Papier und Tränen

Die zweite Vollversammlung des Synodalen Weges der katholischen Kirche
Blick in den Tagunssaal des Synodalen Weges in Frankfurt am Main
Foto: Philipp Gessler
Blick in den Tagungssaal des Synodalen Weges am vergangenen Wochenende in Frankfurt am Main.

Es war viel los beim großen Reformprojekt der katholischen Kirche in Deutschland, dem Synodalen Weg, der am Wochenende in Frankfurt am Main seine zweite Vollversammlung abhielt. Endgültige Entscheidungen gab es noch nicht – aber einige Weichen wurden gestellt. So wird es etwa kirchliche Trauungen homosexueller Paare in der katholischen Kirche wohl nicht geben.

Hinter Geschäftsordnungsdebatten verbergen sich ja oft die härtesten Konflikte, die nicht offen ausgesprochen werden. So war es am Freitag, dem zweiten Tag der zweiten Vollversammlung des Synodalen Weges, in Frankfurt Main. Der geradezu hartnäckig, wenngleich stets mit höflich-verwaltungstechnischen Wortfolgen ausgetragene Streit um „Ende der Aussprache“, „Unterbrechung der Debatte“, „Rücküberweisung in das Forum“, „namentliche Abstimmung“ oder eine modifizierte „Auszählung der Stimmen“ ging in Wahrheit nicht um Formalia. Hier wurde vielmehr verdeckt Grundsätzliches verhandelt, nämlich die Frage, ob die mühselige Arbeit über Jahre an Texten für dies Reformprojekt des deutschen Katholizismus am Ende für die Katz‘ sein könnte. Würde eine Sperrminorität konservativer Bischöfe die ganze Sache platzen lassen?

Nachdem die rund 220-köpfigen Synodalen den „Handlungstext“ mit Namen „Gemeinsam beraten und entscheiden“ in einem etwa halbstündigen Abstimmungsmarathon mit allen Änderungsanträgen vor der mittäglichen Eucharistiefeier durchgewunken hatten, beantragte eine Synodale, unter den etwa 30 ablehnenden, anonymen Voten die Stimmenzahl der Bischöfe gesondert auszuweisen. Die Logik dahinter: Wenn deutlich würde, dass ein Drittel aller Oberhirten gegen die Vorlage gestimmt hätte, wäre klar, dass diese Minorität am Ende auch alle Reformprozesse des Synodalen Weges blockieren könnte. Denn nur, wenn zwei Drittel der deutschen Bischöfe den Reformen zustimmen, können diese in der hiesigen Kirche Roms auch in Kraft treten. Diese Regel hatte sich der Synodale Weg beim Start der Arbeiten Anfang 2020 gegeben. Erst zum Schluss der Geschäftsordnungsrangelei war am Freitag klar: Man darf laut Geschäftsordnung die Stimmen der Bischöfe auf dieser Versammlung gar nicht ausweisen – das ist erst bei den finalen Abstimmungen am Ende des Synodalen Weges in etwa anderthalb Jahren erlaubt.

Dann erst wird es also zum Schwur kommen. Alle, die Laien wie die Bischöfe, müssen, salopp gesagt, ihre Karten auf den Tisch legen. Sind sie nun für die ausgearbeiteten Reformvorschläge – oder gegen sie? In diesen Tagen in Frankfurt wurde bei mehreren Abstimmungen deutlich: Zwar gibt es einen Block von etwa 30 konservativen Synodalen, der gegen alles ist. Aber weder die Gruppe der Bischöfe noch die der Laien ist einheitlich. Eine überwältigende Mehrheit der nicht-geweihten Frauen und Männer (und nicht-binären Menschen) in der Aula des „Congress Center Messe Frankfurt“ will eine mehr oder weniger radikale Reform der katholischen Kirche in Deutschland. Aber es gibt auch einige Laien, die diese Veränderungen nicht wollen. Ähnlich ist es bei den Bischöfen: Die Reformer sind hier klar in der Mehrheit. Aber sind es vielleicht weniger als zwei Drittel? Sollte es am Ende bei den Abstimmungen über die Synodentexte eine Sperrminorität von etwa 23 bischöflichen Stimmen gegen die Reformen geben, wäre der ganze Synodale Weg gescheitert.

So bleibt der international beachtete Synodale Weg der Bundesrepublik ein großes Spiel mit völlig unklarem Ausgang. Deutlich wurde in diesen Tagen am Main, dass die übergroße Mehrheit der Synodalen Reformen will, also eine weitgehende Demokratisierung der katholischen Kirche, eine andere Sexualmoral, eine Segnung von homosexuellen Paaren, einen Zugang von Frauen zu allen Weiheämtern, andere Strukturen, die vor allem die sexualisierte Gewalt im Raum der Kirche verhindern, und vielleicht auch ein Ende des Pflichtzölibats. Würde hier mit absoluter Mehrheit abgestimmt, gingen all diesen Forderungen locker durch. Aber zwei Drittel der Oberhirten in der deutschen Bischofskonferenz (DBK) müssen überzeugt werden. Und daran könnte alles scheitern.

Reformen oder Kosmetik?

Es ging also um viel in Frankfurt, und so war es nicht verwunderlich, dass die Debatten nach dem mehr oder weniger euphorischen Beging Anfang 2020 im (übrigens evangelischen) ehemaligen Dominikanerkloster in Frankfurt bei der jetzigen Vollversammlung schon deutlich härter waren. So erklärten gerade junge Synodale mehrmals in verschiedenen Variationen: Ihrer Meinung nach begünstigten oder ermöglichten alle die Bischöfe de facto den Missbrauch, die nicht bereit seien, die kirchlichen Strukturen zu reformieren. Manche Konservativen waren aber auch alles andere als fein in ihrer Argumentation. Den traurigen Tiefpunkt erreichte bei der Debatte um sexualisierte Gewalt durch Priester der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer mit seiner zynischen Aussage, es gebe auf diesem Treffen offenbar ein „unfehlbares Lehramt der Betroffenen“. Hier, aber auch bei anderen seiner oft mit Empörung aufgenommenen Stellungnahmen wurde deutlich: Dieser Bischof und seine Truppe wollen höchstens kosmetische Änderungen in der hiesigen Kirche Roms.

Das trübte die Stimmung, die sowieso schon unter strikten Corona-Regeln litt. Zudem war der Saal mit Namen „Panorama“ allzu weitläufig, die Abstände unter den Synodalen, weiterhin alphabetisch platziert, sehr groß. Die Pausen waren knapp, Zeit fürs Kennenlernen und für das so wichtige Plaudern blieb kaum. Ein Gemeinschaftsgefühl kam da nicht so leicht auf. Dass eine vielleicht zehnköpfige Gruppe konservativer Bischöfe der gemeinsamen Eucharistiefeier in der Synodenaula fernblieb, um abseits und fast im Geheimen unter sich die Messe zu feiern, trug auch nicht gerade zu einer guten Atmosphäre bei. Dazu kam das Fehlen eines großen Brückenbauers, nämlich des „geistlichen Begleiters“ des Synodalen Weges, des Jesuitenpaters Bernd Hagenkord, der zwischen der ersten und der zweiten Vollversammlung überraschend an Krebs gestorben war – manche Menschen sind eben kaum zu ersetzen.

Es war zudem wahnsinnig viel Textarbeit zu bewerkstelligen – Hunderte von Seiten Papier, wenngleich selten ausgedruckt. Zweifache, zum Teil dreifache Verneinungen in den Texten machten die Abstimmungen häufig zu einer intellektuellen Herausforderung. 16 Textvorlagen wurden eingereicht. Davon wurden 13 mit großen Mehrheiten von bis zu 92 Prozent von der Synodalversammlung angenommen und an die zuständigen Foren oder das Synodalpräsidium verwiesen, zur weiteren Überarbeitung. Über die ersten fertigen Texte wird frühestens bei der nächsten Vollversammlung im Februar 2022 abgestimmt.

Stumme Konservative

Manche wegweisenden Entscheidungen deuten sich in den zu überarbeitenden Texten indes schon an. So wird es voraussichtlich einen „Synodalen Rat“ geben, der der Bischofkonferenz beigestellt werden soll und mit ihr die wichtigsten Entscheidungen für die katholische Kirche in Deutschland treffen wird oder treffen könnte. Eine Mehrheit der Synodalen sprach sich überraschend gegen eine kirchliche Trauung auch für homosexuell Liebende aus, doch Segnungen solcher Paare soll es geben. Ein Absatz in einem Grundlagentext über das Priesterbild von heute bekam erstaunlicher Weise eine äußerst knappe Mehrheit von 95 zu 94 Stimmen. In ihm wurde gefordert, man solle doch mal diskutieren, ob man überhaupt noch Priester brauche – eher eine Skurrilität, die aber bezeichnend war: Deutlich wurde an diesem Textentwurf, dass geweihte katholische Männer hierzulande in Sachen Selbstbild und Fremdwahrnehmung, auch angesichts des Missbrauchsskandals in ihren Reihen, offenbar von vielen Zweifeln verfolgt werden.

Dazu passte, dass die jüngst vom Papst im Amt gelassenen Bischöfe, Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki und Weihbischof Ansgar Puff aus Köln, (eine sehr umstrittene Entscheidung im Synodenrund) fast wie Geister durch die Aula liefen. Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße war dem Frankfurter Treffen wegen eines Trauerfalls in der Familie sowieso ferngeblieben. Kein einziges Wort äußerten Woelki und Puff in den Diskussionen, aus Furcht vor missliebigen Reaktionen oder warum auch immer. Das war typisch. Die Konservativen blieben meist stumm. Nur Bischof Voderholzer machte stets klar, was er von dem Ganzen hielt, nämlich fast nichts. Das wird noch schwierig werden für die Reformen, denn vieles wird nur per Selbstverpflichtung der Bischöfe umzusetzen sein. Und freiwillig Macht abgeben – wer macht das schon gerne? Viele Reformen stehen zudem unter dem Vorbehalt von Rom: Wie viele von ihnen wird der Vatikan am Ende blockieren?

Ungeschickt war schließlich, dass die Vollversammlung am Samstagnachmittag fast im Chaos endete, weil immer mehr Synodale stillschweigend abgereist waren und plötzlich die Beschlussfähigkeit von zwei Dritteln der Mitglieder des Synodalen Weges nicht mehr vorhanden war. So blieben Texte unbearbeitet, und es war glücklich, dass schon am Samstagmorgen das Synodalpräsidium, der Limburger Bischof und DBK-Vorsitzende Georg Bätzing und der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, für das Frühjahr 2023 eine fünfte Vollversammlung vorgeschlagen hatten, um noch mehr Zeit für Diskussionen und die Textarbeit zu haben. Sternberg sagte am Ende Tschüss an alle, weil er bei den Neuwahlen des ZdK-Präsidiums nicht erneut kandidieren und also ausscheiden wird. Er verdrückte dabei ein paar Tränen. Die katholische Kirche Deutschlands kämpft hart mit sich und um ihre Zukunft. Es werden deshalb aller Voraussicht nach nicht die letzten Tränen sein, die auf dem Synodalen Weg fallen.

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