Von Liebe und Terror

Über die Autorin, Dichterin, Aktivistin und Professorin bell hooks
Foto: privat

Feminismus ist ohne Rassismus- und Kapitalismuskritik nicht zu haben. So jedenfalls lautet eine der zentralen Botschaften der afrikanisch-amerikanischen Autorin, Dichterin, Aktivistin und Professorin für Literaturwissenschaften bell hooks. Schon vor über 40 Jahren vertrat sie einen intersektionalen Ansatz (obwohl der Begriff damals noch gar nicht existierte) und kritisierte, dass die meisten weißen Feministinnen der Mittelschicht ihre Kämpfe auf dem Rücken armer und Schwarzer Frauen austrugen. „Obwohl weiße Feministinnen den weißen Mann brandmarkten, indem sie ihn Imperialist, Kapitalist, Sexist, rassistisches Schwein nannten, setzten sie die Frauenbefreiungsbewegung mit Frauen gleich, die das Recht erlangen, in Gänze an eben dem System teilzuhaben, das sie als unterdrückend identifizierten. Ihr Zorn war nicht einfach eine Antwort auf sexistische Unterdrückung. Es war ein Ausdruck ihrer Eifersucht und ihres Neids auf weiße Männer, die Machtpositionen im System innehatten, während ihnen [den weißen Frauen] der Zugang zu diesen Positionen verwehrt wurde.“

Radikal und scharfsinnig

bell hooks nahm nie ein Blatt vor den Mund, wenn es darum ging, dieses White Bonding zu kritisieren, welches dazu führte, dass viele Schwarze Frauen, die für Frauenrechte eintraten, sich von dem Begriff „Feminismus“ abwandten und sich stattdessen „Womanistinnen“ nannten. Für sie war Feminismus wesentlich von Rassismus geprägt – nicht so für bell hooks. Sie drehte den Spieß um und sprach denjenigen Frauen das Prädikat „feministisch“ ab, die Sexismus losgelöst von Rassismus und Klassismus bekämpften.

hooks gehört zu den radikalsten und scharfsinnigsten Analytiker*innen weißer Vorherrschaft. Ihr bahnbrechender Essay „Weißsein in der schwarzen Vorstellungswelt“ gilt heute als einer der Grundlagentexte der Critical Whiteness Studies. Sie benennt darin, wie Schwarze seit 500 Jahren Weißsein studieren, nicht aus Interesse, sondern um ihres Überlebens willen. Was sich herausbildete, war ein ethnologisches Archiv über Weißsein, das „aus der Reaktion auf den traumatischen Schmerz und aus dem Leid hervorgegangen“ ist. hooks beschreibt Weißsein als Terror: „Dieses Weißsein in der schwarzen Vorstellungswelt in Worte zu fassen heißt oftmals, den Terror darzustellen. […] Alle Schwarzen in den Vereinigten Staaten, gleichgültig welcher Klasse oder politischen Richtung sie angehören, leben mit der Möglichkeit, vom Weißsein terrorisiert zu werden.“ Das schrieb hooks vor 30 Jahren, und die Black-Lives- Matter-Bewegung legt Zeugnis davon ab, wie aktuell hooks Analyse heute noch ist.

Biblischer Bezug

Nicht wenige waren irritiert durch die radikale Schwarze Feministin, denn bell hooks hat sich Zeit ihres Lebens geweigert, in weißen Menschen die Monster zu sehen, die sie laut weißer Vorherrschaft lernen sollten zu sein. In ihrem Buch All about Love spricht sie über ihre Zuversicht, dass weiße Menschen umkehren können, dass alle Menschen den Weg der Liebe einschlagen können, wenn sie sich dazu entschließen. Dabei, so hooks, ist es notwendig „unser Denken zu ändern, damit wir uns selbst als diejenigen betrachten, die sich ändern, anstatt zu denjenigen zu zählen, die einer Änderung im Weg stehen.“ hooks entwickelt eine Ethik der Liebe, wobei sie Liebe als die Bereitschaft bezeichnet, „unser eigenes spirituelles Wachstum und das anderer zu nähren“. Dazu braucht es Gemeinschaften, die von Gerechtigkeit, Mitgefühl, Dankbarkeit und Respekt gegenüber dem Leben geprägt sind. hooks Ethik der Liebe hat auch Wurzeln in der christlichen Tradition; insbesondere 1. Joh 4,18 ist für hooks ein zentraler biblischer Text: „Wenn wir uns die biblische Aussage zu Herzen nehmen ‚Furcht gibt es in der Liebe nicht‘, wissen wir um die Notwendigkeit, mutig zu denken und zu handeln.“ Am Ende ihres Buchs schreibt bell hooks: „Liebe kann uns verändern.“ Jede wahrhaftige Veränderung zum Guten beginnt mit diesem Satz.

bell hooks starb am 15. Dezember im Alter von 69 Jahren an Nierenversagen.

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