Simulation

Teilhabe in der katholischen Kirche

In der Theologie gilt Kanonistik, also Kirchenrechtslehre, nicht gerade als sexy. So wird denn auch eher gemurrt, wenn ausgerechnet sie die aufregendsten Beine zeigt. Die Täuschung des Bonner Kanonisten Norbert Lüdecke ist insofern ein Coup. Anlass für das Buch sind die Reformgespräche des Synodalen Wegs, die er schlüssig belegt, eine „Partizipationssimulation“ nennt. Lüdecke irritiert, dass Laien dort Lebenszeit und Energie investieren, obwohl von vornherein feststehe, dass die erhofften Veränderungen so gar nicht erreicht werden können. Das lasse die Machtverteilung nicht zu. Als deren Dreh- und Angelpunkt markiert er die Priesterweihe. Denn nur Geweihte können Bischof und somit zu Bestimmern werden. Und über denen steht ganz oben der Papst, mit Rechtsprechungsprimat und Unfehlbarkeitsdogma im Rücken. Die anderen sind Laien, und müssen dies, sofern Frauen, zeitlebens bleiben. Anders gesagt: Katholische Kirche ist eine absolutistische Monarchie, deren oberster Gesetzgeber und höchster Richter identisch sind und in der Laien, über 99 Prozent der Katholiken, nichts zu bestimmen haben. Man kann sie allenfalls anhören. Genau das meint auch die derzeit virulente Rede von „Synodalität“, die gerade auf die Weltkirche ausgedehnt wird.

Der Synodale Weg kann also, wenn überhaupt, bloß Vorschläge machen und die Bischöfe bitten, jene in Rom vorzulegen, wo sie aber in den Papierkorb wandern, sollten sie das lehramtlich, also von der Spitze verfügte System auch nur ansatzweise in Frage stellen. Dass um den Synodalen Weg trotzdem derart viel Aufhebens und verbales Tamtam gemacht wird, lässt fragen, wieso: Diese Linie zieht Lüdecke historisch aus und betrachtet dazu jene Phasen des jüngsten Katholizismus, in denen die Bischöfe zu „Gesprächsprozessen“ luden. Er zeigt, dass dies stets dann passierte, wenn die als Staatsbürger Gleichberechtigung und Beteiligung gewohnten Laien so unzufrieden waren, dass massiv Druck entstand – 1968 etwa, als viele auf Liberalisierung hofften und dann die „Pillenenzyklika“ von Paul VI. brachial ernüchterte. Der anberaumte „Gesprächsprozess“ danach, die Würzburger Synode von 1972 bis 1975, endete mit klarem Ergebnis: null. Aber man hatte mal geredet. Das wiederholte sich 2010 nach dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle. Die Bischöfe signalisierten: Mal reden. Nach der MHG-Studie 2018 das Gleiche, nun Synodaler Weg genannt: mal Druck vom Kessel nehmen.

Das „Zentralkomitee der deutschen Katholiken“, das dabei die Laienseite verkörpert, steht der vorgeblichen Gegenseite aber recht nah: Es wurde 1952 auf Initiative der Bischöfe hin gegründet und ist bis heute personell eng mit ihnen verbunden wie finanziell von ihnen abhängig. Lüdecke ordnet auch das nonchalant ein und scheut die Rolle des Spielverderbers nicht. Interessierte können indes von seiner schonungslosen, in Rücksprache mit Fachkollegen erarbeiteten Analyse immens viel über Katholiken und ihre Kirche lernen – und werden dahinter das Anliegen ahnen, mal durch Aufklärung Wege aus der selbst verschuldete Unmündigkeit zu weisen.

Dass sich Katholiken stattdessen aber auf den Synodalen Weg einlassen, sei wohl mit „Heilsangst“ zu erklären, ist doch ihre Kirche auch das geglaubte Heilsinstitut. Insofern, so Lüdecke, hätten sie aber die Kirche, die sie verdienen – und sollten mal zu jammern aufhören. Es verwundert jedenfalls nicht, dass in dem glänzend geschriebenen Buch aus manch gestochen scharfer Formulierung erschöpfter Sarkasmus durchscheint – was beim Leser den Eindruck nährt, dass es für wirkliche Veränderung wohl Mut zum Ungehorsam bräuchte. Dazu wird es aber kaum kommen, da können angeblich Reform-affine Bischöfe Rücktritte anbieten, wie sie wollen. Den so fesselnd blank ziehenden Kanonisten trifft derweil längst ein deutliches Murren: Gescholten wird mal wieder der Bote und nicht das Lehramt, das dieses Kirchenrecht verfügte. So ist sie, die Welt, auch bei den Katholiken.

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