Bequeme Absage?

Der Beschluss des Ökumenischen Kirchentages zum Ausschluss (scheinbar) aller AfD-Mitglieder ist problematisch
Der katholische ÖKT-Präsident Thomas Sternberg und die evangelische ÖKT-Präsidentin Bettina Limperg
Foto: epd
Der katholische ÖKT-Präsident Thomas Sternberg und die evangelische ÖKT-Präsidentin Bettina Limperg präsentieren am Samstag in Frankfurt am Main das Leitwort für den 3. Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt am Main: „schaut hin“.

Wie beim Kirchentag 2019 in Dortmund soll es auch auf dem Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt/Main einen Ausschluss der AfD von den Podien geben. Aber diesmal nicht nur der Mandatsträger, sondern sogar aller Mitglieder der AfD. Ist das sinnvoll? Zeitzeichen-Chefredakteur Reinhard Mawick bezweifelt das.

Das Gemeinsame Präsidium des 3. Ökumenischen Kirchentages (ÖKT) hat beschlossen, keine Mitglieder der AfD als aktiv Teilnehmende für die Podien des ÖKT zuzulassen, der im Mai 2021 in Frankfurt/Main stattfin­den soll. Dieser Beschluss, „alle Mitglieder“ der AfD von der „aktiven Teil­nahme“ am ÖKT auszuschließen, ist bisher der Öffentlichkeit nicht klar mitgeteilt, denn in der Veröffentlichung, die vor genau drei Wochen in Form einer Pressemitteilung erschien, heißt es lediglich:

„Das gemeinsame Präsidium des 3. Ökumenischen Kirchentages hat be­schlossen, Personen, die „für rassistische oder antisemitische Überzeu­gungen eintreten und/oder für Positionen werben, die von einer gruppen­bezogenen Menschenfeindlichkeit oder von einer ideologischen Distanz zur freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung geprägt sind“, nicht als ak­tiv Mitwirkende auf den Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt 2021 ein­zuladen. Darunter fallen unter anderem auch Mitglieder der Partei Alter­native für Deutschland (AfD).“

Der zweite Satz mit der AfD findet sich nicht in dem Beschluss des Gemeinsamen Präsidiums des ÖKT, auf den am Ende der Pressemitteilung verlinkt wird, sondern ist eine Zufügung. Aber selbst in dieser Form bleibt semantisch un­klar, ob eben „auch“ Mitglieder der AfD unter die benannte nicht einzula­dende Gruppe fallen oder eben „alle Mitglieder der AfD“.

Deswegen hat zeitzeichen nachgefragt, und die offizielle Begründung dafür, die auf unsere Anfrage von Seiten der Veranstalter von Marc Frings, dem Gene­ralsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) aus­drücklich als Vertreter der Veranstalter gege­ben wurde, lautet: Das Präsidium habe „mit sehr breiter Mehrheit“ festge­legt, „wen wir nicht zur aktiven Teilnahme einladen“, und dies seien „Men­schen, die rassistische, antisemitische oder eine gruppenbezogene Men­schenfeindlichkeit vertreten“. Sie widersprächen, so die Äußerung weiter, „dem Wertekanon, für den wir als evangelische und katholische Laienbe­wegungen stehen. Darunter subsumieren wir alle Bürgerinnen und Bür­ger, die Mitglied der AfD sind.“

Erst auf Nachfrage fällt also ÖKT-seits die Präzisierung „alle“ – eine Prä­zisierung, die ja nicht unwichtig ist. Auch ist nicht eindeutig gesagt, was „aktive Teilnahme“ alles umfasst. Sind nicht alle Helferinnen und Helfer, Hallentechnikerinnen und -techniker, alle Austellerinnen und Aussteller in der Kirchentagstradition auch aktiv Teilnehmende?

Der österreichische Philosoph Paul Watzlawick prägte einmal den Satz: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Dessen eingedenk fragt man sich angesichts des ÖKT-Beschlusses: Was soll dieser proklamative Akt der Nichtkommunikation? Niemand hätte doch erwartet, dass der ÖKT Leute wie Herrn Höcke einladen würde! Und warum die Verschärfung gegenüber den Vorjahren? Waren 2016 beim Katholikentag in Leipzig und 2019 beim Evangelischen Kirchentag nur Mandatsträger der AfD von den Podien ausge­schlossen, sind es jetzt plötzlich „alle Mitglieder“. Das ist – rein praktisch gesehen – ein Kriterium, das sich schwer überprüfen lässt. Wird man als potenzieller Podiumsgast des ÖKT also für 2021 eine AfD-Nichtmitglied­schaft beteuern müssen? Wir sind gespannt …

Um es deutlich zu sagen: Die AfD ist in weiten Teilen von rechtsextremem, völkischem Denken durchwirkt, verharmlost systematisch die Nazizeit, und hat außerdem zu vielen wichtigen Sachfragen keine kongruenten Po­sitionen, kurz: Diese Partei ist eine Plage unserer Tage, und sie betreibt keine konstruktive Politik im Widerstreit der Meinungen. Das ist schlecht, denn konstruktiver Streit mit dem Willen zum Kompromiss ist der Herz­schlag unserer Demokratie! Aber es gibt in der AfD – man mag es sehr bedau­ern, ja, es mag einen sogar wütend machen! – eben auch Leute, die sich bewusst als Christen verstehen und in Kirchenvorständen Verantwortung tragen. Mit solchen Leuten sollte auf dem ÖKT gestritten werden können – scharf, konfrontativ und fair! Übrigens: Das ist gar nicht so leicht, sondern durchaus eine politische und theolo­gische Herausforderung.

Leider könnte jetzt durch diese frühzeitige Ankündigung des Ausschlusses der Eindruck ent­stehen, die ÖKT-Verantwortlichen seien zu bequem und zu denkfaul, um sich mit AfD-Positionen auseinanderzusetzen. Anders als das ÖKT-Motto („Schaut hin!“) nahelegt, scheint man lieber die Augen zu verschließen und eine Prise proklamatorischen Gratismut zu verstreuen. Das ist wenig überzeugend.

Auf jeden Fall wären die Verantwortlichen des 3. ÖKT gut beraten, die Besetzung ihrer Podien doch lieber je nach Thema oder persönlicher Eignung und nicht aufgrund einer etwaigen AfD-Mitgliedschaft zu entscheiden. Sie sollten also das auf Nachfrage nachgeschobene „alle“ nochmal überdenken, denn es steht ja nicht im Beschluss des ÖKT-Präsidiums, das sich also noch nicht mal formal korrigieren müsste!

Wenn es nun aber so sein soll, müsste das ÖKT-Präsidium zumindest noch einmal detaillierter begründen, warum schon allein die Parteimitgliedschaft in der AfD ohne Ansehen der Person per se ein Ausschlussgrund für die Frankfurter Podien sein soll. Und: Mit wem sollen denn dann Themen am rechten Rand kontrovers diskutiert wer­den? Hier könnte es in Frankfurt 2021 programmatisch dünn werden. Schade!

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