Schädliche Larmoyanz

Überflüssige kirchliche Reaktionen auf die ForuM-Studie

In den Tagen nach der Veröffentlichung der ForuM-Studie Ende Januar stand die evangelische Kirche im Fokus einer extrem negativen Medienberichterstattung. Alles andere wäre verwunderlich gewesen, waren doch auch für viele Medienleute die Ergebnisse der Studie sehr überraschend.

Auch von ihnen hatten viele anscheinend gedacht, dass es in der evangelischen Kirche kein so umfangreiches Problem auf dem Feld der sexualisierten Gewalt gibt wie in der katholischen Kirche. Hinzu kam, dass neben den furchtbaren Details und den hohen Zahlen, die die Studie zutage förderte, auch noch der Eindruck entstand, die Landeskirchen hätten bei der Zulieferung der Akten versagt, und deswegen sei in der Studie nur die „Spitze der Spitze des Eisbergs“ der Verbrechen sichtbar geworden.

Dieser Eindruck war zu erheblichen Teilen dadurch entstanden, dass sich der Mannheimer Professor Harald Dreßing in der Pressekonferenz zur Veröffentlichung der Studie sehr kritisch (und in sehr kritischem Ton!) darüber geäußert hatte, dass mit Ausnahme einer kleinen Landeskirche nicht die Personalakten, sondern nur die Disziplinarakten ausgewertet wurden. Insofern war das Narrativ in der Welt, dass es in der evangelischen Kirche nicht nur genauso „schlimm“ in Sachen Missbrauch sei wie in der katholischen, sondern auch, dass das Gros der Landeskirchen, anders als die katholischen Bistümer, nicht in der Lage gewesen sei – bis auf eine –, die verabredete Art von Akten zu liefern.

Das entspricht so wohl nicht ganz der Wahrheit, denn sehr wohl hatten viele Landeskirchen alle Personalakten ausgewertet und wären auch in der Lage gewesen, wie vereinbart zu liefern. Aber die Forscher hatten diese Ergebnisse dann gar nicht abgefordert, sondern sich entschieden, nur die Personalakten der Reformierten Kirche zu berücksichtigen. Daraufhin hatten sich im Nachgang der Veröffentlichung der Studie Vertreter:innen einiger Landeskirchen öffentlich zu Wort gemeldet und sich darüber wortreich beklagt, ja sich sogar gerühmt, dass sich andere Landeskirchen an ihrer ein Beispiel nehmen sollten. Dieser Reflex mag menschlich und von daher irgendwie verständlich sein. Aber in der öffentlichen Wahrnehmung erweist er sich als schädliche Larmoyanz, die dem Ernst des Themas nicht angemessen ist.

Viel wichtiger ist jetzt, dass die evangelische Kirche endlich ins Handeln kommt! Und dafür stehen die Zeichen eigentlich recht gut, denn im Beteiligungsforum der EKD – kurz BeFo – arbeiten Betroffene und Kirchenleitende gleichberechtigt zusammen und bestimmen gemeinsam, was jetzt geschehen soll. Die erste BeFo-Sitzung nach der Veröffentlichung der Studie, auf der ein klarer Zeitplan für die Entwicklung von Maßnahmen entworfen wurde, hat Ende Februar stattgefunden, und Anfang März wird die Kirchenkonferenz der EKD, die Versammlung aller Landeskirchen, mit Vertreter:innen des BeFo beraten. Auf diesem Weg muss es jetzt rasch weitergehen, nur darum sollte es jetzt gehen. Und nicht um die Befindlichkeiten von einzelnen Kirchenoberen

 

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