Erben einer Staatskirche

Skeptische Töne bestimmten die lutherische Generalsynode
Bericht per Videoschalte: Ralf Meister, der Leitende Bischof der VELKD, konnte wegen Corona in Bremen nicht präsent sein.
Foto: epd
Bericht per Videoschalte: Ralf Meister, der Leitende Bischof der VELKD, konnte wegen Corona in Bremen nicht präsent sein.

Die Reform der eigenen Kirche und die Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche wurden bei der Synode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) angesprochen, die kurz vor der EKD-Synode in Bremen zusammentrat.

Veränderung“ ist ein Stichwort, das bei der VELKD-Synode immer wieder auftaucht, bei der Vorstellung derer, die für die Kirchenleitung kandidieren (siehe Seite 70), wie im Bericht des Leitenden Bischofs Ralf Meister. Für den 59-Jährigen stehen die Kirchen vor einer doppelten Herausforderung: Auf der einen Seite stellt die aktuelle „Gotteskrise“ die Getauften – ob sie in der Kirche ein Amt bekleiden oder nicht – vor die Frage, wie sie von Gott reden können. Daneben steht die evangelische Kirche vor der Aufgabe, „in einer immer komplexeren Wirklichkeit eine Organisationsform zu schaffen“, die die Weitergabe der Botschaft Jesu „ermöglicht“. Als Problem sieht Meister, dass die Landeskirchen „staatsanalog“ organisiert sind.

Im Klartext: Die Landeskirchen schleppen das Erbe des Staatskirchentums mit sich, das 1919 zu Ende ging. So dürfen sie (wie andere religiöse Körperschaften des öffentlichen Rechtes) „auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern“ erheben (Grundgesetz Artikel 140). Und Pfarrerinnen und Pfarrer haben in der Regel einen beamtenähnlichen Status, sind unkündbar, haben eine private Krankenversicherung mit dem Recht auf Beihilfe für Behandlungskosten und beziehen im Ruhestand eine Pension statt eine Rente.

Meister erinnert daran, dass die Vorstellung einer „Volkskirche“, die „an allen Orten präsent“ ist, zu einer Überforderung der haupt- und ehrenamtlichen Kräfte führt. Aber „was einmal eine gute Lösung war, muss nicht immer eine gute Lösung bleiben“, betont der Bischof. Für ihn ist „erkennbar“, dass bei der Gestaltung der Kirchengemeinden die „Vielfalt eine größere Rolle spielen wird“, Gemeinden „nicht mehr territorial verortet“ werden und teilweise „offene Grenzen“ haben.

Für Bischof Meister ist die Zukunft der Kirche „zuerst nicht“ Aufgabe ihrer Mitglieder und Gremien, sondern „Aufgabe Gottes“. Das mag wie billiger Trost klingen. Aber was damit gemeint ist, lässt sich selbst einem Atheisten vermitteln: Die Zukunft liegt nicht in der Hand des Menschen. Meister erinnert daran, wie oft sich in der Kirchengeschichte Prognosen als falsch erwiesen haben. Und er erwähnt die vielen Reformdiskussionen, die ältere Kirchenmitglieder schon erlebt haben. Dabei seien „die Fragen“ immer „die gleichen“ geblieben (siehe dazu auch Seite 50).

Gemeinsamer Catholica-Bericht

Der schaumburg-lippische Landes­bischof Karl-Hinrich Manske, der Catho­lica-Beauftragte der VELKD, und der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung, der zur Union Evangelischer Kirchen (UEK) gehört, schildern, wie sich die Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche gestalten. Jung berichtet, dass demnächst Gespräche zwischen der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) und dem Vatikan beginnen. Und er hebt hervor, dass die römisch-katholische Kirche beim Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt am Main Angehörige der evangelischen Kirche zur Eucharistie zuließ. Damit habe die römisch-katholische Kirche in Deutschland „eine veränderte Einstellung zur eucharistischen Gastfreundschaft dokumentiert“.

Landesbischof Manske weist darauf hin, dass dies kein deutscher „Sonderweg“ ist, vor dem katholische Traditionalisten immer wieder warnen. So würden die römisch-katholischen Bischöfe Großbritanniens und Irlands nichtkatholischen Christen erlauben, „aus einem besonderen Anlass der Freude oder Trauer im Leben einer Familie oder eines Einzelnen“ zur Eucharistie zu kommen.

Manske bewegt aber „die Sorge“, dass die ökumenischen Projekte und Vorhaben, die mit dem Reformationsjubiläum 2017 national und international auf den Weg gebracht wurden, „ins Stocken geraten sind“. Er hat den „Eindruck“, dass dies „möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass die inneren Debatten um den Weg der römisch-katholischen Kirche sehr zehrend sind und die Beteiligten und die Verantwortlichen sehr beanspruchen“. Umso wichtiger sei, dass die Kirchen in Deutschland „ihre ökumenischen Projekte weiterführen, etwa bei der Seelsorge in Krankenhäusern, Polizei und Militär sowie beim Religionsunterricht“. 

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