Taten für die Pflege

Die Konsequenzen aus der neuen Diakonie-Studie

Sie sind wütend und ärgerlich, zumindest mehr als die Hälfte von ihnen. Eine neue Studie der Diakonie Deutschland und der Evangelischen Arbeitsstelle midi bringt es an den Tag. Denn sie wertet die Erfahrungen von Diakonie-Mitarbeitenden im Bereich der Altenhilfe/-pflege während der Covid-19-Pandemie von März bis heute aus. Dazu wurden 1552 Menschen aus stationären, teilstationären und ambulanten Diensten in einer repräsentativen Studie im Oktober online befragt.

Angesichts des auch medial viel zitierten und beklagten Pflegenotstandes  verwundert es nicht, wenn mehr als die Hälfte der in der Studie Befragten angab, dass Gefühle von Wut und Ärger, aber auch Hilflosigkeit und Überforderung in den vergangenen Monaten in der Altenhilfe zugenommen haben. Besonders belastend für das Pflegepersonal scheint vor allem die Ungewissheit, unwissentlich Überträger des Corona-Virus zu sein (85 Prozent), also Bewohnerinnen, Klienten oder die eigene Familie und Freunde damit zu infizieren. Das heißt, sie haben vor allem die pflegebedürftigen Menschen und ihre eigenen Angehörigen im Blick, am wenigsten sich selbst.

Während zu Beginn der Pandemie die Beschäftigten unter mangelnder Schutzausstattung litten, hat sich dieser Missstand im vergangenen Oktober, als die Studie erhoben wurde, verbessert. Und doch gab mehr als die Hälfte der in der Altenhilfe Tätigen an, dass noch immer die Testmöglichkeiten nur wenig oder gar nicht vorhanden seien. Ein unhaltbarer Zustand.

Mit der Corona-Pandemie zeigt sich wie unter einem Brennglas der Notstand beim Pflegepersonal, in der Krise offenbaren sich die  fundamentalen Defizite des Pflegesystems. Aber es zeigt sich auch einmal mehr, dass die Bedeutung der sogenannten Care-Berufe und ihre Systemrelevanz gnadenlos unterschätzt, ja ausgeblendet wurden. Der Preis dafür ist hoch. Dass sich Personal-knappheit durch die Pandemie noch verstärkt und sich der Arbeitsalltag verdichtet hat, versteht sich fast von selbst. Schließlich sind auch Pflegekräfte von den Quarantäneregelungen betroffen. Nur der Flexibilität der Beschäftigten und ihrer Mehrarbeit ist es zu verdanken, dass sie die Herausforderungen der vergangenen Monate meistern konnten.

Zwar gab der Studie zufolge die Hälfte der Befragten an, der Applaus der Bevölkerung habe ihnen gutgetan, die gesellschaftliche Anerkennung sei für sie motivierend gewesen. Doch im Kern geht es den meisten um nachhaltige Strukturveränderungen. Dazu zählen neben Wertschätzung ihrer Arbeit bessere Arbeitszeitregelungen, faire Bezahlung, aber auch gute Kinderbetreuung. Nebenbei: Es sind zu achtzig Prozent Frauen, die als Gesundheitsfachkräfte tätig sind und für Alte, Kranke und Schwache Sorge tragen.

Viele Fakten liegen längst auf dem Tisch. Die Studie bestätigt das, was die Fachwelt schon seit langem weiß und fordert. Bemerkenswert dabei, dass sie die Betroffenen selbst zu Wort kommen lässt. Diakoniepräsident Ulrich Lilie kann man nur beipflichten, wenn er fordert, den Worten endlich Taten folgen zu lassen. Es ist höchste Zeit für eine bessere Bezahlung, aber auch für eine deutliche Anerkennung und Wertschätzung der Altenhilfe und -pflege.

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Kathrin Jütte

Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.


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