Ewige Himmel per App

Monet. Orte. Im App-Museum Barberini Potsdam
Theaterscheinwerfer
Foto: Rainer Sturm / pixelio.de

Das von den erfolgreichen SAP-Gründern Dietmar Hopp und Hasso Plattner ausgehende Stifter- und Mäzenatentum ist derzeit in aller Munde. Der eine sah sich zuletzt wegen seines umfänglichen Engagements beim Fußballbundesligisten TSG 1899 Hoffenheim widerwärtigen Hasstiraden in deutschen Fußballfanforen ausgesetzt, ist aber gleichzeitig mit seiner Biotech-Firma an vorderster Front bei der Erforschung eines Impfstoffes gegen das Coronavirus. Der andere ist durch die Finanzierung des Wiederaufbaus des Potsdamer Palais Barberini und des darin angesiedelten Museums Barberini angesehener Ehrenbürger der Stadt Potsdam. Das Museum hat sich binnen weniger Jahre dank kluger Kuratierung einen sehr erfolgreichen Platz in der deutschen Museumslandschaft erobert.

Unmittelbar vis-à-vis der Nikolaikirche, dem majestätisch-monumental inszenierten, klassizistischen Paradebau Karl Friedrich Schinkels, lädt das Museum in Zusammenarbeit mit dem Denver Art Museum bis zum 1. Juni zu einer besonderen Werkschau Claude Monets (1840–1926) – „Monet. Orte.“ – und damit zu einer der umfangreichsten Retrospektiven, die diesem Ausnahme-Impressionisten je in deutschen Museen gewidmet wurde. Mit über hundert Gemälden stellt sie die Orte vor, die Monets wichtigste Inspirationsquellen waren.

Weil es derzeit (Stand Anfang April!) nur digital geht, machen die Barberinis aus der Not eine Tugend: Mit zahlreichen, täglich wechselnden Online-Angeboten rund um die aktuelle Ausstellung trägt das Museum die Werke und die Geschichten hinter den Gemälden in den digitalen Raum – mit der kostenlosen Barberini-App, mit virtuellem Ausstellungsrundgang und Experteninterviews. Die Schau, darunter etliche Werke aus der Privatsammlung Hasso Plattners, versammelt zahlreiche Schlüsselwerke sämtlicher Schaffensphasen.

Sie ist die erste Ausstellung, die Monets künstlerischen Werdegang im Hinblick auf seine Ortswahl und sein Ortsbewusstsein in den Blick nimmt – von Fontainebleau und der Normandie über Paris und Argenteuil zu den Flussufern und Landschaften der Seine, zu den beliebten Reise- und Aufenthaltsorten London, Vétheuil, Zaandam und Giverny bis an die idyllische Riviera, den reißenden Atlantik und das verwunschene Venedig – und schließlich in den Mikrokosmos des eigenen Gartens zu den Seerosen.

Nach einem packenden Bauhausjahr 2019 und der vielfältigen Wieder- und Neuentdeckung des Expressionismus und der neuen Sachlichkeit ist diese verwunschene, gleichwohl nicht verträumte Ausstellung eine Labsal für die Sinne, eine Ode an die Schönheit, eine Hommage an die zarten Wunder des Lichts – und damit an die luzide Wahrnehmungskraft und das von leichter Hand ausbalancierte Wirken Claude Monets.

Wie Caspar David Friedrich (1774–1840) ist auch Monet ein Virtuose des Lichts, wie William Turner (1775–1851) – unlängst erst in der grandiosen Werkschau „Horror and Delight“ in Münster zu sehen – ist er ein Visionär der Farben und Empfindungen im Abbild der Natur. Neben Friedrichs melancholisch norddeutscher Lichtmetapher und Turners dramatisch überwältigendem Abbild der Elemente sieht man Monet hier auf wundersam licht-leichte Weise Orte aus dem Moment in die Zeitlosigkeit überführen – allen voran Alltägliches: Brücken und Heuschober, mit denen seine Malerei synästhetische Kraft generiert.

Auch wenn die sachlich mausgraue Grundierung der Ausstellungsräume mitunter in zu starkem, Schwere implizierendem Kontrast zur luziden Farbigkeit der Bilder Monets steht, verschaffen offene Weiträumigkeit und großzügige Hängung den Bildern jenen Platz, der ihre betörende Erhabenheit ganz sichtbar werden lässt. Sehen Sie sich das an – auch im Netz: https://www.museum-barberini.com/digital

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