Eine Aushalteübung

Gespräch mit Käthe Schmidt (28), der rheinischen Jugenddelegierten in der deutschen Delegation bei der ÖRK-Vollversammlung, über ihren Beitrag in Karlsruhe
Portrait Käthe Schmidt
Foto: EKD

zeitzeichen: Frau Schmidt, welche Bedeutung hat die Vollversammlung für Sie?

KÄTHE SCHMIDT: Ich war schon auf der Weltmissionskonferenz in Arusha (Tansania) dabei. Für mich ist das eine bereichernde Erfahrung, Menschen aus unterschiedlichen kulturellen und konfessionellen Kontexten zu begegnen und die verschiedenen kirchlichen Traditionen kennenzulernen. Und letztlich verstehe ich in der Begegnung mit dem Anderen auch meine eigenen Traditionen vertieft.

Sie arbeiten derzeit nicht bei der Kirche, sind nicht ordiniert. Warum ist das Lernen wichtig?

KÄTHE SCHMIDT: Im globalen Kontext lerne ich hier in Karlsruhe die kirchlichen Strukturen kennen. Wie es ist, wenn Menschen aus unterschiedlichen Kulturen kommen, man aber gemeinsam Beschlüsse fassen muss, eine Einheitserklärung, wie sich Ausschüsse zusammensetzen. Möglichst gleichberechtigt, so dass auch junge Stimmen, Frauen und Indigenous People zu Wort kommen.

Was können Sie zu dieser Vollversammlung beitragen?

KÄTHE SCHMIDT: Ich bringe meine Perspektive mit: die einer Frau, eines jungen Menschen. Und ich komme frisch aus einer theologischen Ausbildung. Auch diese Erfahrung bringe ich in einem ökumenischen Gespräch zu theologischen Ausbildungen ein. Ich werde zukünftig am Johanneum, der Wuppertaler Evangelistenschule, mit dem Schwerpunkt Systematische Theologie und Praktische Theologie unterrichten. Dort absolvieren Menschen eine dreijährige theologisch- pädagogische Ausbildung.

Wie nehmen Sie während der Vollsammlung den Umgang mit den jüngeren Menschen wahr? Werden Ihre Stimmen gehört?

KÄTHE SCHMIDT: Ich empfinde eine große Offenheit und Interesse, meine und unsere Stimmen zu hören. Ein Beispiel: In der vergangenen Woche gab ein es Meeting der Regionen, an dem ich in der europäischen Sitzung teilnahm. Es gab viele junge Menschen, die dafür geworben haben, junge Stimmen aus europäischer Perspektive in den ÖRK miteinzubringen. Die Resonanz der Älteren war groß und sehr positiv. Ich selbst habe mich in einer Plenarsitzung zu Wort gemeldet und einen Wunsch geäußert. Thema war die Einheitserklärung.

Welchen Wunsch haben Sie geäußert?

KÄTHE SCHMIDT: Mir war aufgefallen, dass in der Textvorlage zwar viele Zitate vorkamen, allerdings nur von Männern. Mein Wunsch war, dass sich die Stimmen von Frauen, die es im ÖRK und auf der Vollversammlung gibt, auch in den Texten spiegelt. Dazu habe ich den Vorschlag gemacht, ein Zitat aus Dorothee Sölles Glaubensbekenntnis einzubinden.

Ist das angenommen worden?

KÄTHE SCHMIDT: Ich habe viele orangene Karten im Tagungsraum wahrgenommen, das heißt, es gab große Zustimmung. Aber ob das Einzug in den Text erhält, weiß ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Es ist nicht leicht, sich mit so vielen Menschen aus so unterschiedlichen Kulturen und Konfessionen einig zu werden.

Die Themen Gender und menschliche Sexualität liegen Ihnen am Herzen. So jedenfalls steht es in dem Informationsdienst für Presbyterinnen und Presbyter der rheinischen Kirche. International ist das ein heißes Eisen. Sind Sie, wie Sie im Vorfeld geäußert haben, darüber schon bei dieser Vollversammlung ins Gespräch gekommen?

KÄTHE SCHMIDT: Das Thema ist mir nach wie vor wichtig und ich bin darüber mit einzelnen Menschen im persönlichen Gespräch.  Im Blick auf die Vollversammlung hat sich das setting aber noch einmal verändert, ich bringe mich hier jetzt zum Thema theologische Ausbildungen ein.

Was heißt das für die theologische Ausbildung?

KÄTHE SCHMIDT: Es geht um die Frage, wie man die ökumenische Erfahrung und auch das Theoriewissen in der Ökumene in die theologische Ausbildung einbinden kann. Menschen in der Gruppe zeigen, wie sich das zum Beispiel in einem Curriculum spiegelt. Ich bin überzeugt, dass ökumenische Erfahrungen und das Lernen konfessioneller Traditionen in den theologischen Ausbildungen unsere eigene Theologie in die Weite führen.

Trotzdem sind für Sie die Themen Frauen und Gender persönlich weiter wichtig. Wie nehmen Sie bei dieser Vollversammlung die stark patriarchalisch strukturierten Kirchen wahr?

KÄTHE SCHMIDT: Das ist für mich eine Aushalteübung. Ich habe den Wunsch, dass Frauen gleichberechtigt mitsprechen und an dieselben Positionen wie Männer kommen können. Und bei dieser Vollversammlung muss ich lernen auszuhalten, dass das nicht überall der Fall ist.

In welchem Verhältnis stehen Ihrer Meinung nach bei der Vollversammlung theologische Reflexion, gemeinsames Gebet und die aktuellen Themen wie Klimanotstand oder Bekämpfung des Rassismus?

KÄTHE SCHMIDT: Ich habe das Gefühl, dass all das Raum hat. Und auch, dass all das nebeneinander sein muss. Aber gerade da, wo wir uns streiten, funktioniert das nur, weil wir auch zusammen Andachten feiern, beten und bei den Mahlzeiten nebeneinander sitzen.

Was hat Sie bei der Vollversammlung am meisten überrascht?

KÄTHE SCHMIDT: Die Andachten. Ich habe schon in verschiedenen Kontexten ökumenische Feiern erlebt. Aber ich finde es überraschend, wie schön so eine gemeinsame Andacht, so ein gemeinsames Beten sein kann. Die sich solch unterschiedlicher Traditionen bedienen und trotzdem kein Stückwerk sind, eine Liturgie haben. Sie können auch Orte der Heilung sein, des sich Freuens.

Sie kommen aus einer russlanddeutschen Familie aus Kasachstan. Hilft Ihr familiärer Hintergrund, den Konflikt zwischen der Ukraine und Russland zu verstehen?

KÄTHE SCHMIDT: Ich habe keinerlei Verständnis für den russischen Angriffskrieg. Aber vielleicht habe ich eine andere Sensibilität, die zu dem Wunsch führt, dass differenziert über diesen Konflikt gesprochen wird, was ich hier zu großen Teilen auch erlebe. Wir sollten nicht von den Russen sprechen, denn dort gibt es sehr unterschiedliche Menschen und Positionen.

Was ist Ihre Hoffnung für diese Vollversammlung?

KÄTHE SCHMIDT: Meine Hoffnung ist, dass wir in einer Einheitserklärung, weitere Schritte auf dem Weg der Versöhnung formulieren. Der ÖRK beschäftigt sich ja mit ganz vielen Themen, es geht um Kriege und um Auseinandersetzungen in ganz unterschiedlichen Teilen der Welt. In einer Erklärung 1948 formulierte der ÖRK Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein. Das hat nach wie vor Gültigkeit.  Der ÖRK hat im Vorfeld der Vollversammlung bekräftigt, dass dieser Krieg illegal und nicht zu rechtfertigen ist. Und ich gehe davon aus, dass dieses bestätigt, vielleicht sogar verstärkt wird.  Ich erwarte aber auch, dass der ÖRK über Klimagerechtigkeit spricht.

Das Gespräch führt Kathrin Jütte am 4. September in Karlsruhe.

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Kathrin Jütte

Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.


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