Bedürfnis verstanden werden. Dabei kann es aber nicht ausreichend sein, dass ein Ordinierter gerade nicht erreichbar ist. Denn die Abendmahlsfeier soll regelmäßig im Gottesdienst stattfinden (Art. 74 Abs. 1 KO.EKiR); es gibt grundsätzlich kein jederzeitiges Abendmahl „auf Bestellung“.

Abgesehen davon, dass kein Ordinierter erreichbar ist, muss es sich um eine außergewöhnliche Situation handeln. Ähnlich wie bei der Nottaufe kann hier an die Krankenhausseelsorge gedacht werden, wenn ein Sterbender den Wunsch äußert, noch einmal das Abendmahl zu feiern.

Die aktuelle Situation legt ebenfalls eine außergewöhnliche Notlage nahe, die eine Abendmahlsfeier in der Hausgemeinschaft unter Leitung jedes Kirchenmitglieds ermöglicht. Seit Wochen sind keine öffentlichen Gottesdienste möglich. Ein Ende dieser Situation ist bisher nicht konkret absehbar. Vom Nächsten Abstand halten zu müssen, lastet auf der Seele. Umso wichtiger ist gerade jetzt die sakramentale Verbindung mit Gott. Wenn es Christus ist, der zum Abendmahl einlädt, dann ist es am Gründonnerstag 2020 unter den gegebenen Umständen besonders nötig.

Der Grundsatz Nisi rite vocatus sollte dabei funktional zur Anwendung kommen: Die Kirche sollte dem Wunsch Gläubiger nach einer Abendmahlsfeier nicht ratlos und mit Nichtstun begegnen. Vielmehr sollten ordinierte Amtsträger gerade jetzt den Weg zur rechten Sakramentenverwaltung weisen.

Schon der Apostel Paulus hat vorgemacht, wie man das aus der Ferne per Brief machen kann – heute würde er bestimmt einen Newsletter schicken. Im 1. Korintherbrief ist die älteste Abendmahlsordnung überhaupt überliefert. Darin sind auch die bis heute bei jeder Abendmahlsfeier vorgeschriebenen Einsetzungsworte enthalten:

„Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brach's und sprach: Das ist mein Leib für euch; das tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis. Denn sooft ihr von diesem Brot esst und von dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“ (1 Korinther 11,23-25).

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Matthias Friehe

Matthias Friehe, Jahrgang 1990, ist Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der EBS Law School in Wiesbaden und nebenamtlich Kirchenmusiker.


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