Sparen ja, Details noch offen

EKD-Synode: Ringen um Handlungsfähigkeit und Macht
Im Kirchenamt der EKD war für das Präsidium der Synode ein Podium aufgebaut.
Fotos: EKD/J. Haase
Im Kirchenamt der EKD war für das Präsidium der Synode ein Podium aufgebaut.

Verdient die letzte Tagung der 12. Synode der EKD das Attribut „historisch“? Möglicherweise. In dem ersten reinen Online-Treffen rangen die Beteiligten um das Prozedere einer Selbstverpflichtung, wie bis zum Jahr 2030 etwa zwanzig Prozent der bisherigen EKD-Ausgaben eingespart werden können. Prinzipiell sagten fast alle ja dazu, aber der Teufel liegt bekanntlich im Detail. Ein Rückblick.

Alles war anders: Die siebte und letzte Tagung der 12. Synode der EKD fand rein digital statt. Nicht wie zuvor geplant im Maritim-Hotel am Berliner Tiergarten, sondern vor den Bildschirmen in ganz Deutschland versammelten sich die Synodalen, die Presse und das Publikum im Internet: Die Beteiligten in einer Zoom-Konferenz mit Präsentations- und Interaktionsmöglichkeiten, die anderen nur am Livestream, der unter anderem auf YouTube ausgestrahlt wurde.

Lediglich das Präsidium der Synode und einige Vortragende waren in einem extra aufgebauten Übertragungsstudio im EKD-Kirchenamt in Hannover versammelt. Zudem war die Sitzungszeit um mehr als die Hälfte verkürzt.

Alles war anders auch im Bericht des Ratsvorsitzenden, der kürzer, frömmer und emotionaler daherkam. Nicht einmal eine Viertelstunde sprach Heinrich Bedford-Strohm. Ihm war dabei das „Vertrauen auf Christus“ besonders wichtig, und überhaupt: Vertrauen sei das, „was wir in der gegenwärtigen Situation der Welt am meisten brauchen“, da immer deutlicher werde: „Die Normalität kehrt nicht zurück.“ Nach den langen Monaten der Pandemie bedürfe die Gesellschaft in der öffentlichen Kommunikation neben dem richtigen Handeln auch stärkender Worte des Trosts, so der Ratsvorsitzende.

Nötig sei, so Bedford-Strohm, „zum einen die Resilienz, um mit Dingen umzugehen, die nur bedingt zu ändern sind, sowie die Geduld, das auch über längere Zeiten durchzuhalten“ und zum anderen „soziale Energie, die solche Widerstandskraft nicht auf den Raum des persönlichen Durchhaltens beschränkt, sondern daraus die Kraft gewinnt, einander beizustehen und Solidarität zu üben mit den Schwachen und Verletzlichen, und damit in schwierigen Zeiten den sozialen Zusammenhalt“ stärkt.

Der Ratsbericht war im Predigtton gestimmt, es fehlte jede vordergründige politische Konkretion, sondern Bedford-Strohm blieb in betont frommer Tonalität mit seiner anrührenden Botschaft, gegen das Gottesbild eines „Deus ex Machina“ und erinnerte an die Wichtigkeit des Gebets. Das zündete auch im evangelikalen Lager. Von dort gab es in der Aussprache viel Lob, zum Beispiel von Friedemann Kuttler, dem Vorsitzenden der „ChristusBewegung Lebendige Gemeinde“. Der Bochumer Diakoniewissenschaftler Uwe Becker hingegen dankte dem Ratsvorsitzenden zwar für den „sehr besinnlichen Bericht“, äußerte gleichzeitig aber die Sorge, dass die Kirche momentan in der Gefahr sei, das Thema Corona „überzudimensionieren“ und eine „Corona-Hermeneutik an den Tag zu legen“, die die „Kontinuität des Leidens“, der „sozialen Verwerfung“ und „der Ungleichheit“ zu wenig beleuchte.

Lebhafter Kritik unterworfen

Als zweites brachte Bedford-Strohm vor der Synode die „Zwölf Leitsätze“ ein. Ihnen war ein längerer Prozess vorangegangen: Im Juni als „Elf Leitsätze“ veröffentlicht und schnell lebhafter Kritik unterworfen (vergleiche zz 8, 9 und 10) sollten sie – darin in der Tradition des bekannten EKD-Reformpapiers „Kirche der Freiheit“ stehend – in einer Mischung aus theologischen und kirchensoziologischen Erwägungen ein erweitertes kirchliches Selbstverständnis begründen und untermauern: Allen in der Kirche soll klar sein, dass dieselbe in ihrem Wesen ein Hybrid sei und sich insbesondere neben dem bewährten anstaltlich-institutionellen Rahmen auch immer wieder als zivilgesellschaftliche Organisation und Bewegung verstehen müsse. Zur Synode hatte das sogenannte Z-Team, dem unter anderem der Ratsvorsitzende selbst angehört, die um einen Punkt (Seelsorge) erweiterten „Zwölf Leitsätze“ vorgelegt.

Diesem neuen Papier hatten schon im Vorfeld selbst harsche Kritiker bescheinigt, dass es sich sehr verbessert habe. Auch unter den Synodalen fand dieses überarbeitete Papier im Laufe der beiden Synodentage Anklang und wurde schließlich mit einigen, den Gesamtduktus kaum tangierenden Änderungen verabschiedet.

Mit den Leitsätzen eng verknüpft war der „Prozess zur Neuorientierung der Finanzstrategie der EKD“, den die Synode im vergangenen Jahr in Auftrag gegeben hatte. Bei der Vorstellung des Berichtes des sogenannten Begleitenden Ausschusses, der diesen Prozess vorbereitet hatte, sagte dessen Vorsitzender, EKD-Ratsmitglied Andreas Barner, er präsentiere „Sparvorschläge“, die es ermöglichen würden, „einerseits die schwierigen finanziellen Randbedingungen zu erfüllen und andererseits Möglichkeiten für neue Gestaltungen im Sinne des Zukunftsprozesses zu schaffen.“ Die Grundidee dahinter laute: Nicht nach dem Rasenmäherprinzip sparen, sondern vielmehr die Objekte in Gestalt von EKD-Arbeitsbereichen oder selbstständigen Einrichtungen, die von der EKD finanziert werden oder Zuschüsse empfangen, genau anschauen und in ihrer zukünftigen Bedeutung für die EKD bewerten.

In der Vorlage des Begleitenden Ausschusses sind 129 solcher Objekte genannt, die zum Teil bewertet und größtenteils mit mehr oder minder starken Einsparzielen versehen sind. Bereits vor der Synode wurde der Fall des erst 2016 aus Fusionsprozessen gegründeten Evangelischen Zentrums Männer und Frauen in Hannover öffentlich bekannt. Die Einrichtung soll mit 74 Prozent bis 2030 besonders viel einsparen und war überdies in einer frühen Form des Berichtes mit ziemlich schroffen Worten charakterisiert worden. Für solche und möglicherweise andere Kommunikationsgrobheiten bat Barner in seinem Bericht um Entschuldigung.

Aber der Ausschussvorsitzende ließ keinen Zweifel daran, dass es nun drei Großkriterien gebe, nach denen das Sparen der kommenden Jahre priorisiert werden solle, nämlich die „Bedeutung einer Aufgabe für Mitgliederbindung und Orientierung“, die „Relevanz einer Aufgabe für die öffentliche Präsenz der evangelischen Kirche“ und die „Bedeutung der gemeinschaftlichen Bearbeitung einer Aufgabe“, also die Frage, ob die EKD die entsprechende Aufgabe übernehmen müsse, oder ob sie nicht auf landeskirchlicher Ebene angesiedelt werden könne.

Diese drei Großkriterien durchweben auch die „Zwölf Leitsätze“ und können somit als ideologischer Überbau der Spar-anstrengungen gelten. Allerdings räumte Barner freimütig ein: „Bei allem Anspruch auf Plausibilität sind Prioritätsentscheidungen am Ende des Tages auch immer kirchenpolitische Wertungen.“

Bei Durchsicht der gehaltvollen Vorlage mit der Ordnungsnummer IX b zeichnet sich deutlich ab, wer als (finanzieller) Ballast künftig keinen oder nur noch sehr kleinen Platz im Haushalt der EKD finden wird. Neben dem schon genannten Zentrum in Hannover sind darunter unter anderem die Kirchlichen Hochschulen in Wuppertal-Bethel und in Neuendettelsau, die Missionsakademie in Hamburg und die Evangelische Journalistenschule in Berlin. Doch die Synodalen lehnten vorerst solche konkreten Sparbeschlüsse ab, auch wenn sie das Ziel, bis 2030 die Ausgaben der EKD um zwanzig Prozent nominal, also unter Berücksichtigung der Inflationsrate, zu senken, mittrugen. Deutlich wurde aber, dass die Synode stärker beteiligt werden will, wenn es um die Frage geht, wo genau eingespart werden soll.

Mit dem Beschluss am Ende der Tagung folgte die Synode in weiten Teilen einem gruppenübergreifenden Antrag, der die konkrete Auseinandersetzung über Einzelpositionen auf dieser verkürzten und digitalen Synode vermeiden sollte. Stattdessen forderte er die Entwicklung von Prüffragen folgender Art: Welche Stellen genau würden gestrichen? Welche Drittmittel fallen weg? Welches Einsparpotenzial im sonstigen EKD-Haushalt gibt es möglicherweise, anstatt in erster Linie die externen Zuwendungsempfänger zu kürzen?

Es hatte sich im Laufe der Beratungen nämlich herausgestellt, dass nahezu jede Einrichtung, die durch die Kürzungen bedroht wäre, ihre Fürsprecher im Kirchenparlament hat, und viele Synodale hatten im Vorfeld Bittbriefe von betroffenen Einrichtungen erhalten! Es drohte also eine lange, sehr ins Detail gehende Debatte, die unter den herrschenden Umständen kaum zum Erfolg hätte führen können.

Ein Kompromiss wurde dergestalt gefunden und in den Beschluss aufgenommen, dass zumindest bis zum 15. Dezember – also bis gut einen Monat nach der Synode – die Argumente bezüglich der einzelnen Sparobjekte noch bearbeitet und erweitert werden und in die aktuelle Vorlage des Begleitenden Ausschusses einfließen können. Insofern haben die von der Schließung bedrohten oder von starken Kürzungen betroffenen Einrichtungen nochmal ein wenig Zeit gewonnen und können diese für Lobby-Arbeit mit den Synodalen nutzen.

Natürlich bleibt offen, wie sich die neugewählte EKD-Synode ab Mai zu diesen konkreten Vorschlägen positioniert. Denn sie ist es schließlich, die, beginnend mit dem Haushaltsjahr 2022, Jahr für Jahr die vom Ausschuss vorgelegten jeweils fälligen Einsparungen beschließt – oder auch nicht. Mit dem Gesamtziel einer Ausgabenreduzierung um zwanzig Prozent, nach heutigem Stand wären dies in summa 17 Millionen Euro, war die jetzige Synode mit großer Mehrheit einverstanden. Ab jetzt gilt: Wenn Objekte dieser Liste von der künftigen Synode verschont werden sollen, muss an anderer Stelle bei den EKD-Ausgaben Einsparpotenzial gehoben und plausibel gemacht werden. Denn wie gesagt: 2030 soll die EKD nach jetzigem Stand 17 Millionen Euro weniger ausgeben als heute.

Bisher war es immer nur üblich gewesen, eine sogenannte mittelfristige Finanzplanung über drei bis vier Jahre zu projektieren. Mit dem Beschluss, den die Onlinesynode nun im November fasste, ist eine langfristige Finanzplanung von knapp zehn Jahren ins Auge genommen worden. Das ist in der Tat etwas Neues in der Geschichte der EKD, und deswegen kann es gut sein, dass man diese erste Online-Synode der EKD einmal als „historisch“ bezeichnen wird.

Als drittes Großprojekt schließlich stand die Digitalstrategie auf der Tagesordnung. Deren Einbringung auf dieser Synode hätte, wenn man den digitalen Habitus der Tagung bedenkt, kaum symbolträchtiger sein können.

EKD-Ratsmitglied Volker Jung machte in seinem Bericht über „Kirche im digitalen Wandel“ deutlich: So nützlich die digitale Übertragung der Synodaltagung in Zeiten der Pandemie sei, so deutlich werde auch, was Digitalisierung nicht leisten könne. Zudem bedeute Kommunikation des Evangeliums nicht nur die Nutzung neuer Kommunikationsmöglichkeiten, sondern die Weiterentwicklung des Gemeindelebens: wie Gottesdienst oder Konfirmandenunterricht. Und: „Hinsichtlich der Arbeitsprozesse geht es noch stärker als bisher darum, Effizienz zu steigern, also nach Möglichkeit vieles schneller, billiger, besser zu machen.“

Details noch strittig

Beispiele für die digitale Arbeit liefert Christian Sterzik, der die Stabsstelle Digitalisierung im EKD-Kirchenamt leitet. 248 Anträge seien für Projekte aus dem Digitalisierungsfonds eingegangen, achtzig bereits genehmigt. Auch beim Projekt „Digitale Kirchtürme“ verzeichnet Sterzik Erfolge. Dieses Projekt will die digitale Präsentation der Kirchen und Gemeinden auf breiter Ebene verbessern.

In der Diskussion ging es darum, Leitlinien für eine „langfristige und nachhaltige Digitalisierungsstrategie auf den Weg zu bringen“, so die Synodale Gesche Joost. Sie stellte dabei neben der Frage der Organisationsentwicklung der EKD auch die ethisch-theologische Grundierung in den Vordergrund. Konkret benannte sie den „Aufbau von interdisziplinären Arbeitsprozessen“, „verstärkte Weiterbildungsangebote für kirchliche Akteure“ und eine verbesserte Zusammenarbeit der EKD und der Gliedkirchen, um „Effizienzpotenzial zu heben und sich besser zu vernetzen“. An dieser Daueraufgabe wird nun weiter zu arbeiten sein.

Im Gedächtnis blieb der kritische Satz der Jugenddelegierten Anna-Lena Moselewski: „Digitalisierung ist nur nachhaltig, wenn sie niemanden zurücklässt.“

Dann kam – nach intensiver Beschäftigung mit dem Thema schon bei den EKD-Synoden der vergangenen zwei Jahre – auch das Thema Missbrauch und Kirche zur Sprache. Die Sache hatte noch einmal an Fahrt aufgenommen, da Betroffene sexualisierter Gewalt im Raum der evangelischen Kirche direkt vor der Synodentagung eigens eine Pressekonferenz einberufen hatten. Ihr Vorwurf: Sie seien von der Synode ausgeladen worden.

Die Präses der EKD-Synode, Irmgard Schwaetzer, hielt dagegen: Das digitale Format dieser Synodensitzung habe es bei diesem sehr sensiblen Thema nicht möglich gemacht, den Bedürfnissen der Missbrauchsbetroffenen auf Schutz gerecht zu werden – und generell würden in diesem Jahr keine externen Gäste eingeladen. Diese formalen Argumente kamen bei den Opfern gar nicht gut an. Man werde so liebevoll von der Kirche geschützt, dass man gar nicht erst gefragt werde, hieß es daraufhin etwas bitter von Seiten des erst im September begründeten Betroffenenrats.

Dabei hatte die EKD in den vergangenen Monaten durchaus Schritte zur weiteren Aufarbeitung des Themas vorgenommen. Bei der etwa 25-minütigen Aussprache des Berichts des „Beauftragtenrates zum Schutz vor sexualisierter Gewalt“ (Drucksache III/1) erläuterte Bischöfin Kirsten Fehrs als Sprecherin des Beauftragtenrates die bisherigen Fortschritte bei der Bearbeitung dieses schwierig-vielschichtigen Themas – und die noch ausstehenden Schritte (siehe Schwerpunktthema zz 11/2020).

Die Bischöfin berichtete, dass für die vergangenen Jahrzehnte bisher rund 880 Fälle von sexualisierter Gewalt im Raum der EKD bekannt geworden seien. Wie hoch die Dunkelziffer sein könnte, sei nur schwer zu ermitteln, solange nicht zusammen mit staatlichen Stellen eine mögliche Dunkelfeldstudie zum Missbrauch in der gesamten Gesellschaft durchgeführt worden sei – nur eine solche Studie könnte verlässlichere Zahlen liefern. Ergebnisse der eigenen Studie der EKD zum Missbrauch werde es voraussichtlich erst in etwa drei Jahren geben.

Auf der Synode wurde zugleich Fehrs als Sprecherin des Beauftragtenrates mit warmen Worten verabschiedet. Diese Aufgabe übernimmt nach zwei Jahren turnusgemäß nun der Braunschweiger Landesbischof Christoph Meyns.

Weitere detaillierte Berichte zu den synodalen Tagungen von EKD, UEK und VELKD finden Sie hier.

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Kathrin Jütte

Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.

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Stephan Kosch

Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen". 


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