Doppelt weiblich

Musizieren jenseits der Worte
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Wer "Duo" erlebt, kann nur hoffen, dass sich für die Ausnahmepianistin Helene Grimaud eine neue Tür aufgetan hat.

Die eine zieht es zu den Wölfen, die andere lebt auf einem Bauernhof in den Bergen. Hélène Grimaud und Sol Gabetta sind offenbar beide naturverbundene Menschen und dennoch grundverschieden, Moll und Dur, wie sie jüngst in einem Interview bekannten. In der Musik werden solche Charakterzuschreibungen aber zur Nebensache. Auf ihrer neuen CD Duo wirken die französische Pianistin und die argentinische Cellistin wie seit Ewigkeiten aufeinander eingespielte Partnerinnen.

Dabei seien sie "nicht wirklich befreundet", sagt Sol Gabetta, es sei eher ein gegenseitiges Mögen und Beflügeln: "Es ist in der Musik genauso wie in der Liebe: Man weiß nie, wieso es passt, sondern spürt es, ohne es erklären zu können." Zunächst ist es ja schon erstaunlich, dass ein in sich gekehrter Mensch wie Hélène Grimaud sich zu solch einer Zusammenarbeit entschieden hat. Berühmt ist sie durch ihre Recitals und als Solistin in Orchesterstücken geworden, nicht aber - wie beispielsweise ihre Kollegin Martha Argerich - für ihre Freude an kammermusikalischen Wechselbezügen.

Wer "Duo" erlebt, kann nur hoffen, dass sich für die Ausnahmepianistin hier eine neue Tür aufgetan hat. Schon der Einstieg mit Schumanns Fantasiestücken hat eine leicht berauschende Wirkung. Bei Brahms' erster Sonate für Klavier und Violoncello hört man kaum mehr zwei Instrumente, sondern einfach nur noch eine Musik - die sich schließlich bei Debussys d-Moll-Sonate in etwas jenseits der Worte verwandelt, eine Gefühlsschwingung vielleicht oder eine Farbe. Eben wie Sol Gabetta es beschreibt: "Man spürt es, ohne es erklären zu können." Mit diesen romantischen und impressionistischen Klangbildern hätten es die beiden Musikerinnen bewenden lassen können. Es wäre eine tolle, stimmige CD gewesen. Nicht jedoch für Hélène Grimaud: "Für mich gibt es Entspannung nur in Balance mit Anspannung. Ohne Anspannung keine Form, dann ist alles flach, tote Zeit."

Und so wird mit Schostakowitsch, ebenfalls eine Sonate in d-Moll, noch einmal ein ganz anderes Blatt aufgeschlagen. Spröder im Ausdruck, weniger unmittelbar zugänglich. Man muss auf Fallstricke gefasst sein. Doch auch hier zeigt sich der doppelt weibliche Akzent: Man könnte Schostakowitsch noch harscher interpretieren, doch Grimaud und Gabetta legen eher die verletzliche Seite offen. Ihre Dunkelheit braucht nicht so viel Härte, um einen starken Sog zu entfalten.

Hélène Grimaud/Sol Gabetta - Duo. Deutsche Grammophon 0289??479??0090??0.

Ralf Neite

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