Alptraum Stendal

Punktum

Seit einigen Wochen ist es wichtig, dass man Saft auf dem Smartphone hat, denn es gilt, häufiger den Impfnachweis zu zeigen. Seitdem checke ich immer nervös den Ladezustand meines Galaxy A52, bevor ich Zug fahre und lade, wenn nötig, vor Fahrtantritt nochmal gründlich auf. Ist doch klar ...

Kurz vor Weihnachten dann, im letzten ICE Richtung Westen, Abfahrt Berlin 21:16 Uhr, pünktlich: Kurz hinter Spandau fragen zwei Mitarbeitende der DB-Sicherheit nach meinem Impfnachweis. „Kein Problem“, sage ich, greife in die Brusttasche. Nichts. Oh Gott, wo … ? Nein! Mein Galaxy A52 liegt wohl noch am Kabel in meinem Büro am Zoo, denn ich habe ja so große Angst, dass es im Fall der Fälle … Mist … – „Hören Sie, es ist wirklich doof, aber …“ – Es folgen minutenlange Beteuerungen, dass ich geimpft sei, flehentliche Bitten, meine Frau anzurufen und das Angebot, mich bis Hannover auf dem Zugklo einzuschließen, aber … vergeblich … – „Es tut mir sehr, sehr leid“, seufzt der stämmige DB-Sicherheitsmitarbeiter, und auch seine Kollegin zuckt mit den Schultern, „… Sie müssen in Stendal aussteigen.“

Ich mach’s kurz: Um 22:17 Uhr werde ich in Stendal aus dem Zug geleitet, die beiden trösten mich zum Abschied: „Kopf hoch, das Corona-Testzentrum in der Erich-Weinert-Straße öffnet schon um 7:00 Uhr.“ Und während die ICE-Türen beim Schließen gespenstisch piepen und ich noch hören muss, wie sie verächtlich „Volksschädling“ zischen, denke ich verzweifelt: „Was nun? Am besten suche ich mal irgendeinen Pfarrer, aber wie finde ich den, so ganz ohne Smartphone … o, mein Gott.“ – „Hallo, hallooo, welcher Pfarrer denn bitte?“, höre ich plötzlich meine Frau sagen, „was ist Dein Problem, es ist halb vier, schlaf weiter.“ Sagt’s und dreht sich abrupt um. In mir beginnt es innerlich zu singen: „Freude, Freude über Freude, nur ein Alptraum, liebe Leude“, und derweil die Frau und das Galaxy A52 am Ladekabel friedlich weiterschlafen, findet auch mein Atem in ruhigere Bahnen. Uff!

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