Rechtliches Fehlkonstrukt

Der Paragraph 219a sollte fallen, um den 218 zu retten
Foto: Rolf Zöllner

Die Ampelkoalition hat vor, den umstrittenen Paragraph 219a abzuschaffen. Bisher waren die Kirchen eher dagegen. zeitzeichen-Redakteur Philipp Gessler ist klar dafür, denn der 219a sei ein „gesetzliches Ungetüm“.

„Das verspricht tatsächlich auch eine innerkirchliche Auseinandersetzung, aber der müssen wir uns stellen“, sagte Martin Dutzmann, Bevollmächtigter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), kürzlich dem Deutschlandfunk. Es ging um die von der Ampelkoalition geplante Abschaffung des Paragraphen 219a, also das so genannte Werbeverbot für einen Schwangerschaftsabbruch.

Schon 2018 hatte der damalige EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm betont: „Ein Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche halte ich für richtig.“ Allerdings schränkte er ein, dass darüber informiert werden könne, sei legitim, nicht aber Werbung für die Eingriffe. Evangelische Frauenverbände hatten dagegen schon länger für ein Ende des 219a plädiert.

Nun wird man diese Frage im Rat der EKD noch mal neu diskutieren. Die Zeit drängt, die Ampelkoalition will die Sache recht schnell unter Dach und Fach bringen. Mit dem Gleichschritt in der Ökumene wird es für die EKD schwierig, denn auf katholischer Seite ist man klar für die Beibehaltung des 219a, wie jüngst der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, klarmachte.

Unpraktikabel von Anfang an

Aber wäre eine Abschaffung des 219a durch das Parlament vernünftig? Um das klar zu sagen: Ja, das wäre sie. Der 219a ist ein gesetzliches Ungetüm, das nur um der juristischen Reinheit willen beim großen Schwangerschaftsabbruch-Kompromiss in den 1990er-Jahren dem Abtreibungsparagraphen 218 zugefügt wurde – er war unpraktikabel von Anfang an. Die Logik dahinter war diese: Wenn Abbrüche gemäß Paragraph 218 zwar weiterhin Straftaten darstellen, aber unter bestimmten Bedingungen straffrei bleiben, darf auch nicht für sie geworben werden.

Aber was heißt „Werbung“? Ist eine Information auf der Homepage einer Ärztin Werbung, wenn sie lediglich darüber informiert, dass sie auch Abbrüche durchführt? Ende November 2017 war die Gießener Ärztin Kristina Hänel auf Grundlage des 219a zu einer Strafe von 6 000 Euro verurteilt worden, weil sie genau dies getan hatte: auf ihrer Internet-Seite über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren.

Die hessische Ärztin wurde Opfer eines Paragraphen, der in sich unlogisch ist, da er Information über einen medizinischen Eingriff bestraft, der durchaus straffrei möglich ist, wenn den gesetzlichen Vorgaben gefolgt wird. Es ist gut, dass die Ampelkoalition dieses rechtliche Fehlkonstrukt kippen will.

Ambivalente Formel

Die Streichung des 219a könnte auch dazu dienen, den Paragraphen 218 zu retten, der seit mehr als einem Vierteljahrhundert Großes geschafft hat: nämlich beizutragen zu einer gesellschaftlichen Befriedung der schmerzhaften Debatte um Schwangerschaftsabbrüche, zu einem deutlichen Rückgang der Abbrüche und einem Ende lebensgefährlicher Pfuscherei gegenüber schwangeren Frauen.

Sicher, die dabei gefundene Formel („Straftat, aber straffrei“) bleibt in sich ambivalent. Aber der Staat war nach langen Debatten so klug, diese Ambivalenz auszuhalten, denn sie spiegelt zugleich die Ambivalenz der Rechtsgüter wider, die hier unauflöslich miteinander im Konflikt stehen, nämlich das Selbstbestimmungsrecht der Frauen und der Schutz des ungeborenen Lebens.

Deshalb: Der Paragraph 218 wird nicht fallen, wenn der 219a gestrichen wird. Und das sollten die Kirchen hoffen und begrüßen.

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