Eindeutig

Pater und Pazifist

Die katastrophenreiche Geschichte des 20. Jahrhunderts hat der Friedens­ethik eine Vielzahl von Interpretations- und Orientierungsaufgaben hinterlassen. Der Pater und radikale Pazifist Max Josef Metzger gehört auf katholischer Seite zu den beeindruckendsten Christen, die sich der Herausforderung des Militarismus und der nationalsozialistischen Menschenverachtung stellten. So ist die Studie des Religionspädagogen Ludwig Rendle ein engagierter und solide gearbeiteter Beitrag, der einem Märtyrer ein würdiges Denkmal setzt und zugleich nötige Debatten beleben kann.

Metzger war ein theologisch versierter Kopf, der die katholisch-kirchliche Tradition partiell in Frage zu stellen wagte und ein von der Bergpredigt angeregtes Konzept der Gewaltlosigkeit gegen das Naturrechtsmodell des gerechten Krieges aufbot. Anders als der Lutheraner Dietrich Bonhoeffer blieb er unbeirrt bei seiner in den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs geformten pazifistischen Linie. Er vernetzte sich vielfältig – auch in die protestantische Friedensbewegung der Zwischenkriegszeit –, schrieb Aufrufe, warb für sein kompromissloses Verständnis der Nachfolge Jesu. Auch vor Hitlers Machtapparat blieb er gewaltlos. Er setzte auf sein persönliches Beispiel und die Überlegenheit einer Ethik, die nach seiner Überzeugung jesuanisch war. An Hitler Hand anzulegen, kam ihm nicht in Frage; er versuchte, den Diktator durch ein Memorandum umzustimmen. Das führte zur Verurteilung durch Freislers Volksgerichtshof. Am 17. April 1944 wurde Metzger hingerichtet.

Metzger steht persönlich überzeugend für eine radikale Nischenethik. Dem gewalttätigen Staat machte er sich nicht gleich, ließ sich von ihm mörderisch überwältigen – und war überzeugt, so den Sieg des Guten zu verkündigen.

In komplementärer Sicht zeigt sich Metzger als ein „Anti-Bonhoeffer“. Er bewahrte die eigene moralische Integrität. Das veranlasst freilich – im Bewusstsein einer in ihren Unterschieden fruchtbaren und versöhnungsfähigen Ökumene – Rückfragen nach Grundentscheidungen der Anthropologie und nach der christlichen Erlösungshoffnung. Denn bei allem Respekt für diesen Zeugen der Gewaltfreiheit scheint es den politischen Ideen Metzgers an mancher Erfahrungsdimension zu fehlen. Lässt Weltfriede sich durch friedfertige Übereinkunft gewährleisten? Kann in der Nische des radikalen Pazifismus wirklich in einer durch und durch gefallenen Welt Verantwortung praktiziert werden? Und was ist Christus hier letztlich: der Erlöser dessen, der sich ganz auf ihn verlassen hat bis hin zur Hingabe persönlicher Reinheit – oder ein Gesetzgeber, von dem gerechter Lohn für „sauberes“ Handeln erwartet wird?

Zur ehrlichen Wertschätzung des Pazifisten Metzger gehören Rückfragen, die Grundsätzliches nicht auslassen. Im heutigen Protestantismus, soweit er sich im kirchlichen Milieu definiert, scheint Metzgers pazifistische Linie klar mehrheitsfähig. Dass Metzger doch recht traditionell im katholischen Denken wurzelt, nötigt aber zu der Erinnerung, dass die Reformation sich in zentralen Topoi der Christologie, der gnädigen Erlösung und der Anthropologie von römischen Annahmen getrennt hat. Dies, um der biblischen Botschaft und dem humanen Dasein in der immer noch erlösungsbedürftigen Welt, der eine Nischenethik letztlich nicht gerecht wird, entsprechen zu können.

Es könnte dem friedensethischen Diskurs der evangelischen Kirche zum Segen gereichen, Metzgers katholisch fundierten Radikalpazifismus in freundlicher Differenzhermeneutik zu erschließen. Denn die Grundentscheidungen der Reformation teilte Metzger nicht, auch nicht hinsichtlich der Rechtfertigung dessen, der in der Welt aus Verantwortung schuldig werden kann. Deshalb sei das gründlich geschriebene Buch Protestanten zur kritischen Lektüre empfohlen.

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