Aktualisiert?

Über das Predigen heute

Wie soll man predigen? Die Beantwortung dieser Frage gehört zu den Grundaufgaben der Homiletik. In seinem Buch Predigen heute hat Ulrich Nembach dazu erneut seine Vorstellungen vorgelegt. Dabei handelt es sich um die überarbeitete und aktualisierte Neuauflage des gleichnamigen Werks von 1996.

Dass es dem emeritierten Göttinger Praktischen Theologen um mehr als das rechte Predigen geht, wird bereits im Vorwort ersichtlich: „Eine Reform braucht die Kirche, zugespitzt gesagt eine neue Reformation. Dabei kann die Predigt helfen.“ Angesichts der Drohszenarien zur Zukunft der Kirche will Nembach mit dem Werk zugleich in eine „positive Zukunft“ weisen. Dafür begreift er die Nutzbarmachung der digitalen Welt als Schlüssel. Auf diesem Feld zeigt sich der Autor als Initiator der „Göttinger Predigten im Internet“ (GPI) bereits seit 1997 als Vorreiter.

Der erste von drei Teilen befasst sich mit „Grundfragen zur Predigt“. Hier bestimmt Nembach „Gemeinschaft“ als die Grundlage der Predigt. Dabei setzt er bei der Gemeinschaft von Gott und Mensch an, die er heilsgeschichtlich rekonstruiert und auf die Predigt bezieht: „Die Aufgabe der Predigt ist das Berichten und Erzählen von der Gemeinschaft von Gott und Mensch.“ Die in diesem Abschnitt unvermittelte skizzenhafte Postulierung dogmatischer Topoi weiß jedoch sowohl in ihrem Duktus als auch in ihrem Gehalt wenig zu überzeugen. Anders sieht es mit der Übertragung des Gemeinschaftsbegriffs auf das Predigtgeschehen aus. Der von Nembach zentral ausgeführte Ansatz, die Predigt sei „Teilen“, genauer „Teil-Geben und Teil-Nehmen durch Reden und Hören“, insbesondere bei den Erfahrungsdimensionen „Freud und Leid“, ist bedenkenswert. Lesenswert sind auch die Abschnitte zum gesellschaftlichen Wandel, dem Predigt und Kirche unterlegen sind.

Der zweite, umfangreichste Teil befasst sich mit der „Aktuellen Predigtarbeit“. Darin bilden „Internetpredigten“, das Themenfeld „Freud und Leid“, der Predigttext sowie Ausführungen zur „heutigen Diskussionslage der Predigtprobleme“ die Schwerpunkte, wobei bei letzterem neuere Modelle wie zum Beispiel die dramaturgische Homiletik gar nicht in den Fokus genommen werden.

Bezugnehmend auf das Vorwort erregt der Abschnitt zu den Internetpredigten das größte Interesse. Nembach betont dabei, bisweilen polemisch, die Defizite in der praktischen Umsetzung und homiletischen Reflexion in diesem Bereich. Eine Ausnahme bilden für ihn die GPI, die der Begründer wenig bescheiden als „Vorreiter und Wegweiser für die Theologie und kirchliche Praxis“ herausstellt. Enttäuschend ist jedoch, dass Nembach scheinbar nur schriftliche Formen von Internetpredigten vor Augen stehen. Ob er damit dem Internet in Zeiten von Youtube und Co. gerecht wird, darf bezweifelt werden. Neue Formen, wie Livestream-Predigten, kommen in diesem Werk gar nicht in den Blick. So sehr dem Autor bei der Hervorhebung der Relevanz von Internetpredigten beizupflichten ist, wird der Anspruch des Werks dadurch untergraben.

Den Schluss bildet der dritte Teil zur „Geschichte der Predigt“. Die Ausführungen reichen zwar nur bis zu Schleiermacher, haben dafür aber die katholische Predigt integriert. Der gebotene „Überblick über die Kanzelgeschichte“ ist ungewöhnlich, aber interessant. Ein Leitfaden zur Predigtarbeit und ein Anhang mit Skizzen für Radiogottesdienste schließen das Buch ab.

Insgesamt handelt es sich um ein Werk, das trotz einiger lesenswerter Abschnitte hinter seinen selbst erweckten Erwartungen bleibt – leider auch in formaler Hinsicht. Das Buch ist das, was das Vorwort andeutet: ein interessantes Predigthilfsmittel.

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Foto: Mario Brink

Gregor Bloch

Gregor Bloch ist Pfarrer und theologischer Mitarbeiter des Evangelischen Bundes Westfalen und Lippe. Er wohnt in Detmold.


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