Mal wieder ohne uns

Wie sich Menschen of Color beim Empowerment-Diskurs innerhalb der Evangelischen Kirche fühlen
Foto: privat

Stellen Sie sich vor, bei Ihnen Zuhause, dort wo Sie sich richtig gut auskennen, wird ein Empfang veranstaltet. Viele Menschen kommen, doch Sie selbst sind nicht dabei, Sie wurden nicht eingeladen. Dieses Gefühl beschreibt in ungefähren Zügen, wie sich Menschen of Color und Schwarze Menschen in Bezug auf den Empowerment-Diskurs innerhalb der Evangelischen Kirche fühlen.

Dass der Begriff „Empowerment“ und die damit verbundenen Diskurse auch für die Evangelische Kirche eine Rolle spielen, wurde gerade erst auf der im November letzten Jahres stattgefunden EKD-Synode in Ulm deutlich, bei der das Thema an prominenter Stelle im Ablaufplan stand und gleich in verschiedenen Kon­stellationen auftauchte (Thementische mit den Titeln wie „So sieht eine Kirche des evangelischen Empowerments aus“/„Was wird durch evangelisches Empowerment konkret verändert?“; ein Impuls zum Themenschwerpunkt). Auch das „Forschungszentrum Christliches Empowerment in der Säkularität“ forscht zu dieser Thematik. In diesen Kontexten wird Christliches Empowerment als Befähigung und Bevollmächtigung zu christlichem Leben verstanden.

Nun ist es so, dass der Begriff „Empowerment“ aus den Widerstandstraditionen von Schwarzen Menschen und Menschen of Color in Deutschland und international stammt. Er ist tief verankert in den Quellen Schwarzer Wissensarchive, die den Begriff „Empowerment“ als ein Lebens-Mittel für mehrfach Diskriminierte ausweisen. Es geht dabei um biografische Prozesse, in denen mehrfach Diskriminierte ein Stückchen mehr Macht für sich gewinnen, im Sinne politischer, sozialer und gesellschaftlicher Teilhabe an Entscheidungsprozessen, und darin auch der gelingenden Bewältigung alltäglicher Lebensbelastungen in Form von Diskriminierung(en). Menschen, die sich in Situationen des Mangels, der Benachteiligung oder der gesellschaftlichen Ausgrenzung befinden, sollen in einen Prozess der Selbstbemächtigung kommen können und innerhalb des unterdrückerisches Umfeldes Wege des selbstbestimmten Lebens finden. Aus einem Leben geprägt von Ohnmacht hin zur Entdeckung von Handlungsmöglichkeiten.

Für Schwarze Christ*-in­nen und Christ*innen of Color hat der Begriff „Empowerment“ also eine tiefe Tradition. So führt Sarah Vecera in ihrem Podcast „Stachel und Herz“mit Thea Hummel aus: „Für Schwarze Menschen ist ‚Empowerment‘, nicht nur ein Wort. Für mich ist das eine Lebenseinstellung.“

Gerade vor dem Hintergrund, dass die vorangegangene Synode beschlossen hat, Schritte in Richtung auf eine diversitätssensible Kirche zu machen, ist es fraglich, ob es hilfreich ist, diese Begrifflichkeit mitsamt ihrer Tradition und ihrer Bedeutung für Christ*innen of Color und Schwarze Christ*innen ohne Einbeziehung eben dieser Menschen oder einer Reflektion dessen mit Bezug auf eine eindeutig mehrfach privilegierte Gruppe anzuwenden.

Im kirchlichen Umgang mit dem Begriff „Empowerment“ und der damit verbundenen Thematik wird die langwährende Schmerzgeschichte von Schwarzen Menschen und Menschen of Color mit Kirche fortgeschrieben. Die Tradition der Verwendung durch Schwarze Christ*innen und Christ*innen of Color – die Teil der Evangelischen Kirche sind –, in der der Begriff Empowerment steht, wird durch die Ignoranz dessen unsichtbar gemacht. Es werden die entsprechenden Schwarzen Wissensarchive ausgelöscht, für deren Sichtbarkeit noch immer gekämpft werden muss.

Durch einen so geführten Diskurs zum Thema „Empowerment“ zeigt sich (wieder einmal), dass es keine Sensibilität und kein Mitdenken von Perspektiven von Menschen of Color und Schwarzen Menschen in der Kirche gibt. Es wird erneut schmerzhaft vor Augen geführt, welche Stimmen gehört und welche Traditionen sichtbar gemacht werden – und welche nicht.

„Empowerment steht für die Emanzipation Benachteiligter“, sagte Michael Domsgen in seinem Impulsreferat zum Thema „Empowermentsensibel Evangelium kommunizieren“ auf der vergangenen Synode. Ob die Menschen, die Mitte November auf der EKD-Synode zusammenkamen, um über die Chancen dieses Begriffes zu sprechen, die Tiefe dieses Satzes und dessen Bedeutung für die Meisterung des Alltags von mehrfach Diskriminierten begreifen können, bleibt an dieser Stelle offen. Es ist jedoch mehr als fraglich, ob sich weiße Christ*innen in unserer christlich geprägten Dominanzgesellschaft in Situationen des Mangels, der Benachteiligung oder der gesellschaftlichen Ausgrenzung befinden und aus diesen Gründen des Empowerments bedürfen. 

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Sarah Ntondele

Sarah Ntondele studiert Evangelische Theologie in Hamburg/Bochum und engagiert sich für eine diskriminierungssensible Theologie und Kirche.


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