Wann ist ein Mann ein Mann?

Männer brauchen ihre eigenen Arten der Spiritualität
Foto: privat

Selbst ist der Mann! Männer fragen nicht gern nach, weichen ungern aus und halten selten an. Männer leiten gern, nehmen Einfluss. Männer sind gern im Angriffsmodus unterwegs und taktieren. Männer gehen voran und rechtfertigen sich ungern. Wann ist ein Mann ein Mann? Diese Frage hat in der Vergangenheit schon die deutsche Popmusik beschäftigt.

Neben den wahrscheinlich eher klischeehaften Vorstellungen von Männlichkeit im Zusammenhang mit Stärke und Dominanzstreben gibt es mittlerweile auch andere Akzentuierungen des Mannseins. Das Thema Hochsensibilität etwa lässt grüßen. Oder die Frage, warum als Mann nicht einfach mal hygge sein? Nein, nicht beschugge, angetrunken oder gewalttätig, sondern gemütlich.

Es geht also Männlichkeit einmal anders und trotzdem nicht von gestern. Dazu gehören Männer, die eher nachdenklich und reflexiv sind, oder neudeutsch ausgedrückt: achtsam. Männer ohne Stofftaschentücher, dafür aber mit einem Ledersattel auf dem Fahrrad. Mit dem Blick für das Detail eben.

Wie steht es um den Mann von heute: Ist er (immer noch) ein Suchender und Getriebener? Einer, der es sich und anderen beweisen muss, dass das Schneller-Höher-Weiter immer noch das Gebot der Stunde ist? Alle Leistungs- und Statusfragen einmal ausgeblendet (wobei diese wahrscheinlich auch selbstwertstabilisierend sein können): Was bleibt dann noch? Was ist Sinn und Zweck des Ganzen? Wo suchen beziehungsweise finden Männer eine Antwort auf die Fragen nach ihrem Sinn und Sein? Im Fitnessstudio, in der Autowaschstraße?

Männer stellen ihre Leistungsfähigkeit, ihr Haben und Sein gern ins Schaufenster. Dennoch scheint es so zu sein, dass die klassische Statusorientierung nicht mehr alle teilen. „Mein Haus, mein Boot, mein Auto“ war womöglich eher gestern. Heute geht es auch bei Männern um Themen wie soziale Netzwerke oder um den ökologischen Fußabdruck. Möglicherweise richtet der eine oder andere auch den Blick nach innen: Wie geht es mir wirklich, wo blende ich vielleicht Probleme aus (na, dann Prost!), oder wo benötige ich Hilfe? Im Beruflichen ist so etwas wie Coaching sicherlich etabliert, eine Psychotherapie oder die Inanspruchnahme von Erziehungsberatung im familiären Kontext sind da vielleicht nochmal etwas anderes. Festgehalten werden kann, dass Männer meistens im Vorwärtsgang unterwegs sind. Wenn auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und Drehzahl. Gilt die Vorwärtsbewegung auch in Bezug auf die eigene Spiritualität, den eigenen christlichen Glauben? Womöglich verbirgt sich hinter mancher Macherfassade auch eine christliche Prägung, sei es durch die gläubigen Großeltern oder durch den Zivildienst in einer diakonischen Einrichtung.

Vielleicht hat der eine oder andere auch selber einmal ein Tisch- oder Abendgebet gesprochen. Fakt scheint zu sein, dass Männer im erwerbsfähigen Alter selten über einen Stammplatz in der Kirchenbank verfügen.

Auch ohne christliche Vorprägung: Gibt es bei Männern eine gelebte Spiritualität, so etwas wie eine Ausrichtung auf Gott? Neben den Fußballprofis, die sich vor Spielbeginn bekreuzigen und den Blick nach oben richten. Woran liegt es, dass, gesellschaftlich gesehen, die wenigsten noch einen Bezug zur Kirche oder zum Glauben haben? Ist Gott überflüssig geworden? Lässt Mann sich ungern etwas sagen (von der Kanzel herunter)? Männer tendieren durchaus zur Geselligkeit oder auch zur Teilnahme an wiederkehrenden Veranstaltungen, zu denen sie auch ihren Nachwuchs mitnehmen, wie die Zuschauertribünen bei der Fußballbundesliga offenbaren. Dennoch scheinen die Kirche und auch die eigene Frömmigkeit in der Gefahr zu stehen, den gesellschaftlichen Anschluss zu verlieren. Auch in Zeiten der Pandemie scheint sich der Glaube nicht übermäßig neuer, starker Beliebtheit erfreut zu haben. Zumindest nicht im öffentlich wahrnehmbaren Bereich der Kirche.

Von daher: Wie glaubt Mann? Eher dogmatisch oder eher erfahrungsbezogen? Wie kann der persönliche Glaube gefördert beziehungsweise wiederbelebt werden? Vielleicht durch modernere Gottesdienstformen, die sich auch durch einen entsprechenden Musikstil auszeichnen? Durch Apps, die spiritualitätsfördernd sind? Durch Glaubens-Gesprächsgruppen? Oder doch eher old-school-mäßig durch das klassische Bibellesen? Und sei es häppchenweise. Gesellschaftlich scheint es durchaus Eindruck zu machen, wenn Prominente etwas Privates preisgeben. Vielleicht gibt es da beispielsweise Sportler oder Musiker, die etwas zum Thema Glaube und Spiritualität beitragen können.

Schön wäre es, wenn zur Männlichkeit nicht nur Fragen des Besitzes und des Könnens, sondern auch Fragen nach dem Umgang mit sich selber und anderen gehören würden und dabei auch die eigene Spiritualität selbstverständlich ihren Platz findet. Eine Spiritualität, die wach und lebendig gehalten wird. 24/7. Eine Spiritualität, die sich im Alltag belastungs- und tragfähig erweist. Denn eine Frage bleibt: Und selber? 

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