pro und contra

Sollen Pfarrerinnen und Pfarrer auch in Zukunft verbeamtet werden?

Andreas Kahnt
Fotos: Pfarrerverband
Christian Weyer
Foto: epd

Mit Blick auf die künftig sinkenden Kirchensteuereinnahmen wird auch die Frage gestellt, ob Gemeinden ihre Pfarrpersonen weiterhin verbeamten sollen. Ja, meint Andreas Kahnt, Vorsitzender des Pfarrerverbandes. Ihm widerspricht Christian Weyer, Vorsitzender des Haushaltsausschusses der EKD-Synode.

Das spart nichts

Wer Menschen für den Pfarrdienst gewinnen will, sollte sie weiter verbeamten

Wesentliches Problem der Kirchen ist derzeit nicht das Geld, sondern der dramatisch zunehmende Mangel an Pfarrerinnen und Pfarrern.

Die Diskussion um die Beschäftigung von Pfarrerinnen und Pfarrern im öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis ist nicht neu. Die Argumente sind längst ausgetauscht. Umso erstaunlicher, dass das Thema von berufener und weniger berufener Stelle immer mal wieder auf die Tagesordnung von Synoden gesetzt oder in Strategiepapieren erwähnt wird. Motivation sind im Wesentlichen die Kosten in den Bereichen Altersversorgung und Beihilfe bei Krankheit. Das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis gilt als zu teuer. Solange es genügend Zinseinnahmen auf Rücklagen der Versorgungskassen gab, hat allerdings kaum jemand danach gefragt. Auch wird in der Diskussion gerne vergessen, dass Pfarrerinnen und Pfarrern und ihren Hinterbliebenen in den vergangenen zwanzig Jahren erhebliche Einbußen zugemutet wurden. Möglich war das nicht trotz, sondern wegen ihres Dienstverhältnisses, das keine Tarifverträge und Mitbestimmungsrechte kennt.

Hinter der Idee, Pfarrerinnen und Pfarrer im öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis anzustellen, steht der Gedanke einer gegenseitigen Bindung von Dienstgeber und Dienstnehmer. Die Kirchen sorgen durch die Alimentation dafür, dass Pfarrerinnen und Pfarrer freigestellt sind zum Dienst am Evangelium. Pfarrerinnen und Pfarrer wiederum stellen ihre Ausbildung, ihre Kraft und Kreativität in diesen Dienst und lassen sich lebenslang durch die Ordination daran binden. Damit verbundene Bedingungen wie die Pflicht, am Dienstort zu wohnen, auch wenn die Mietpreise nicht zum Gehalt passen, oder ein Pfarrhaus zu beziehen, auch wenn Übergröße oder jahrelanger Renovierungs- und Sanierungsstau das Wohnen darin teuer machen, werden in Kauf genommen und die Familie wird in diese Lebensform mitten in der Gemeinde einbezogen, weil das zum Pfarrdienst gehört.

Alternative wäre eine privatrechtliche Anstellung. Pfarrerinnen und Pfarrer wären dann kirchliche Angestellte mit allen Mitarbeitervertretungsrechten inklusive Streik- und Tarifrecht und ohne Dienstwohnungspflicht. Billiger zu haben wäre das für die Kirchen nicht, wie Berechnungen schon wiederholt nachgewiesen haben. Auch hätte der Staat allen Grund, sich aus der Mitfinanzierung der Kirchen und vor allem der Unterhaltung der theologischen Fakultäten zurückzuziehen. Denn die Nähe zum öffentlichen Dienstrecht macht die Kirchen zu einem rechtlich verlässlichen Gegenüber. Sofern die Kirchen allerdings nicht länger Interesse an einer fundierten akademisch-theologischen Ausbildung ihrer Pfarrerinnen und Pfarrer haben, kann ihnen das egal sein. Im Sinne eines verantwortbaren Dienstes am Evangelium wäre das nicht.

Im Land Berlin haben die voraussichtlich koalierenden Parteien beschlossen, die Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern einzuführen, um dem Lehrermangel zu begegnen und den Einstieg in diesen Beruf attraktiver zu machen. Daher: Wer sich Sorgen macht um die Finanzierung von Kirche, sollte mit seinen Überlegungen besser nicht bei denen ansetzen, die sich mit Leib und Seele einem hochkomplexen, entgrenzten Beruf verschreiben, der nach wie vor als Gesicht der Kirche gilt. Sparen lässt sich damit jedenfalls nichts, aber eine Menge verlieren. Wesentliches Problem der Kirchen ist derzeit nicht das Geld, sondern der dramatisch zunehmende Mangel an Pfarrerinnen und Pfarrern. Die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses wird da nicht helfen. Und schon gar nicht das, was in den ursprünglich elf Leitsätzen zur Zukunft der Kirche in Deutschland aus dem Jahr 2020 in den Zeilen 369ff. angedacht war: „Neue Modelle sind nötig, die die starre Grenze zwischen bezahltem und unbezahltem, voll- und teilzeitlichem Dienst zugunsten niederschwelliger und flexibler Entlohnungsmöglichkeiten öffnen.“ Wer sich stets kritisch zugunsten sozial ver­träglicher Arbeitsbedingungen äußert, sollte bei Pfarrerinnen und Pfarrern keine gegensätzlichen Kriterien anlegen. 


„Nebenkosten“ erdrücken Gemeinden

Die jetzigen Bedingungen stellen den Pfarrdienst an sich in Frage

Mit der Verbeamtung sind oft Erwartungen verbunden, die an Leibeigenschaft erinnern.

In einer Kirchengemeinde ist eine von zwei Pfarrstellen vakant geworden. Das Presbyterium hat mich als den zuständigen Superintendenten eingeladen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Während der Beratungen stelle ich fest, dass das Presbyterium große Vorbehalte gegen eine erneute Besetzung der Pfarrstelle hat. Ich frage nach den Gründen. „Eine Pfarrstelle ist doch viel zu teuer“, höre ich. „Das können wir doch billiger haben. Stellen wir doch einen ordinierten Diakon ein. Der kostet nicht so viel. Den kann man auch kündigen, wenn’s nicht gut läuft. Und bei einer längeren Erkrankung wird nach sechs Wochen Krankengeld gezahlt.“

Nun habe ich nichts gegen ordinierte Diakone und Diakoninnen. Erst recht nichts gegen einen gesunden Personalmix. Und eine Gemeinschaft der Ordinierten kann eine gute Alternative zum alleinigen Pfarrdienst sein. Was mich aber beunruhigt, ist die Tatsache, dass die derzeitigen Bedingungen des Pfarrdienstes den Pfarrdienst an sich in Frage stellen – und damit einen ganzen Berufsstand. In der Tat sind die Argumente ja nicht von der Hand zu weisen: Die „Nebenkosten“ des Pfarrdienstes beginnen unsere Kirche, ihre Gemeinden und ihre Arbeitsgebiete zu erdrücken: In den vergangenen zehn Jahren haben zum Beispiel die Kirchengemeinden in der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) von vorneherein in jedem Jahr 25 Prozent der Kirchensteuer abgeben müssen, damit die Pensions- und Beihilfesicherungsrücklage der EKiR so weit aufgefüllt werden konnte, dass überhaupt von einer Pensionssicherung für die Zukunft die Rede sein konnte. Erst seit 2021 ist diese Abschöpfung auf zunächst 17 Prozent, für 2022 bereits wieder auf 18 Prozent des Kirchensteueraufkommens reduziert beziehungsweise angehoben worden.

Eine Pfarrbesoldungspauschale, die für jede Pfarrstelle in der EKiR von den Kirchengemeinden, oder bei Funktionspfarrstellen von den Kirchenkreisen und Verbänden zu zahlen ist (natürlich über die Pensions- und Beihilfesicherung hinaus!), kostet zurzeit pro Jahr 127 100 Euro. Im Jahr 2010 betrug diese Pauschale noch 89 020 Euro. Es ist kein Wunder, dass Presbyterien und andere Leitungsorgane den beamteten Pfarrdienst als zu teuer empfinden und andere Wege suchen.

Es wird eingewendet, dass das besondere Dienst- und Treueverhältnis von verbeamteten Pfarrpersonen den besonderen Bedingungen des Pfarrdienstes angemessen ist. Dieses Argument finde ich jedoch nicht stichhaltig. Denn erstens hat dieses besondere Dienst- und Treueverhältnis zumindest in der Vergangenheit zu Erwartungen von Presbyterien geführt, die an Leibeigenschaft erinnern. Nicht wenige Pfarrer*innen sind bei dem Versuch, diese Erwartungshaltung zu erfüllen, im Burnout oder in der Depression gelandet. Aus diesem Grund hat die EKiR die Verpflichtung zu Dienstvereinbarungen zwischen Leitungsorganen und Pfarrpersonen eingeführt, die auch freie Tage und Wochenenden sowie Wochen­arbeitszeiten festlegen sollen.

Privatrechtliche Anstellungsverhältnisse von Pfarrpersonen bieten zweitens diesbezüglich wesentlich klarere Rahmenbedingungen. Ein Arbeitsvertrag plus Dienstanweisung ermöglicht eine rechtlich verbindliche Festsetzung der Rahmenbedingung eines Arbeitsverhältnisses, wie zum Beispiel Wochenarbeitszeit und dienstfreie Tage. Das zeigen Arbeitsverträge mit Pfarrpersonen, mit denen aufgrund persönlicher Voraussetzungen kein öffentlich-rechtliches Arbeitsverhältnis vereinbart werden konnte.

Natürlich kann eine Umstellung nicht von heute auf morgen geschehen. Die bisherigen öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisse von Pfarrpersonen enthalten schließlich auch einen Generationenvertrag, der nicht ad hoc aufkündbar ist. Aber wenn wir nicht bald erste Schritte unternehmen, werden die jetzigen Bedingungen des Pfarrdienstes dem Pfarrdienst die Basis entziehen. 

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